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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band.

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Wirkung mit viel größerem Nachdruck, als es vor dem März der Fall war. Damals
konnte die constitutionelle Partei mühelos ans dem breiten Strom der öffentlichen
Meinung einherschwimmen; die Gewalt desselben war so mächtig, daß sie ihr ohne
große Nachhilfe die glänzendsten Erfolge verhieß. DaS seichte und stagnirende Fahr¬
wasser, in das sie jetzt gerathen ist, verlangt aber das Aufgebot aller Kräfte, um
vorwärts zu kommen. Jene Flitterwochen des Liberalismus sind auf immer vor¬
über, die Tage der rauhen Arbeit sind gekommen.

Um die parlamentarische Opposition der Konstitutionelle" zu unterstützen,
um sie eigentlich erst wirksam sür die Nation zu machen, ist eine entschiedenere
und zahlreichere Vertretung ihrer Partei in der Presse nud eine Organisirung
derselben in Vereinen unabweislich. Die eine dieser Bedingungen ist von der
andern uicht zu trennen. Zwar sind wir weit entfernt, indem wir von Vereinen
sprechen, an jenes lächerliche Clubwesen zu denken, welches nach den Märztagen
emporschoß und durch seine Albernheiten und Ausschweifungen wesentlich dazu bei¬
getragen hat, falsche und ungünstige Anschauungen von politischen Associationen
zu verbreite". Nicht Vereine sollen gebildet werden, die, zusammengefahren aus
den ersten Beste", die ein Paar Stunden nicht anders todtzuschlagen wissen, sich
versammeln, um über Dinge zu debattiren, von denen sie nichts verstehen und
welche sie nichts angehen, und Petitionen, Adresse" und Erklärungen zu beschließen,
um die sich Niemand kümmert, oder die höchstens belacht werden, noch weniger
sollen Vereine sich mit der unausgesetzten Auschüruug der gefährlichsten, politischen
Leidenschaften beschäftigen -- was übrigens jetzt die Verhältnisse ohnehin schon
verbieten würden --, nein, die politischen Vereine sollen eine gesellschaftliche
Concentrirung der Anhänger und Gesinnungsgenossen einer Partei in den grö¬
ßeren Mittelpunkten der Bevölkerung bezwecken, die es möglich macht, die ge¬
meinschaftlichen Interesse" wahrzunehmen, besonders wichtige Zwecke zu fördern,
und in entscheidende" Momenten, vor Allem bei den Wahlen, alle Kräfte der
Partei zu sammeln und zur Geltung zu bringen. Daß die Constitutionellen in
Preußen bei Hervorrufung solcher Vereine und im Verlauf ihrer Thätigkeit poli¬
zeilichen Belästigungen und Behinderungen mehr oder weniger ausgesetzt wären,
ist unzweifelhaft; diese aber würden nicht im Stande sei", deren Bestehen zu
unterdrücke", wenn wirklich die politisch und gesellschaftlich hervorragendsten Per¬
sönlichkeiten der Partei sich a" die Spitze stellte", die ehe" sowol selbst jetzt "och
i" Preußen der Regierung eine gewisse Rücksicht a"ferlege", als auch jede" Vor-
wand eutfenie", de" man angeblich gesetzwidriger Zwecke halber gegen derartige
Verbindungen erheben könnte. Die Partei der Kreuzzeitung hat überall durch
gouvernementale Gunst bevorzug t gesellschaftlich-politische Vereine dieser An begründet,
die für sie ein mächtiger Hebel des Einflusses und Zuwachses sind; die Regierung,
deren Beamte zum Theil daran Theil nehme", hat außerdem für sich de" unge¬
heuren Einfluß eitler complicirte" Administrativ". Wen" die Constitutionellen


Wirkung mit viel größerem Nachdruck, als es vor dem März der Fall war. Damals
konnte die constitutionelle Partei mühelos ans dem breiten Strom der öffentlichen
Meinung einherschwimmen; die Gewalt desselben war so mächtig, daß sie ihr ohne
große Nachhilfe die glänzendsten Erfolge verhieß. DaS seichte und stagnirende Fahr¬
wasser, in das sie jetzt gerathen ist, verlangt aber das Aufgebot aller Kräfte, um
vorwärts zu kommen. Jene Flitterwochen des Liberalismus sind auf immer vor¬
über, die Tage der rauhen Arbeit sind gekommen.

Um die parlamentarische Opposition der Konstitutionelle» zu unterstützen,
um sie eigentlich erst wirksam sür die Nation zu machen, ist eine entschiedenere
und zahlreichere Vertretung ihrer Partei in der Presse nud eine Organisirung
derselben in Vereinen unabweislich. Die eine dieser Bedingungen ist von der
andern uicht zu trennen. Zwar sind wir weit entfernt, indem wir von Vereinen
sprechen, an jenes lächerliche Clubwesen zu denken, welches nach den Märztagen
emporschoß und durch seine Albernheiten und Ausschweifungen wesentlich dazu bei¬
getragen hat, falsche und ungünstige Anschauungen von politischen Associationen
zu verbreite». Nicht Vereine sollen gebildet werden, die, zusammengefahren aus
den ersten Beste», die ein Paar Stunden nicht anders todtzuschlagen wissen, sich
versammeln, um über Dinge zu debattiren, von denen sie nichts verstehen und
welche sie nichts angehen, und Petitionen, Adresse» und Erklärungen zu beschließen,
um die sich Niemand kümmert, oder die höchstens belacht werden, noch weniger
sollen Vereine sich mit der unausgesetzten Auschüruug der gefährlichsten, politischen
Leidenschaften beschäftigen — was übrigens jetzt die Verhältnisse ohnehin schon
verbieten würden —, nein, die politischen Vereine sollen eine gesellschaftliche
Concentrirung der Anhänger und Gesinnungsgenossen einer Partei in den grö¬
ßeren Mittelpunkten der Bevölkerung bezwecken, die es möglich macht, die ge¬
meinschaftlichen Interesse» wahrzunehmen, besonders wichtige Zwecke zu fördern,
und in entscheidende» Momenten, vor Allem bei den Wahlen, alle Kräfte der
Partei zu sammeln und zur Geltung zu bringen. Daß die Constitutionellen in
Preußen bei Hervorrufung solcher Vereine und im Verlauf ihrer Thätigkeit poli¬
zeilichen Belästigungen und Behinderungen mehr oder weniger ausgesetzt wären,
ist unzweifelhaft; diese aber würden nicht im Stande sei», deren Bestehen zu
unterdrücke», wenn wirklich die politisch und gesellschaftlich hervorragendsten Per¬
sönlichkeiten der Partei sich a» die Spitze stellte», die ehe» sowol selbst jetzt »och
i» Preußen der Regierung eine gewisse Rücksicht a»ferlege», als auch jede» Vor-
wand eutfenie», de» man angeblich gesetzwidriger Zwecke halber gegen derartige
Verbindungen erheben könnte. Die Partei der Kreuzzeitung hat überall durch
gouvernementale Gunst bevorzug t gesellschaftlich-politische Vereine dieser An begründet,
die für sie ein mächtiger Hebel des Einflusses und Zuwachses sind; die Regierung,
deren Beamte zum Theil daran Theil nehme», hat außerdem für sich de» unge¬
heuren Einfluß eitler complicirte» Administrativ». Wen» die Constitutionellen


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[0144] Wirkung mit viel größerem Nachdruck, als es vor dem März der Fall war. Damals konnte die constitutionelle Partei mühelos ans dem breiten Strom der öffentlichen Meinung einherschwimmen; die Gewalt desselben war so mächtig, daß sie ihr ohne große Nachhilfe die glänzendsten Erfolge verhieß. DaS seichte und stagnirende Fahr¬ wasser, in das sie jetzt gerathen ist, verlangt aber das Aufgebot aller Kräfte, um vorwärts zu kommen. Jene Flitterwochen des Liberalismus sind auf immer vor¬ über, die Tage der rauhen Arbeit sind gekommen. Um die parlamentarische Opposition der Konstitutionelle» zu unterstützen, um sie eigentlich erst wirksam sür die Nation zu machen, ist eine entschiedenere und zahlreichere Vertretung ihrer Partei in der Presse nud eine Organisirung derselben in Vereinen unabweislich. Die eine dieser Bedingungen ist von der andern uicht zu trennen. Zwar sind wir weit entfernt, indem wir von Vereinen sprechen, an jenes lächerliche Clubwesen zu denken, welches nach den Märztagen emporschoß und durch seine Albernheiten und Ausschweifungen wesentlich dazu bei¬ getragen hat, falsche und ungünstige Anschauungen von politischen Associationen zu verbreite». Nicht Vereine sollen gebildet werden, die, zusammengefahren aus den ersten Beste», die ein Paar Stunden nicht anders todtzuschlagen wissen, sich versammeln, um über Dinge zu debattiren, von denen sie nichts verstehen und welche sie nichts angehen, und Petitionen, Adresse» und Erklärungen zu beschließen, um die sich Niemand kümmert, oder die höchstens belacht werden, noch weniger sollen Vereine sich mit der unausgesetzten Auschüruug der gefährlichsten, politischen Leidenschaften beschäftigen — was übrigens jetzt die Verhältnisse ohnehin schon verbieten würden —, nein, die politischen Vereine sollen eine gesellschaftliche Concentrirung der Anhänger und Gesinnungsgenossen einer Partei in den grö¬ ßeren Mittelpunkten der Bevölkerung bezwecken, die es möglich macht, die ge¬ meinschaftlichen Interesse» wahrzunehmen, besonders wichtige Zwecke zu fördern, und in entscheidende» Momenten, vor Allem bei den Wahlen, alle Kräfte der Partei zu sammeln und zur Geltung zu bringen. Daß die Constitutionellen in Preußen bei Hervorrufung solcher Vereine und im Verlauf ihrer Thätigkeit poli¬ zeilichen Belästigungen und Behinderungen mehr oder weniger ausgesetzt wären, ist unzweifelhaft; diese aber würden nicht im Stande sei», deren Bestehen zu unterdrücke», wenn wirklich die politisch und gesellschaftlich hervorragendsten Per¬ sönlichkeiten der Partei sich a» die Spitze stellte», die ehe» sowol selbst jetzt »och i» Preußen der Regierung eine gewisse Rücksicht a»ferlege», als auch jede» Vor- wand eutfenie», de» man angeblich gesetzwidriger Zwecke halber gegen derartige Verbindungen erheben könnte. Die Partei der Kreuzzeitung hat überall durch gouvernementale Gunst bevorzug t gesellschaftlich-politische Vereine dieser An begründet, die für sie ein mächtiger Hebel des Einflusses und Zuwachses sind; die Regierung, deren Beamte zum Theil daran Theil nehme», hat außerdem für sich de» unge¬ heuren Einfluß eitler complicirte» Administrativ». Wen» die Constitutionellen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875/144>, abgerufen am 28.12.2024.