Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

napoleonische System zu vertheidigen nicht beansprucht, sich schwer in der öffent¬
lichen Meinung geschadet.

Ein solches Verhältniß zur Presse kann nicht fortdauern, ohne den Einfluß
der constitutionellen Partei tief herabsinken zu lassen. Das Nothwendigste wäre
die Gründung einer neuen Zeitung in Berlin, und so lange die Mittel dazu
nicht beschafft werden, wenigstens die eines bescheidenem Organs, um die mehr
oder weniger mit der Partei sympathisirenden Provinzialblätter in richtiger
Erkenntniß der parlamentarischen Vorgänge zu erhalte", und, wo es nöthig ist,
Angriffen und Entstellungen feindlich gesinnter Organe entgegenzutreten. Daß dies
Geringere bald in'ö Werk gesetzt werde, ist ein eben so mäßiges, als dringendes
Verlangen. Die Gründung einer Zeitung freilich dürfte für's Erste nicht zu
ermöglichen sein. Ein Theil der Constitutionellen leidet an einer, man möchte
sagen, provinziellen Geringachtung der Berliner Presse; ein anderer legt überhaupt
keinen hohen Werth auf die Thätigkeit der Zeitungen, und ist deshalb nicht
geneigt, bedeutende Opfer dafür zu bringen. Die Wenigen, welche die ganze
Wichtigkeit der Frage erkennen, können natürlich nicht allein das leisten, wozu
die Kräfte Aller bereit sein sollten.

Die parlamentarische Fraction der Constitutionellen tarfr demnach Gefahr,
sich in Bezug ans die Presse einer Stimmung zu überlasse", die halb Resignation,
halb el" nicht gerechtfertigtes Gefühl vornehmer Gleichgiltigkeit ist. Man thut
in der Kammer seine Pflicht; unterstützt die Presse diese Bemühungen nicht, ver¬
nachlässigt die öffentliche Meinung die Männer, die für die Interessen ihrer
Mitbürger der ermüdenden Arbeit langwieriger Sessionen sich widmen, nun so
wäscht man seine Hände in Unschuld. Wir glauben jedoch nicht, daß dieses Ver¬
halten und dieser Trost Männern genüge" dürfe", die, wie es unzweifelhaft bei
den Constitutionellen der Fall ist, von dem Ernst ihres Thuns und der hohe"
Wichtigkeit ihrer Aufgabe erfüllt sind. Diese Männer sind es sich bewußt, daß
die Kämpfe des Parlamentes, welche sie führen, kein müßiges Spiel, nicht das
leere Getriebe persönlicher Eitelkeit oder Rancüne sind. Sie verfolgen einen
höher" Zweck, wenn sie die Kraft ihrer besten Jahre und die edelsten Eigenschafte"
geistiger Begabung aufwende", um den Sieg ihrer Principien vorznbereitc",
sollten sie ihn selbst nicht erleben. Sie denken daran, daß die Zukunft ihres
Volkes, die Zukunft ihrer eigenen Nachkommenschaft tief betheiligt ist bei dem
Erfolg oder der Niederlage der Sache, die sie vertheidigen.

Neben dieser Auffassung kan" eine Vernachlässigung nicht bestehn, welche die
Frucht der Anstrcngunge" preisgiebt, welche" die constitutionelle Partei in
den Kammern sich unterzieht. Der parlanientarische Dunstkreis, wie man zu¬
weilen die Selbsttäuschung einer Kammerfraction über ihr Verhältniß zum Lande
genannt hat, kann dem scharfen Blick" derjenigen, welche die liberale Opposition
leiten, unmöglich lange die Erkenntniß der Gefahren entziehn, mit denen eine


napoleonische System zu vertheidigen nicht beansprucht, sich schwer in der öffent¬
lichen Meinung geschadet.

Ein solches Verhältniß zur Presse kann nicht fortdauern, ohne den Einfluß
der constitutionellen Partei tief herabsinken zu lassen. Das Nothwendigste wäre
die Gründung einer neuen Zeitung in Berlin, und so lange die Mittel dazu
nicht beschafft werden, wenigstens die eines bescheidenem Organs, um die mehr
oder weniger mit der Partei sympathisirenden Provinzialblätter in richtiger
Erkenntniß der parlamentarischen Vorgänge zu erhalte», und, wo es nöthig ist,
Angriffen und Entstellungen feindlich gesinnter Organe entgegenzutreten. Daß dies
Geringere bald in'ö Werk gesetzt werde, ist ein eben so mäßiges, als dringendes
Verlangen. Die Gründung einer Zeitung freilich dürfte für's Erste nicht zu
ermöglichen sein. Ein Theil der Constitutionellen leidet an einer, man möchte
sagen, provinziellen Geringachtung der Berliner Presse; ein anderer legt überhaupt
keinen hohen Werth auf die Thätigkeit der Zeitungen, und ist deshalb nicht
geneigt, bedeutende Opfer dafür zu bringen. Die Wenigen, welche die ganze
Wichtigkeit der Frage erkennen, können natürlich nicht allein das leisten, wozu
die Kräfte Aller bereit sein sollten.

Die parlamentarische Fraction der Constitutionellen tarfr demnach Gefahr,
sich in Bezug ans die Presse einer Stimmung zu überlasse», die halb Resignation,
halb el» nicht gerechtfertigtes Gefühl vornehmer Gleichgiltigkeit ist. Man thut
in der Kammer seine Pflicht; unterstützt die Presse diese Bemühungen nicht, ver¬
nachlässigt die öffentliche Meinung die Männer, die für die Interessen ihrer
Mitbürger der ermüdenden Arbeit langwieriger Sessionen sich widmen, nun so
wäscht man seine Hände in Unschuld. Wir glauben jedoch nicht, daß dieses Ver¬
halten und dieser Trost Männern genüge» dürfe», die, wie es unzweifelhaft bei
den Constitutionellen der Fall ist, von dem Ernst ihres Thuns und der hohe»
Wichtigkeit ihrer Aufgabe erfüllt sind. Diese Männer sind es sich bewußt, daß
die Kämpfe des Parlamentes, welche sie führen, kein müßiges Spiel, nicht das
leere Getriebe persönlicher Eitelkeit oder Rancüne sind. Sie verfolgen einen
höher» Zweck, wenn sie die Kraft ihrer besten Jahre und die edelsten Eigenschafte»
geistiger Begabung aufwende», um den Sieg ihrer Principien vorznbereitc»,
sollten sie ihn selbst nicht erleben. Sie denken daran, daß die Zukunft ihres
Volkes, die Zukunft ihrer eigenen Nachkommenschaft tief betheiligt ist bei dem
Erfolg oder der Niederlage der Sache, die sie vertheidigen.

Neben dieser Auffassung kan» eine Vernachlässigung nicht bestehn, welche die
Frucht der Anstrcngunge» preisgiebt, welche» die constitutionelle Partei in
den Kammern sich unterzieht. Der parlanientarische Dunstkreis, wie man zu¬
weilen die Selbsttäuschung einer Kammerfraction über ihr Verhältniß zum Lande
genannt hat, kann dem scharfen Blick« derjenigen, welche die liberale Opposition
leiten, unmöglich lange die Erkenntniß der Gefahren entziehn, mit denen eine


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0146" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/186022"/>
          <p xml:id="ID_397" prev="#ID_396"> napoleonische System zu vertheidigen nicht beansprucht, sich schwer in der öffent¬<lb/>
lichen Meinung geschadet.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_398"> Ein solches Verhältniß zur Presse kann nicht fortdauern, ohne den Einfluß<lb/>
der constitutionellen Partei tief herabsinken zu lassen. Das Nothwendigste wäre<lb/>
die Gründung einer neuen Zeitung in Berlin, und so lange die Mittel dazu<lb/>
nicht beschafft werden, wenigstens die eines bescheidenem Organs, um die mehr<lb/>
oder weniger mit der Partei sympathisirenden Provinzialblätter in richtiger<lb/>
Erkenntniß der parlamentarischen Vorgänge zu erhalte», und, wo es nöthig ist,<lb/>
Angriffen und Entstellungen feindlich gesinnter Organe entgegenzutreten. Daß dies<lb/>
Geringere bald in'ö Werk gesetzt werde, ist ein eben so mäßiges, als dringendes<lb/>
Verlangen. Die Gründung einer Zeitung freilich dürfte für's Erste nicht zu<lb/>
ermöglichen sein. Ein Theil der Constitutionellen leidet an einer, man möchte<lb/>
sagen, provinziellen Geringachtung der Berliner Presse; ein anderer legt überhaupt<lb/>
keinen hohen Werth auf die Thätigkeit der Zeitungen, und ist deshalb nicht<lb/>
geneigt, bedeutende Opfer dafür zu bringen. Die Wenigen, welche die ganze<lb/>
Wichtigkeit der Frage erkennen, können natürlich nicht allein das leisten, wozu<lb/>
die Kräfte Aller bereit sein sollten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_399"> Die parlamentarische Fraction der Constitutionellen tarfr demnach Gefahr,<lb/>
sich in Bezug ans die Presse einer Stimmung zu überlasse», die halb Resignation,<lb/>
halb el» nicht gerechtfertigtes Gefühl vornehmer Gleichgiltigkeit ist. Man thut<lb/>
in der Kammer seine Pflicht; unterstützt die Presse diese Bemühungen nicht, ver¬<lb/>
nachlässigt die öffentliche Meinung die Männer, die für die Interessen ihrer<lb/>
Mitbürger der ermüdenden Arbeit langwieriger Sessionen sich widmen, nun so<lb/>
wäscht man seine Hände in Unschuld. Wir glauben jedoch nicht, daß dieses Ver¬<lb/>
halten und dieser Trost Männern genüge» dürfe», die, wie es unzweifelhaft bei<lb/>
den Constitutionellen der Fall ist, von dem Ernst ihres Thuns und der hohe»<lb/>
Wichtigkeit ihrer Aufgabe erfüllt sind. Diese Männer sind es sich bewußt, daß<lb/>
die Kämpfe des Parlamentes, welche sie führen, kein müßiges Spiel, nicht das<lb/>
leere Getriebe persönlicher Eitelkeit oder Rancüne sind. Sie verfolgen einen<lb/>
höher» Zweck, wenn sie die Kraft ihrer besten Jahre und die edelsten Eigenschafte»<lb/>
geistiger Begabung aufwende», um den Sieg ihrer Principien vorznbereitc»,<lb/>
sollten sie ihn selbst nicht erleben. Sie denken daran, daß die Zukunft ihres<lb/>
Volkes, die Zukunft ihrer eigenen Nachkommenschaft tief betheiligt ist bei dem<lb/>
Erfolg oder der Niederlage der Sache, die sie vertheidigen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_400" next="#ID_401"> Neben dieser Auffassung kan» eine Vernachlässigung nicht bestehn, welche die<lb/>
Frucht der Anstrcngunge» preisgiebt, welche» die constitutionelle Partei in<lb/>
den Kammern sich unterzieht. Der parlanientarische Dunstkreis, wie man zu¬<lb/>
weilen die Selbsttäuschung einer Kammerfraction über ihr Verhältniß zum Lande<lb/>
genannt hat, kann dem scharfen Blick« derjenigen, welche die liberale Opposition<lb/>
leiten, unmöglich lange die Erkenntniß der Gefahren entziehn, mit denen eine</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0146] napoleonische System zu vertheidigen nicht beansprucht, sich schwer in der öffent¬ lichen Meinung geschadet. Ein solches Verhältniß zur Presse kann nicht fortdauern, ohne den Einfluß der constitutionellen Partei tief herabsinken zu lassen. Das Nothwendigste wäre die Gründung einer neuen Zeitung in Berlin, und so lange die Mittel dazu nicht beschafft werden, wenigstens die eines bescheidenem Organs, um die mehr oder weniger mit der Partei sympathisirenden Provinzialblätter in richtiger Erkenntniß der parlamentarischen Vorgänge zu erhalte», und, wo es nöthig ist, Angriffen und Entstellungen feindlich gesinnter Organe entgegenzutreten. Daß dies Geringere bald in'ö Werk gesetzt werde, ist ein eben so mäßiges, als dringendes Verlangen. Die Gründung einer Zeitung freilich dürfte für's Erste nicht zu ermöglichen sein. Ein Theil der Constitutionellen leidet an einer, man möchte sagen, provinziellen Geringachtung der Berliner Presse; ein anderer legt überhaupt keinen hohen Werth auf die Thätigkeit der Zeitungen, und ist deshalb nicht geneigt, bedeutende Opfer dafür zu bringen. Die Wenigen, welche die ganze Wichtigkeit der Frage erkennen, können natürlich nicht allein das leisten, wozu die Kräfte Aller bereit sein sollten. Die parlamentarische Fraction der Constitutionellen tarfr demnach Gefahr, sich in Bezug ans die Presse einer Stimmung zu überlasse», die halb Resignation, halb el» nicht gerechtfertigtes Gefühl vornehmer Gleichgiltigkeit ist. Man thut in der Kammer seine Pflicht; unterstützt die Presse diese Bemühungen nicht, ver¬ nachlässigt die öffentliche Meinung die Männer, die für die Interessen ihrer Mitbürger der ermüdenden Arbeit langwieriger Sessionen sich widmen, nun so wäscht man seine Hände in Unschuld. Wir glauben jedoch nicht, daß dieses Ver¬ halten und dieser Trost Männern genüge» dürfe», die, wie es unzweifelhaft bei den Constitutionellen der Fall ist, von dem Ernst ihres Thuns und der hohe» Wichtigkeit ihrer Aufgabe erfüllt sind. Diese Männer sind es sich bewußt, daß die Kämpfe des Parlamentes, welche sie führen, kein müßiges Spiel, nicht das leere Getriebe persönlicher Eitelkeit oder Rancüne sind. Sie verfolgen einen höher» Zweck, wenn sie die Kraft ihrer besten Jahre und die edelsten Eigenschafte» geistiger Begabung aufwende», um den Sieg ihrer Principien vorznbereitc», sollten sie ihn selbst nicht erleben. Sie denken daran, daß die Zukunft ihres Volkes, die Zukunft ihrer eigenen Nachkommenschaft tief betheiligt ist bei dem Erfolg oder der Niederlage der Sache, die sie vertheidigen. Neben dieser Auffassung kan» eine Vernachlässigung nicht bestehn, welche die Frucht der Anstrcngunge» preisgiebt, welche» die constitutionelle Partei in den Kammern sich unterzieht. Der parlanientarische Dunstkreis, wie man zu¬ weilen die Selbsttäuschung einer Kammerfraction über ihr Verhältniß zum Lande genannt hat, kann dem scharfen Blick« derjenigen, welche die liberale Opposition leiten, unmöglich lange die Erkenntniß der Gefahren entziehn, mit denen eine

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875/146
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875/146>, abgerufen am 04.07.2024.