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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band.

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vativeu mußten ihre Anfechtung des ersten Wahlergebnisses mit der entschiedensten
Niederlage bezahlen; denn während sie bei der ersten Wahl wenigstens 7 Kan¬
didaten (unter 2ü) in die 1. Abtheilung zu bringen vermochten, fielen sie jetzt
mit ihren sämmtlichen Kandidaten durch, alle Ali Wahlmänner wurden ans der
liberalen Partei gewählt, und es standen nunmehr in dem neu zusammengesetzten
Wahlcollegium die Liberalen mit ö0 den Conservativen mit 2ö Stimmen gegen¬
über. Unter solchen Umständen konnte es nicht ausfallen, daß die in der gesetz¬
gebenden Versammlung zu wählenden />!> Bürger und deren i!> Ersatzmänner
ohne Ausnahme der liberalen Partei entnommen worden sind. Dieser
unbedingte Sieg der liberalen Partei ist übrigens noch deshalb interessant, weil
die "Gothaner" nicht blos die lebhaften Agitationen der conservativen Reformpartei,
sondern auch die passive Theilnahmlosigkeit der Demokraten gegen sich hatten.
Der Sieg der Liberalen hat in der Entwickelung der Verfassungstrists der freien
Stadt bis jetzt allerdings noch keine positiven Erfolge gehabt; es ist ihm aber
wenigstens das Eine zu danken, daß die in vollem Anlaufe daherstürmeude
Restauration veralteter und durch Gesetze längst aufgehobener Einrichtungen seit
jenen denkwürdigen Wahlen gehemmt ist. Die gesetzgebende Versammlung hat
wenigstens ihr und des Senats Rechte energisch und in würdevoller Weise
gewahrt; nud auch das ist der Beachtung und der Anerkennung werth.

In Breslau hatten Mitte November Ersatzwahlen für das verfassungsmäßig-
ausgelöste Drittheil des Gemcinderathcs und die außerdem erledigten ö Mandate
von Gemeindevcrvrdneten stattzufinden. Die 1. Abtheilung der Wähler harte 13,
die 2. Abtheilung 14, die 3. Abtheilung 12 Wahlen vorzunehmen. Die Comites
der verschiedenen Bezirke waren dadurch in volle Thätigkeit gesetzt worden. Am
1Z. und 13. November wurden Vorversammlungen abgehalten, Kandidaten aus¬
gestellt, Wahlzettel vertheilt. Für die 1. Abtheilung erhielten die Wähler zwei
Listen, eine durch die Post, eine durch den Boten der Ressource. Die letztere
Liste ließ eine namhafte Anzahl derjenigen ausgeloosten Gemcindevervrdnetcu
vermissen, welche bei den Abgeordneten-Wahlen zum Landtag für die Kandidaten
der Opposition, die H. Graff und Weutzel, gestimmt hatten. Unter dem Vor¬
geben, lediglich tüchtige Communalvertreter zu empfehlen, hatte man nicht wenige
um das Interesse der Stadtgemeinde hochverdiente Männer ihrer politischen
Richtung wegen von deu Wahlen ausgeschlossen. -- Die Versammlungen waren
im Ganzen nur spärlich besucht, doch entsprach die Betheiligung an den Wahlen
selbst, namentlich in der 3. Klasse, so ziemlich den gehegten Wünsche". In
mehreren Bezirken war der Wahlkampf hartnäckig. Oft schwankte das Resultat
bis zum letzten Augenblick und wurde dann durch wenige Stimmen kurz vor dem
Schlüsse der Wahlhandlung entschieden. Der Sieg der Liberalen war nach
Umständen ein vollständiger, indem zwei Drittheile der Wahlen ans ihre
Kandidaten sielen. Die Demokraten haben in Breslau mitgewählt. Aus dem


Grenzboten. l. 19

vativeu mußten ihre Anfechtung des ersten Wahlergebnisses mit der entschiedensten
Niederlage bezahlen; denn während sie bei der ersten Wahl wenigstens 7 Kan¬
didaten (unter 2ü) in die 1. Abtheilung zu bringen vermochten, fielen sie jetzt
mit ihren sämmtlichen Kandidaten durch, alle Ali Wahlmänner wurden ans der
liberalen Partei gewählt, und es standen nunmehr in dem neu zusammengesetzten
Wahlcollegium die Liberalen mit ö0 den Conservativen mit 2ö Stimmen gegen¬
über. Unter solchen Umständen konnte es nicht ausfallen, daß die in der gesetz¬
gebenden Versammlung zu wählenden />!> Bürger und deren i!> Ersatzmänner
ohne Ausnahme der liberalen Partei entnommen worden sind. Dieser
unbedingte Sieg der liberalen Partei ist übrigens noch deshalb interessant, weil
die „Gothaner" nicht blos die lebhaften Agitationen der conservativen Reformpartei,
sondern auch die passive Theilnahmlosigkeit der Demokraten gegen sich hatten.
Der Sieg der Liberalen hat in der Entwickelung der Verfassungstrists der freien
Stadt bis jetzt allerdings noch keine positiven Erfolge gehabt; es ist ihm aber
wenigstens das Eine zu danken, daß die in vollem Anlaufe daherstürmeude
Restauration veralteter und durch Gesetze längst aufgehobener Einrichtungen seit
jenen denkwürdigen Wahlen gehemmt ist. Die gesetzgebende Versammlung hat
wenigstens ihr und des Senats Rechte energisch und in würdevoller Weise
gewahrt; nud auch das ist der Beachtung und der Anerkennung werth.

In Breslau hatten Mitte November Ersatzwahlen für das verfassungsmäßig-
ausgelöste Drittheil des Gemcinderathcs und die außerdem erledigten ö Mandate
von Gemeindevcrvrdneten stattzufinden. Die 1. Abtheilung der Wähler harte 13,
die 2. Abtheilung 14, die 3. Abtheilung 12 Wahlen vorzunehmen. Die Comites
der verschiedenen Bezirke waren dadurch in volle Thätigkeit gesetzt worden. Am
1Z. und 13. November wurden Vorversammlungen abgehalten, Kandidaten aus¬
gestellt, Wahlzettel vertheilt. Für die 1. Abtheilung erhielten die Wähler zwei
Listen, eine durch die Post, eine durch den Boten der Ressource. Die letztere
Liste ließ eine namhafte Anzahl derjenigen ausgeloosten Gemcindevervrdnetcu
vermissen, welche bei den Abgeordneten-Wahlen zum Landtag für die Kandidaten
der Opposition, die H. Graff und Weutzel, gestimmt hatten. Unter dem Vor¬
geben, lediglich tüchtige Communalvertreter zu empfehlen, hatte man nicht wenige
um das Interesse der Stadtgemeinde hochverdiente Männer ihrer politischen
Richtung wegen von deu Wahlen ausgeschlossen. — Die Versammlungen waren
im Ganzen nur spärlich besucht, doch entsprach die Betheiligung an den Wahlen
selbst, namentlich in der 3. Klasse, so ziemlich den gehegten Wünsche». In
mehreren Bezirken war der Wahlkampf hartnäckig. Oft schwankte das Resultat
bis zum letzten Augenblick und wurde dann durch wenige Stimmen kurz vor dem
Schlüsse der Wahlhandlung entschieden. Der Sieg der Liberalen war nach
Umständen ein vollständiger, indem zwei Drittheile der Wahlen ans ihre
Kandidaten sielen. Die Demokraten haben in Breslau mitgewählt. Aus dem


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[0153] vativeu mußten ihre Anfechtung des ersten Wahlergebnisses mit der entschiedensten Niederlage bezahlen; denn während sie bei der ersten Wahl wenigstens 7 Kan¬ didaten (unter 2ü) in die 1. Abtheilung zu bringen vermochten, fielen sie jetzt mit ihren sämmtlichen Kandidaten durch, alle Ali Wahlmänner wurden ans der liberalen Partei gewählt, und es standen nunmehr in dem neu zusammengesetzten Wahlcollegium die Liberalen mit ö0 den Conservativen mit 2ö Stimmen gegen¬ über. Unter solchen Umständen konnte es nicht ausfallen, daß die in der gesetz¬ gebenden Versammlung zu wählenden />!> Bürger und deren i!> Ersatzmänner ohne Ausnahme der liberalen Partei entnommen worden sind. Dieser unbedingte Sieg der liberalen Partei ist übrigens noch deshalb interessant, weil die „Gothaner" nicht blos die lebhaften Agitationen der conservativen Reformpartei, sondern auch die passive Theilnahmlosigkeit der Demokraten gegen sich hatten. Der Sieg der Liberalen hat in der Entwickelung der Verfassungstrists der freien Stadt bis jetzt allerdings noch keine positiven Erfolge gehabt; es ist ihm aber wenigstens das Eine zu danken, daß die in vollem Anlaufe daherstürmeude Restauration veralteter und durch Gesetze längst aufgehobener Einrichtungen seit jenen denkwürdigen Wahlen gehemmt ist. Die gesetzgebende Versammlung hat wenigstens ihr und des Senats Rechte energisch und in würdevoller Weise gewahrt; nud auch das ist der Beachtung und der Anerkennung werth. In Breslau hatten Mitte November Ersatzwahlen für das verfassungsmäßig- ausgelöste Drittheil des Gemcinderathcs und die außerdem erledigten ö Mandate von Gemeindevcrvrdneten stattzufinden. Die 1. Abtheilung der Wähler harte 13, die 2. Abtheilung 14, die 3. Abtheilung 12 Wahlen vorzunehmen. Die Comites der verschiedenen Bezirke waren dadurch in volle Thätigkeit gesetzt worden. Am 1Z. und 13. November wurden Vorversammlungen abgehalten, Kandidaten aus¬ gestellt, Wahlzettel vertheilt. Für die 1. Abtheilung erhielten die Wähler zwei Listen, eine durch die Post, eine durch den Boten der Ressource. Die letztere Liste ließ eine namhafte Anzahl derjenigen ausgeloosten Gemcindevervrdnetcu vermissen, welche bei den Abgeordneten-Wahlen zum Landtag für die Kandidaten der Opposition, die H. Graff und Weutzel, gestimmt hatten. Unter dem Vor¬ geben, lediglich tüchtige Communalvertreter zu empfehlen, hatte man nicht wenige um das Interesse der Stadtgemeinde hochverdiente Männer ihrer politischen Richtung wegen von deu Wahlen ausgeschlossen. — Die Versammlungen waren im Ganzen nur spärlich besucht, doch entsprach die Betheiligung an den Wahlen selbst, namentlich in der 3. Klasse, so ziemlich den gehegten Wünsche». In mehreren Bezirken war der Wahlkampf hartnäckig. Oft schwankte das Resultat bis zum letzten Augenblick und wurde dann durch wenige Stimmen kurz vor dem Schlüsse der Wahlhandlung entschieden. Der Sieg der Liberalen war nach Umständen ein vollständiger, indem zwei Drittheile der Wahlen ans ihre Kandidaten sielen. Die Demokraten haben in Breslau mitgewählt. Aus dem Grenzboten. l. 19

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875/153>, abgerufen am 03.07.2024.