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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band.

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Wie man vernimmt ist Saal derzeit mit einem unlängst begonnene" Werke in großen
Dimensionen beschäftigt. --

Vor längerer Zeit bat einer der im Park zu Windsor angestellten Arbeiter
um Erlaubniß, eine Statue, die in einer der Waldpartie" theilweise in der Erde
versteckt liege, ausgraben und sie in seinem Gärtchen aufstellen zu dürfen. ' Er erhielt die
Erlaubniß, unternahm nicht ohne Mühe die Ausgrabung, und binnen Kurzem stand der
Fund auf einem Piedestal und schon weiß angestrichen vor der Cottagc des Arbeiters. Ohne
zu ahnen, was er erblicken würde, kam anch Prinz Albert hin, und sah zu seinem
Erstaune" ein Werk von großer Schönheit n"d großem Werthe. Sei" lebhaftes In¬
teresse für Alles, was die schöne K""se aiigeht, trieb ih" an, weitere Nachforschungen
anstellen zu lassen. Und man fand nicht me"igcr als vier a"dere Statue", eine kolossale
Grippe von drei Figuren und zahlreiche Bruchstücke. Der Ort, wo sie so lange ver¬
borgen lagen, ist ohne Führer sast nicht zu finde", denn er liegt wol eine englische
Meile weit hinter der sogenannten langen Allee im dichtesten Walde: kein Weg oder
Pfad irgend einer Art führt hin, und das nächste bewohnte Haus liegt zwei englische
Meile" weiter hinaus. Sie an einem solchen Orte, von malten Eichen und dichtem
Haselgebüsch umgeben, und von hohem Farrenkraut überwuchert zu sehe", crimiert lebhaft
an Stccveii's Eiitdeckmigen in Centralamerika. Es war dasselbe Bild, aber in kleinem
Maßstabe und in nordischem Colorit. Ein Londoner Bildhauer, Mr. Thornycrost, ist
mit der Restauration beauftragt, und in seinem Atelier befinde" sich drei der Statue"
und die große Gruppe. Mit Ausnahme einer griechischen Statue von parischem Mar¬
mor sind sie alle vo" einem Meister, Pietro Franeavclia, geb. 1l>38 i" Cambray, und
el" geschätzter Schüler des berühmten Johann v. Bologna, wie aus Inschriften an den
Statuen selbst hervorgeht. Der Gegenstand der ersten Gruppe "Venus vertheidigt eine
Nymphe gegen einen Faun" ist meisterhaft behandelt. Es ist nach dem darauf verzeich¬
neten Datum das jüngste unter den drei Werken, ""d verräth trotz seiner Vortrefflich-
keit in der Komposition, der Zeichnung und der Anatomie schon einige Spuren von
der assectirteu Grazie, welche bei den späteren Bildhauern der italienischen Schule zur
Earicatur wurde. Vo" den drei Statuen ist die eine ein Aeolus, die andere ein
Simso", dem die Hände hinter dem Rucke" zusammengebunden sind, und dessen gewal¬
tige Anstrengungen, seine Bande zu zersprengen, dem Künstler Gelegenheit gegeben
haben, seine große Geschicklichkeit in der Darstellung der MuskelthätigM und seine
anatomischen Kcmitinsse darzulege". Das schönste Werk ist el" Apollo, eine Stat"e
voll jugendlicher Schönheit. Er ist mit eine", K"le aus eine" Fels gestützt dargestellt;
der rechte Arm ruht aus der Leier, der Körper ist ein wenig vorwärts gebeugt; der
lorbccrbckräuzte Kopf wendet sich nach der rechten Schulter, als lauschte er; die ganze
Bewegung der Gestalt ist voll Leichtigkeit und Eleganz. Die Times vermuthet, daß die
Statuen zur äußern Verzierung der jetzt niedergerissener "Royal Cottagc" gedient hätten,
und daß sie in Folge einer plötzlichen Laune Georg's IV. beseitigt worden wären.


Theater. -- Das Gastspiel der Frau vo" Marrci in Leipzig.

Wir
haben in unsre" gelegentlichen Bemerkungen über das Leipziger Theater bereits mehrfach
erwähnt, daß die Oper entschieden das Beste an demselben ist; sie hat einen ausge-
zeichneten Dirigenten, ein wohlbcsetztcS Orchester, und auch die Regie ist neuerdings
einem fleißigen, strebsamen und gebildeten Künstler übertragen. Was die Solopartien


Wie man vernimmt ist Saal derzeit mit einem unlängst begonnene» Werke in großen
Dimensionen beschäftigt. —

Vor längerer Zeit bat einer der im Park zu Windsor angestellten Arbeiter
um Erlaubniß, eine Statue, die in einer der Waldpartie» theilweise in der Erde
versteckt liege, ausgraben und sie in seinem Gärtchen aufstellen zu dürfen. ' Er erhielt die
Erlaubniß, unternahm nicht ohne Mühe die Ausgrabung, und binnen Kurzem stand der
Fund auf einem Piedestal und schon weiß angestrichen vor der Cottagc des Arbeiters. Ohne
zu ahnen, was er erblicken würde, kam anch Prinz Albert hin, und sah zu seinem
Erstaune» ein Werk von großer Schönheit n»d großem Werthe. Sei» lebhaftes In¬
teresse für Alles, was die schöne K»»se aiigeht, trieb ih» an, weitere Nachforschungen
anstellen zu lassen. Und man fand nicht me»igcr als vier a»dere Statue», eine kolossale
Grippe von drei Figuren und zahlreiche Bruchstücke. Der Ort, wo sie so lange ver¬
borgen lagen, ist ohne Führer sast nicht zu finde», denn er liegt wol eine englische
Meile weit hinter der sogenannten langen Allee im dichtesten Walde: kein Weg oder
Pfad irgend einer Art führt hin, und das nächste bewohnte Haus liegt zwei englische
Meile» weiter hinaus. Sie an einem solchen Orte, von malten Eichen und dichtem
Haselgebüsch umgeben, und von hohem Farrenkraut überwuchert zu sehe», crimiert lebhaft
an Stccveii's Eiitdeckmigen in Centralamerika. Es war dasselbe Bild, aber in kleinem
Maßstabe und in nordischem Colorit. Ein Londoner Bildhauer, Mr. Thornycrost, ist
mit der Restauration beauftragt, und in seinem Atelier befinde» sich drei der Statue»
und die große Gruppe. Mit Ausnahme einer griechischen Statue von parischem Mar¬
mor sind sie alle vo» einem Meister, Pietro Franeavclia, geb. 1l>38 i» Cambray, und
el» geschätzter Schüler des berühmten Johann v. Bologna, wie aus Inschriften an den
Statuen selbst hervorgeht. Der Gegenstand der ersten Gruppe „Venus vertheidigt eine
Nymphe gegen einen Faun" ist meisterhaft behandelt. Es ist nach dem darauf verzeich¬
neten Datum das jüngste unter den drei Werken, »»d verräth trotz seiner Vortrefflich-
keit in der Komposition, der Zeichnung und der Anatomie schon einige Spuren von
der assectirteu Grazie, welche bei den späteren Bildhauern der italienischen Schule zur
Earicatur wurde. Vo» den drei Statuen ist die eine ein Aeolus, die andere ein
Simso», dem die Hände hinter dem Rucke» zusammengebunden sind, und dessen gewal¬
tige Anstrengungen, seine Bande zu zersprengen, dem Künstler Gelegenheit gegeben
haben, seine große Geschicklichkeit in der Darstellung der MuskelthätigM und seine
anatomischen Kcmitinsse darzulege». Das schönste Werk ist el» Apollo, eine Stat»e
voll jugendlicher Schönheit. Er ist mit eine», K»le aus eine» Fels gestützt dargestellt;
der rechte Arm ruht aus der Leier, der Körper ist ein wenig vorwärts gebeugt; der
lorbccrbckräuzte Kopf wendet sich nach der rechten Schulter, als lauschte er; die ganze
Bewegung der Gestalt ist voll Leichtigkeit und Eleganz. Die Times vermuthet, daß die
Statuen zur äußern Verzierung der jetzt niedergerissener „Royal Cottagc" gedient hätten,
und daß sie in Folge einer plötzlichen Laune Georg's IV. beseitigt worden wären.


Theater. — Das Gastspiel der Frau vo» Marrci in Leipzig.

Wir
haben in unsre» gelegentlichen Bemerkungen über das Leipziger Theater bereits mehrfach
erwähnt, daß die Oper entschieden das Beste an demselben ist; sie hat einen ausge-
zeichneten Dirigenten, ein wohlbcsetztcS Orchester, und auch die Regie ist neuerdings
einem fleißigen, strebsamen und gebildeten Künstler übertragen. Was die Solopartien


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[0162] Wie man vernimmt ist Saal derzeit mit einem unlängst begonnene» Werke in großen Dimensionen beschäftigt. — Vor längerer Zeit bat einer der im Park zu Windsor angestellten Arbeiter um Erlaubniß, eine Statue, die in einer der Waldpartie» theilweise in der Erde versteckt liege, ausgraben und sie in seinem Gärtchen aufstellen zu dürfen. ' Er erhielt die Erlaubniß, unternahm nicht ohne Mühe die Ausgrabung, und binnen Kurzem stand der Fund auf einem Piedestal und schon weiß angestrichen vor der Cottagc des Arbeiters. Ohne zu ahnen, was er erblicken würde, kam anch Prinz Albert hin, und sah zu seinem Erstaune» ein Werk von großer Schönheit n»d großem Werthe. Sei» lebhaftes In¬ teresse für Alles, was die schöne K»»se aiigeht, trieb ih» an, weitere Nachforschungen anstellen zu lassen. Und man fand nicht me»igcr als vier a»dere Statue», eine kolossale Grippe von drei Figuren und zahlreiche Bruchstücke. Der Ort, wo sie so lange ver¬ borgen lagen, ist ohne Führer sast nicht zu finde», denn er liegt wol eine englische Meile weit hinter der sogenannten langen Allee im dichtesten Walde: kein Weg oder Pfad irgend einer Art führt hin, und das nächste bewohnte Haus liegt zwei englische Meile» weiter hinaus. Sie an einem solchen Orte, von malten Eichen und dichtem Haselgebüsch umgeben, und von hohem Farrenkraut überwuchert zu sehe», crimiert lebhaft an Stccveii's Eiitdeckmigen in Centralamerika. Es war dasselbe Bild, aber in kleinem Maßstabe und in nordischem Colorit. Ein Londoner Bildhauer, Mr. Thornycrost, ist mit der Restauration beauftragt, und in seinem Atelier befinde» sich drei der Statue» und die große Gruppe. Mit Ausnahme einer griechischen Statue von parischem Mar¬ mor sind sie alle vo» einem Meister, Pietro Franeavclia, geb. 1l>38 i» Cambray, und el» geschätzter Schüler des berühmten Johann v. Bologna, wie aus Inschriften an den Statuen selbst hervorgeht. Der Gegenstand der ersten Gruppe „Venus vertheidigt eine Nymphe gegen einen Faun" ist meisterhaft behandelt. Es ist nach dem darauf verzeich¬ neten Datum das jüngste unter den drei Werken, »»d verräth trotz seiner Vortrefflich- keit in der Komposition, der Zeichnung und der Anatomie schon einige Spuren von der assectirteu Grazie, welche bei den späteren Bildhauern der italienischen Schule zur Earicatur wurde. Vo» den drei Statuen ist die eine ein Aeolus, die andere ein Simso», dem die Hände hinter dem Rucke» zusammengebunden sind, und dessen gewal¬ tige Anstrengungen, seine Bande zu zersprengen, dem Künstler Gelegenheit gegeben haben, seine große Geschicklichkeit in der Darstellung der MuskelthätigM und seine anatomischen Kcmitinsse darzulege». Das schönste Werk ist el» Apollo, eine Stat»e voll jugendlicher Schönheit. Er ist mit eine», K»le aus eine» Fels gestützt dargestellt; der rechte Arm ruht aus der Leier, der Körper ist ein wenig vorwärts gebeugt; der lorbccrbckräuzte Kopf wendet sich nach der rechten Schulter, als lauschte er; die ganze Bewegung der Gestalt ist voll Leichtigkeit und Eleganz. Die Times vermuthet, daß die Statuen zur äußern Verzierung der jetzt niedergerissener „Royal Cottagc" gedient hätten, und daß sie in Folge einer plötzlichen Laune Georg's IV. beseitigt worden wären. Theater. — Das Gastspiel der Frau vo» Marrci in Leipzig. Wir haben in unsre» gelegentlichen Bemerkungen über das Leipziger Theater bereits mehrfach erwähnt, daß die Oper entschieden das Beste an demselben ist; sie hat einen ausge- zeichneten Dirigenten, ein wohlbcsetztcS Orchester, und auch die Regie ist neuerdings einem fleißigen, strebsamen und gebildeten Künstler übertragen. Was die Solopartien

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875/162>, abgerufen am 27.12.2024.