Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

gar nicht daran denken, mit diesen Pflegstättcn der feineren Lebensblüthen zu con¬
curriren, besonders da auch Farbenpracht und sinnliches Wohlbehagen sie umgab,
dessen Gleichen die Republik den Vertretern der geselligen Cultur unmöglich bie¬
ten konnte. Dabei war der Frankfurter stolz auf seinen kaiserkrönenden Republi-
kanismus und mochte die Unterthanen der hundert Souverainetäten nicht so recht
in pari mit sich stellen; durch und durch bürgerlicher und mcreantiler Aristokrat
schien ihm engerer Verkehr mit jenen eine sociale Mesalliance. Der enge Staats-
uud Stadtkreis ließ unter die Frankfurter nicht jene Gewohnheit des Personen¬
wechsels kommen, welche selbst im kleinsten Staate -- weil doch eben Stadt und
Staat "irgend gänzlich zusammenfielen -- eine leichtere gesellschaftliche Beweg¬
lichkeit erzeugte. Die ganze Gesellschaft ruhte fest auf der Grundlage der Fa¬
milie, Zünfte, Genossenschaften, kurz der echten Frankfurter Stadtkinder, zwischen
die sich mir höchst ausnahmsweise fremde Einwanderer, nie aber vorübergehende
Fremde dräugen konnten. Wer einmal eingewandert und in irgend eine Gewerb-
schaft aufgenommen war, der blieb und wurde ein Frankfurter -- wenn er reich
war. So ist's bekannt, daß man den Namen der Brentano von der Brenta ab¬
leitet. So kamen die du Fay als Hngucnvttische Flüchtlinge zur Zeit Franz I,.
aus Toulouse und führen noch zum Andenken an ihre Kreuzzugsritterschaft ein
Kreuz, an ihre hohe Gerichtsbarkeit Schwert und Rad als Wappenzeichen. Die
de Vary flohen unter Alba ans dem Walloncnland hierher; die Brüder Bernuö --
wohl anch flandrischen Ursprungs -- kauften 1697 mit kaiserlicher Bewilligung
den nach dem Main gehenden Theil des Saalhofs, wo sie 1717 den großen Ban
gegen den Ncntcnthurm aufführten. Ans der Wetterau stammten die noch älte¬
ren Frankfurter Holzhausen, welche schou 13ü7 Mitglieder der Gcwcrbschaft
Limpnrg waren, worin 1387 auch die ursprünglich hessischen Günderode ausge¬
nommen wurden. Dagegen wurden massenhafte Einwanderungen, wie z. B.
die niederländische, immerhin einigermaßen ferngehalten vom rechten Frankfurter
Einleben; und sie mußten dnrch Stiftungen ze. selbstständig für ihre Angehöri¬
gen sorgen.

Wie in allen Handelsstädten, so blieb anch der Frankfurter immer zurück¬
haltend gegen den fluchenden Andrang der Fremden, welcher sich ja überdies nach
jeder Messe wieder verlor. Man hatte gehandelt und verkehrt -- damit waren
die persönlichen Beziehungen zu Ende. Jenes Einleben nichtkaufmännischer und
nichtbürgerlicher Elemente in die Stadt, wie es zuerst der Hofhalt des Fürsten
Primas, dann der Bundestag brachte, berührte immerhin nur einzelne Kreise;
längeres Verweilen anderer Fremde ist erst ein Erzeugnis; neuerer Zeit; einzig
und allein die Nationalversammlung war ein gesellschaftliches Ereigniß, womit
die Fremde in die verschiedensten Schichten und in das Frankfurter Leben einrückte.
Und recht eigentlich erst seit dieser Zeit ist Frankfurt mehr und mehr ein Ver-
sammlnngspunkt der ringsum liegenden Lande anch außerhalb des geschäftlichen


gar nicht daran denken, mit diesen Pflegstättcn der feineren Lebensblüthen zu con¬
curriren, besonders da auch Farbenpracht und sinnliches Wohlbehagen sie umgab,
dessen Gleichen die Republik den Vertretern der geselligen Cultur unmöglich bie¬
ten konnte. Dabei war der Frankfurter stolz auf seinen kaiserkrönenden Republi-
kanismus und mochte die Unterthanen der hundert Souverainetäten nicht so recht
in pari mit sich stellen; durch und durch bürgerlicher und mcreantiler Aristokrat
schien ihm engerer Verkehr mit jenen eine sociale Mesalliance. Der enge Staats-
uud Stadtkreis ließ unter die Frankfurter nicht jene Gewohnheit des Personen¬
wechsels kommen, welche selbst im kleinsten Staate — weil doch eben Stadt und
Staat »irgend gänzlich zusammenfielen — eine leichtere gesellschaftliche Beweg¬
lichkeit erzeugte. Die ganze Gesellschaft ruhte fest auf der Grundlage der Fa¬
milie, Zünfte, Genossenschaften, kurz der echten Frankfurter Stadtkinder, zwischen
die sich mir höchst ausnahmsweise fremde Einwanderer, nie aber vorübergehende
Fremde dräugen konnten. Wer einmal eingewandert und in irgend eine Gewerb-
schaft aufgenommen war, der blieb und wurde ein Frankfurter — wenn er reich
war. So ist's bekannt, daß man den Namen der Brentano von der Brenta ab¬
leitet. So kamen die du Fay als Hngucnvttische Flüchtlinge zur Zeit Franz I,.
aus Toulouse und führen noch zum Andenken an ihre Kreuzzugsritterschaft ein
Kreuz, an ihre hohe Gerichtsbarkeit Schwert und Rad als Wappenzeichen. Die
de Vary flohen unter Alba ans dem Walloncnland hierher; die Brüder Bernuö —
wohl anch flandrischen Ursprungs — kauften 1697 mit kaiserlicher Bewilligung
den nach dem Main gehenden Theil des Saalhofs, wo sie 1717 den großen Ban
gegen den Ncntcnthurm aufführten. Ans der Wetterau stammten die noch älte¬
ren Frankfurter Holzhausen, welche schou 13ü7 Mitglieder der Gcwcrbschaft
Limpnrg waren, worin 1387 auch die ursprünglich hessischen Günderode ausge¬
nommen wurden. Dagegen wurden massenhafte Einwanderungen, wie z. B.
die niederländische, immerhin einigermaßen ferngehalten vom rechten Frankfurter
Einleben; und sie mußten dnrch Stiftungen ze. selbstständig für ihre Angehöri¬
gen sorgen.

Wie in allen Handelsstädten, so blieb anch der Frankfurter immer zurück¬
haltend gegen den fluchenden Andrang der Fremden, welcher sich ja überdies nach
jeder Messe wieder verlor. Man hatte gehandelt und verkehrt — damit waren
die persönlichen Beziehungen zu Ende. Jenes Einleben nichtkaufmännischer und
nichtbürgerlicher Elemente in die Stadt, wie es zuerst der Hofhalt des Fürsten
Primas, dann der Bundestag brachte, berührte immerhin nur einzelne Kreise;
längeres Verweilen anderer Fremde ist erst ein Erzeugnis; neuerer Zeit; einzig
und allein die Nationalversammlung war ein gesellschaftliches Ereigniß, womit
die Fremde in die verschiedensten Schichten und in das Frankfurter Leben einrückte.
Und recht eigentlich erst seit dieser Zeit ist Frankfurt mehr und mehr ein Ver-
sammlnngspunkt der ringsum liegenden Lande anch außerhalb des geschäftlichen


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0158" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/186034"/>
            <p xml:id="ID_427" prev="#ID_426"> gar nicht daran denken, mit diesen Pflegstättcn der feineren Lebensblüthen zu con¬<lb/>
curriren, besonders da auch Farbenpracht und sinnliches Wohlbehagen sie umgab,<lb/>
dessen Gleichen die Republik den Vertretern der geselligen Cultur unmöglich bie¬<lb/>
ten konnte. Dabei war der Frankfurter stolz auf seinen kaiserkrönenden Republi-<lb/>
kanismus und mochte die Unterthanen der hundert Souverainetäten nicht so recht<lb/>
in pari mit sich stellen; durch und durch bürgerlicher und mcreantiler Aristokrat<lb/>
schien ihm engerer Verkehr mit jenen eine sociale Mesalliance. Der enge Staats-<lb/>
uud Stadtkreis ließ unter die Frankfurter nicht jene Gewohnheit des Personen¬<lb/>
wechsels kommen, welche selbst im kleinsten Staate &#x2014; weil doch eben Stadt und<lb/>
Staat »irgend gänzlich zusammenfielen &#x2014; eine leichtere gesellschaftliche Beweg¬<lb/>
lichkeit erzeugte. Die ganze Gesellschaft ruhte fest auf der Grundlage der Fa¬<lb/>
milie, Zünfte, Genossenschaften, kurz der echten Frankfurter Stadtkinder, zwischen<lb/>
die sich mir höchst ausnahmsweise fremde Einwanderer, nie aber vorübergehende<lb/>
Fremde dräugen konnten. Wer einmal eingewandert und in irgend eine Gewerb-<lb/>
schaft aufgenommen war, der blieb und wurde ein Frankfurter &#x2014; wenn er reich<lb/>
war. So ist's bekannt, daß man den Namen der Brentano von der Brenta ab¬<lb/>
leitet. So kamen die du Fay als Hngucnvttische Flüchtlinge zur Zeit Franz I,.<lb/>
aus Toulouse und führen noch zum Andenken an ihre Kreuzzugsritterschaft ein<lb/>
Kreuz, an ihre hohe Gerichtsbarkeit Schwert und Rad als Wappenzeichen. Die<lb/>
de Vary flohen unter Alba ans dem Walloncnland hierher; die Brüder Bernuö &#x2014;<lb/>
wohl anch flandrischen Ursprungs &#x2014; kauften 1697 mit kaiserlicher Bewilligung<lb/>
den nach dem Main gehenden Theil des Saalhofs, wo sie 1717 den großen Ban<lb/>
gegen den Ncntcnthurm aufführten. Ans der Wetterau stammten die noch älte¬<lb/>
ren Frankfurter Holzhausen, welche schou 13ü7 Mitglieder der Gcwcrbschaft<lb/>
Limpnrg waren, worin 1387 auch die ursprünglich hessischen Günderode ausge¬<lb/>
nommen wurden. Dagegen wurden massenhafte Einwanderungen, wie z. B.<lb/>
die niederländische, immerhin einigermaßen ferngehalten vom rechten Frankfurter<lb/>
Einleben; und sie mußten dnrch Stiftungen ze. selbstständig für ihre Angehöri¬<lb/>
gen sorgen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_428" next="#ID_429"> Wie in allen Handelsstädten, so blieb anch der Frankfurter immer zurück¬<lb/>
haltend gegen den fluchenden Andrang der Fremden, welcher sich ja überdies nach<lb/>
jeder Messe wieder verlor. Man hatte gehandelt und verkehrt &#x2014; damit waren<lb/>
die persönlichen Beziehungen zu Ende. Jenes Einleben nichtkaufmännischer und<lb/>
nichtbürgerlicher Elemente in die Stadt, wie es zuerst der Hofhalt des Fürsten<lb/>
Primas, dann der Bundestag brachte, berührte immerhin nur einzelne Kreise;<lb/>
längeres Verweilen anderer Fremde ist erst ein Erzeugnis; neuerer Zeit; einzig<lb/>
und allein die Nationalversammlung war ein gesellschaftliches Ereigniß, womit<lb/>
die Fremde in die verschiedensten Schichten und in das Frankfurter Leben einrückte.<lb/>
Und recht eigentlich erst seit dieser Zeit ist Frankfurt mehr und mehr ein Ver-<lb/>
sammlnngspunkt der ringsum liegenden Lande anch außerhalb des geschäftlichen</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0158] gar nicht daran denken, mit diesen Pflegstättcn der feineren Lebensblüthen zu con¬ curriren, besonders da auch Farbenpracht und sinnliches Wohlbehagen sie umgab, dessen Gleichen die Republik den Vertretern der geselligen Cultur unmöglich bie¬ ten konnte. Dabei war der Frankfurter stolz auf seinen kaiserkrönenden Republi- kanismus und mochte die Unterthanen der hundert Souverainetäten nicht so recht in pari mit sich stellen; durch und durch bürgerlicher und mcreantiler Aristokrat schien ihm engerer Verkehr mit jenen eine sociale Mesalliance. Der enge Staats- uud Stadtkreis ließ unter die Frankfurter nicht jene Gewohnheit des Personen¬ wechsels kommen, welche selbst im kleinsten Staate — weil doch eben Stadt und Staat »irgend gänzlich zusammenfielen — eine leichtere gesellschaftliche Beweg¬ lichkeit erzeugte. Die ganze Gesellschaft ruhte fest auf der Grundlage der Fa¬ milie, Zünfte, Genossenschaften, kurz der echten Frankfurter Stadtkinder, zwischen die sich mir höchst ausnahmsweise fremde Einwanderer, nie aber vorübergehende Fremde dräugen konnten. Wer einmal eingewandert und in irgend eine Gewerb- schaft aufgenommen war, der blieb und wurde ein Frankfurter — wenn er reich war. So ist's bekannt, daß man den Namen der Brentano von der Brenta ab¬ leitet. So kamen die du Fay als Hngucnvttische Flüchtlinge zur Zeit Franz I,. aus Toulouse und führen noch zum Andenken an ihre Kreuzzugsritterschaft ein Kreuz, an ihre hohe Gerichtsbarkeit Schwert und Rad als Wappenzeichen. Die de Vary flohen unter Alba ans dem Walloncnland hierher; die Brüder Bernuö — wohl anch flandrischen Ursprungs — kauften 1697 mit kaiserlicher Bewilligung den nach dem Main gehenden Theil des Saalhofs, wo sie 1717 den großen Ban gegen den Ncntcnthurm aufführten. Ans der Wetterau stammten die noch älte¬ ren Frankfurter Holzhausen, welche schou 13ü7 Mitglieder der Gcwcrbschaft Limpnrg waren, worin 1387 auch die ursprünglich hessischen Günderode ausge¬ nommen wurden. Dagegen wurden massenhafte Einwanderungen, wie z. B. die niederländische, immerhin einigermaßen ferngehalten vom rechten Frankfurter Einleben; und sie mußten dnrch Stiftungen ze. selbstständig für ihre Angehöri¬ gen sorgen. Wie in allen Handelsstädten, so blieb anch der Frankfurter immer zurück¬ haltend gegen den fluchenden Andrang der Fremden, welcher sich ja überdies nach jeder Messe wieder verlor. Man hatte gehandelt und verkehrt — damit waren die persönlichen Beziehungen zu Ende. Jenes Einleben nichtkaufmännischer und nichtbürgerlicher Elemente in die Stadt, wie es zuerst der Hofhalt des Fürsten Primas, dann der Bundestag brachte, berührte immerhin nur einzelne Kreise; längeres Verweilen anderer Fremde ist erst ein Erzeugnis; neuerer Zeit; einzig und allein die Nationalversammlung war ein gesellschaftliches Ereigniß, womit die Fremde in die verschiedensten Schichten und in das Frankfurter Leben einrückte. Und recht eigentlich erst seit dieser Zeit ist Frankfurt mehr und mehr ein Ver- sammlnngspunkt der ringsum liegenden Lande anch außerhalb des geschäftlichen

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875/158
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875/158>, abgerufen am 01.07.2024.