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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band.

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dem gegenüber müßig bleiben, so muß die allmähliche Zerbröckelung und Auf¬
lösung ihrer Parteigeuosseuschaft die unausbleibliche Folge davon sein. In einigen
großen Städten sind sie allerdings z" Vereinen zusammengetreten; theils jedoch
ist deren Zahl zu gering, theils ist ihre Thätigkeit nicht ans die richtigen und noth¬
wendigen Zwecke geleitet. Bei den letzten Wahlen ist dieser Mangel einer all¬
gemeinen Organisation in sehr bevanerlicher Weise zu Tage getreten; was die
constitutionelle Partei überhaupt noch durchgesetzt hat, verdankt sie deu isolirten
Anstrengungen einzelner ihrer Mitglieder, die hier und da sich eines localen oder
anch weitergreifenden Ansehns erfreuten. Beständen in den größeren und mitt¬
leren Städten des Laudes solche gesellschaftliche Vereine der Konstitutionellen, so
wäre gleichzeitig dadurch das Mittel an die Hand gegeben, der Parteipresse Ver¬
breitung zu verschaffen; und dies führt uns auf die zweite und unstreitig noch
wichtigere der vorerwähnten Bedingungen.

Die constitutionelle Partei befindet sich gegenwärtig in Betreff ihres An¬
hangs in der Presse in einer Lage, zu der man in keinem der größeren oder
mittleren Berfassuugsstaateu Enropa'ö ein Beispiel finden dürfte. Die parla¬
mentarische Opposition in einem Lande von 17 Millionen Menschen, die bis
vor Kurzem noch an ->!>() Mitglieder in beiden Kammern ausweisen konnte und
auch jetzt noch, uach den Verlusten des letzten Wahlkampfes, deren 70---W zählt,
ist ohne jedes Organ in der Hauptstadt; und anch in der Provinzialpresse findet sie
nur sehr geringe Unterstützung und "irgend eine getreue Vertretung ihrer
Politik. Das Eingehn der "Constitutionellen Zeitung" war in dieser Beziehung
ein wirklich beklagenswerthes Ereigniß, das die Partei mit Aufbietung aller Opfer
hätte verhindern sollen; doppelt beklagenswerth war es aber, daß man sie An¬
gesichts der allgemeinen Wahlen fallen ließ. Der moralische Schlag, den die Con-
stitutionellen damit in der öffentlichen Meinung erlitten, schadete ihnen eben so
sehr, als der Mangel jedes Organs, mit dem man den Wahlkampf nach allen
Seiten hin hätte wirksam betreiben und die zerstreuten Anstrengungen concen-
triren können. In den alten Provinzen ist die "Breslauer Zeitung" augenblick¬
lich das einzige größere Tageblatt, das die constitutionellen Principien mit Be¬
ständigkeit vertheidigt; über Schlesien hinaus ist indeß ihre Verbreitung und des¬
halb ihr Einfluß nur genug, und ihre besondere Stellung zu den schlesischen Schutz-
zöllueru beeinträchtigt in manchen Fragen ihr Verhältniß zu der Partei. In der
rheinischen Presse ist die letztere allerdings zahlreicher vertreten; das einzige Blatt
derselben aber, welches in der östlichen Hälfte der Monarchie sich größern Ab¬
satzes erfreut, die Kölnische Zeitung besitzt nicht die wünschenswerthe Consequenz
und Strenge der politischen Haltung und hat dnrch ihre mit Recht allseitig ge¬
mißbilligte Auffassung des französischen Staatsstreichs, auf die sie unbegreiflicher
Weise anch jetzt noch immer zurückkommt, während sie doch im Uebrige" das


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dem gegenüber müßig bleiben, so muß die allmähliche Zerbröckelung und Auf¬
lösung ihrer Parteigeuosseuschaft die unausbleibliche Folge davon sein. In einigen
großen Städten sind sie allerdings z» Vereinen zusammengetreten; theils jedoch
ist deren Zahl zu gering, theils ist ihre Thätigkeit nicht ans die richtigen und noth¬
wendigen Zwecke geleitet. Bei den letzten Wahlen ist dieser Mangel einer all¬
gemeinen Organisation in sehr bevanerlicher Weise zu Tage getreten; was die
constitutionelle Partei überhaupt noch durchgesetzt hat, verdankt sie deu isolirten
Anstrengungen einzelner ihrer Mitglieder, die hier und da sich eines localen oder
anch weitergreifenden Ansehns erfreuten. Beständen in den größeren und mitt¬
leren Städten des Laudes solche gesellschaftliche Vereine der Konstitutionellen, so
wäre gleichzeitig dadurch das Mittel an die Hand gegeben, der Parteipresse Ver¬
breitung zu verschaffen; und dies führt uns auf die zweite und unstreitig noch
wichtigere der vorerwähnten Bedingungen.

Die constitutionelle Partei befindet sich gegenwärtig in Betreff ihres An¬
hangs in der Presse in einer Lage, zu der man in keinem der größeren oder
mittleren Berfassuugsstaateu Enropa'ö ein Beispiel finden dürfte. Die parla¬
mentarische Opposition in einem Lande von 17 Millionen Menschen, die bis
vor Kurzem noch an ->!>() Mitglieder in beiden Kammern ausweisen konnte und
auch jetzt noch, uach den Verlusten des letzten Wahlkampfes, deren 70—-W zählt,
ist ohne jedes Organ in der Hauptstadt; und anch in der Provinzialpresse findet sie
nur sehr geringe Unterstützung und »irgend eine getreue Vertretung ihrer
Politik. Das Eingehn der „Constitutionellen Zeitung" war in dieser Beziehung
ein wirklich beklagenswerthes Ereigniß, das die Partei mit Aufbietung aller Opfer
hätte verhindern sollen; doppelt beklagenswerth war es aber, daß man sie An¬
gesichts der allgemeinen Wahlen fallen ließ. Der moralische Schlag, den die Con-
stitutionellen damit in der öffentlichen Meinung erlitten, schadete ihnen eben so
sehr, als der Mangel jedes Organs, mit dem man den Wahlkampf nach allen
Seiten hin hätte wirksam betreiben und die zerstreuten Anstrengungen concen-
triren können. In den alten Provinzen ist die „Breslauer Zeitung" augenblick¬
lich das einzige größere Tageblatt, das die constitutionellen Principien mit Be¬
ständigkeit vertheidigt; über Schlesien hinaus ist indeß ihre Verbreitung und des¬
halb ihr Einfluß nur genug, und ihre besondere Stellung zu den schlesischen Schutz-
zöllueru beeinträchtigt in manchen Fragen ihr Verhältniß zu der Partei. In der
rheinischen Presse ist die letztere allerdings zahlreicher vertreten; das einzige Blatt
derselben aber, welches in der östlichen Hälfte der Monarchie sich größern Ab¬
satzes erfreut, die Kölnische Zeitung besitzt nicht die wünschenswerthe Consequenz
und Strenge der politischen Haltung und hat dnrch ihre mit Recht allseitig ge¬
mißbilligte Auffassung des französischen Staatsstreichs, auf die sie unbegreiflicher
Weise anch jetzt noch immer zurückkommt, während sie doch im Uebrige» das


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875/145>, abgerufen am 04.07.2024.