Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band.Verhältniß der Stimmen ergab sich, daß die conservative Partei, deren Organi¬ Im Königreich Sachsen wurde in Folge eines auf dem letzten Landtage ver¬ Verhältniß der Stimmen ergab sich, daß die conservative Partei, deren Organi¬ Im Königreich Sachsen wurde in Folge eines auf dem letzten Landtage ver¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0154" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/186030"/> <p xml:id="ID_418" prev="#ID_417"> Verhältniß der Stimmen ergab sich, daß die conservative Partei, deren Organi¬<lb/> sation — von der Negierung begünstigt — die vollständigste ist, doch höchstens<lb/> ^ der Wähler beherrscht, während die constitutionelle Partei V», die Demokraten<lb/> ungefähr der Stimmen hatten, die beiden letzteren ohne jede genügende<lb/> Parteiorganisation.</p><lb/> <p xml:id="ID_419" next="#ID_420"> Im Königreich Sachsen wurde in Folge eines auf dem letzten Landtage ver¬<lb/> einbarten Gesetzes die Auflösung der bisherigen und die Wahl neuer Gemeinde-<lb/> vertretungen nöthig. Bis zum Jahre 18i8 bestand für die Wahlen der Ge-<lb/> mcindcvcrtrcler in den über 200 stimmfähige Bürger zählenden Städten das<lb/> indirecte Wahlverfahrcu; durch das Gesetz vom 17. Nov. -I8i8 war das directe<lb/> Wahlverfahrcn eingeführt, und es erfolgte zugleich, in nothwendiger Consequenz<lb/> dieser Aenderung, eine gänzliche Erneuerung der Gemeindevertretungen durch<lb/> allgemeine directe Wahlen. Die unmittelbare Folge jeuer Maßregel war damals<lb/> ein augenblickliches Uebergewicht der radicalen Partei im Schooße der man cow<lb/> stitnirten Collegien, allein die Ergäuznngswahleu der nächsten Jahre hatten fast<lb/> überall das frühere Verhältniß der Parteien wieder hergestellt, und nirgend hat<lb/> man, namentlich seit der Unterdrückung der Maiunrnhen des Jahres 18/« 9,<lb/> Gelegenheit gehabt, ein schädliches Uebergewicht ersterer Ansichten, oder eine un-<lb/> berechtigte systematische Opposition gegen die städtischen oder die höheren Staats¬<lb/> behörden in den Stadtvervrdnetencollcgicn zu entdecken. Bei solchen Erfahrungen<lb/> mußte die Wiedereinführung des vormärzlichen WahlverfahrcnS und die dadurch<lb/> bedingte vollständige Neuwahl der Gemeindevertretungen fast als bedenklich er¬<lb/> scheinen, wenn man nicht annehmen wollte, daß die dieser Maßregel zu Grunde<lb/> liegenden Motive theils in den Cvnseaucuzen des Systems zu suchen siud, welches<lb/> grundsätzlich alle Spuren der Bewegung vou 1848 in den staatlichen Einrichtungen<lb/> vertilgen will, theils durch die Hoffnung eingegeben wurden, in allgemeinen Neu¬<lb/> wahlen die wenige» in den Gemeindevertretungen noch vorhandenen liberalen<lb/> Elemente zu beseitigen. — Im Laufe der letztverflossenen Monate haben die Neu¬<lb/> wahlen der Stadtverordneten-Collegien im ganzen Lande stattgefunden, und zwar,<lb/> wie es scheint, in den kleine» und einzelne» Mittelstädten ganz im Sinne der<lb/> Regierung. Ziemlich zuletzt unter allen Städten, erst gegen Ende December,<lb/> hatte auch die Bürgerschaft Leipzigs die Wahl neuer Vertreter der Stadt-<lb/> gemeinde vorzunehmen. Die Betheiligung der Wähler war größer als in den<lb/> letzten Jahren, die abgegebenen Stimmzettel zeigten eine wohldiöciplinirte Thätig¬<lb/> keit aller Fractionen der liberalen Partei, und das Ergebniß der Abstimmung<lb/> war auch hier die entschiedene Niederlage der Konservativen, die nur wenige ihrer<lb/> Koryphäen auf die Wahlmäuuerliste brachte». Man kann annehmen, daß bei<lb/> dem directe» Wahlmodus die conservative Partei allerwenigstens eben so viele<lb/> E.aiididaten in die Stadtverorduetenversauimlnng gebracht habe» würde, als sie<lb/> aus die Wahlmäuuerliste zu bringen vermocht hat. Allein es liegt im Wesen der</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0154]
Verhältniß der Stimmen ergab sich, daß die conservative Partei, deren Organi¬
sation — von der Negierung begünstigt — die vollständigste ist, doch höchstens
^ der Wähler beherrscht, während die constitutionelle Partei V», die Demokraten
ungefähr der Stimmen hatten, die beiden letzteren ohne jede genügende
Parteiorganisation.
Im Königreich Sachsen wurde in Folge eines auf dem letzten Landtage ver¬
einbarten Gesetzes die Auflösung der bisherigen und die Wahl neuer Gemeinde-
vertretungen nöthig. Bis zum Jahre 18i8 bestand für die Wahlen der Ge-
mcindcvcrtrcler in den über 200 stimmfähige Bürger zählenden Städten das
indirecte Wahlverfahrcu; durch das Gesetz vom 17. Nov. -I8i8 war das directe
Wahlverfahrcn eingeführt, und es erfolgte zugleich, in nothwendiger Consequenz
dieser Aenderung, eine gänzliche Erneuerung der Gemeindevertretungen durch
allgemeine directe Wahlen. Die unmittelbare Folge jeuer Maßregel war damals
ein augenblickliches Uebergewicht der radicalen Partei im Schooße der man cow
stitnirten Collegien, allein die Ergäuznngswahleu der nächsten Jahre hatten fast
überall das frühere Verhältniß der Parteien wieder hergestellt, und nirgend hat
man, namentlich seit der Unterdrückung der Maiunrnhen des Jahres 18/« 9,
Gelegenheit gehabt, ein schädliches Uebergewicht ersterer Ansichten, oder eine un-
berechtigte systematische Opposition gegen die städtischen oder die höheren Staats¬
behörden in den Stadtvervrdnetencollcgicn zu entdecken. Bei solchen Erfahrungen
mußte die Wiedereinführung des vormärzlichen WahlverfahrcnS und die dadurch
bedingte vollständige Neuwahl der Gemeindevertretungen fast als bedenklich er¬
scheinen, wenn man nicht annehmen wollte, daß die dieser Maßregel zu Grunde
liegenden Motive theils in den Cvnseaucuzen des Systems zu suchen siud, welches
grundsätzlich alle Spuren der Bewegung vou 1848 in den staatlichen Einrichtungen
vertilgen will, theils durch die Hoffnung eingegeben wurden, in allgemeinen Neu¬
wahlen die wenige» in den Gemeindevertretungen noch vorhandenen liberalen
Elemente zu beseitigen. — Im Laufe der letztverflossenen Monate haben die Neu¬
wahlen der Stadtverordneten-Collegien im ganzen Lande stattgefunden, und zwar,
wie es scheint, in den kleine» und einzelne» Mittelstädten ganz im Sinne der
Regierung. Ziemlich zuletzt unter allen Städten, erst gegen Ende December,
hatte auch die Bürgerschaft Leipzigs die Wahl neuer Vertreter der Stadt-
gemeinde vorzunehmen. Die Betheiligung der Wähler war größer als in den
letzten Jahren, die abgegebenen Stimmzettel zeigten eine wohldiöciplinirte Thätig¬
keit aller Fractionen der liberalen Partei, und das Ergebniß der Abstimmung
war auch hier die entschiedene Niederlage der Konservativen, die nur wenige ihrer
Koryphäen auf die Wahlmäuuerliste brachte». Man kann annehmen, daß bei
dem directe» Wahlmodus die conservative Partei allerwenigstens eben so viele
E.aiididaten in die Stadtverorduetenversauimlnng gebracht habe» würde, als sie
aus die Wahlmäuuerliste zu bringen vermocht hat. Allein es liegt im Wesen der
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