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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band.

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verboten; später war sie mit Formalitäten und Schwierigkeiten umgeben, die sie
fast uuniöglich machte". Erst um das Jahr 1841 sah die Regierung das Unpo¬
litische dieses Verfahrens ein, und begünstigte das Ucbersiedeln ackerbauender Fa¬
milien ans Frankreich nach Algerien. Seit jener Zeit nahm die Einwanderung
stetig zu, bestand aber dennoch hauptsächlich aus Gewerbsleuten, Kaufleuten und
Luxnöarbeitern, unter denen die Nichtsranzose" vorherrschten, und eigentlich sieht
man nicht eher als 1843 eine Landbevölkerung entstehen, in welcher das franzö-
sche Element überwiegt. Ende 1844 war die Civilbevölkcrnng Algeriens auf
76,420 Personen gestiegen, darunter 38,000 Franzosen. Der Zuwachs in einem
Jahre betrug 16,234 Köpfe, wovon mehr als ^ Franzosen waren. Am stärksten
war jedoch die Einwanderung im Jahre 1846, wo sie sich auf 46,-143 Köpfe be-
lief, und wo 1882 Cvucessivusgesnche zum Anbau in deu Dörfern eingingen.
Davon kamen allein 1699 auf französische Familie". In der Provinz Algier stieg
die La"dbevölkerung von 6102 ans 8910 Seelen; die neue" Dörfer am Fuß des
Atlas, namentlich Joinville nud Dalmatie, entwickelte,, sich sehr rasch, Bvnffarik
zählte bereits 3(50 Hänser, und in der Duera, die vor drei Jahren noch wüst
gelegen hatte, zählte man bereits 34 einzelne Güter, uuter denen die große
Trappistennicderlassnng Stahncli die blühendste war. Sie bestand aus dem Kloster,
einem schönen Gute, Werkstätten, einer Mühle, zusammen zu 330,000 Fres. ver¬
anschlagt, hatte 300 Hectaren bebautes Land, ein beträchtliches Material, 170 Stück
größeres Vieh, 4000 gepflanzte Bäume und 100 Einwohner.

Noch regsamer als auf dem flachen Lande sah es in den Küstenstädten, "amentlich
Algier aus. Die Privatpersonen entwickelten hier eine große Thätigkeit, und die Bau-
unternehmungen vervielfältigten sich außerordentlich; das i" Europa herrschende Spe-
cnlalivnöfieber hatte auch Algerien angesteckt, und man baute weniger aus Bedürfniß,
als um mit eiuer ziemlich unsi'ehern Aussicht auf Gewinn Capitalien anzulegen.
Der Rückschlag kam schon 1846 mit der finanziellen Krisis in Europa, die sich
in Algeric" um so fühlbarer machte, als hauptsächlich europäisches Capital zu
den Häuserspeculationen verwendet worden war. Die nächste Folge war eine
allgemeine Stockung der Bauunternehmungen, und eine Abnahme der zugewan¬
derten Arbeiterbevölkerung, die zum Theil in die Heimath zurückkehrte, zum
Theil auf dem Lande Beschäftigung suchte. Diese Abnahme war so groß, daß Ende
1847 die Einwohnerzahl der Kolonie von 109,400 auf 103,893 Köpfe ge¬
fallen war.

Wenn die finanzielle Krisis auch zwar im Allgemeine" den Unter"ehalt"gö-
gcist lähmte, so war ihr Einfluß auf die ländliche Kolonisation doch nicht so nach¬
theilig, als man hätte befürchten sollen. Allerdings stockte die Einwanderung, und
die schüchtern gewordenen Capitalien zogen sich zurück. Aber von den in den
Städten brodlos gewordenen Arbeitern suchten und fanden viele Beschäftigung
ans dem Lande, und die wenigen noch disponible" Capitalien, die in i>em leichten,


verboten; später war sie mit Formalitäten und Schwierigkeiten umgeben, die sie
fast uuniöglich machte». Erst um das Jahr 1841 sah die Regierung das Unpo¬
litische dieses Verfahrens ein, und begünstigte das Ucbersiedeln ackerbauender Fa¬
milien ans Frankreich nach Algerien. Seit jener Zeit nahm die Einwanderung
stetig zu, bestand aber dennoch hauptsächlich aus Gewerbsleuten, Kaufleuten und
Luxnöarbeitern, unter denen die Nichtsranzose» vorherrschten, und eigentlich sieht
man nicht eher als 1843 eine Landbevölkerung entstehen, in welcher das franzö-
sche Element überwiegt. Ende 1844 war die Civilbevölkcrnng Algeriens auf
76,420 Personen gestiegen, darunter 38,000 Franzosen. Der Zuwachs in einem
Jahre betrug 16,234 Köpfe, wovon mehr als ^ Franzosen waren. Am stärksten
war jedoch die Einwanderung im Jahre 1846, wo sie sich auf 46,-143 Köpfe be-
lief, und wo 1882 Cvucessivusgesnche zum Anbau in deu Dörfern eingingen.
Davon kamen allein 1699 auf französische Familie». In der Provinz Algier stieg
die La»dbevölkerung von 6102 ans 8910 Seelen; die neue» Dörfer am Fuß des
Atlas, namentlich Joinville nud Dalmatie, entwickelte,, sich sehr rasch, Bvnffarik
zählte bereits 3(50 Hänser, und in der Duera, die vor drei Jahren noch wüst
gelegen hatte, zählte man bereits 34 einzelne Güter, uuter denen die große
Trappistennicderlassnng Stahncli die blühendste war. Sie bestand aus dem Kloster,
einem schönen Gute, Werkstätten, einer Mühle, zusammen zu 330,000 Fres. ver¬
anschlagt, hatte 300 Hectaren bebautes Land, ein beträchtliches Material, 170 Stück
größeres Vieh, 4000 gepflanzte Bäume und 100 Einwohner.

Noch regsamer als auf dem flachen Lande sah es in den Küstenstädten, »amentlich
Algier aus. Die Privatpersonen entwickelten hier eine große Thätigkeit, und die Bau-
unternehmungen vervielfältigten sich außerordentlich; das i» Europa herrschende Spe-
cnlalivnöfieber hatte auch Algerien angesteckt, und man baute weniger aus Bedürfniß,
als um mit eiuer ziemlich unsi'ehern Aussicht auf Gewinn Capitalien anzulegen.
Der Rückschlag kam schon 1846 mit der finanziellen Krisis in Europa, die sich
in Algeric» um so fühlbarer machte, als hauptsächlich europäisches Capital zu
den Häuserspeculationen verwendet worden war. Die nächste Folge war eine
allgemeine Stockung der Bauunternehmungen, und eine Abnahme der zugewan¬
derten Arbeiterbevölkerung, die zum Theil in die Heimath zurückkehrte, zum
Theil auf dem Lande Beschäftigung suchte. Diese Abnahme war so groß, daß Ende
1847 die Einwohnerzahl der Kolonie von 109,400 auf 103,893 Köpfe ge¬
fallen war.

Wenn die finanzielle Krisis auch zwar im Allgemeine» den Unter»ehalt»gö-
gcist lähmte, so war ihr Einfluß auf die ländliche Kolonisation doch nicht so nach¬
theilig, als man hätte befürchten sollen. Allerdings stockte die Einwanderung, und
die schüchtern gewordenen Capitalien zogen sich zurück. Aber von den in den
Städten brodlos gewordenen Arbeitern suchten und fanden viele Beschäftigung
ans dem Lande, und die wenigen noch disponible» Capitalien, die in i>em leichten,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875/140>, abgerufen am 28.12.2024.