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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band.

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brachte, und die eroberte Provinz, anstatt zu einer Last für den Schatz, zu einer
Quelle des Nationalwohlstandes machte.

Der Umstand, daß militairische Nothwendigkeit zuerst den neuen Colouisa-
tivusplau eingegeben hatte, zog schon eine zu große Einmischung der Regierung
in die persönliche Freiheit der Colonisten nach sich, da man die Wahl der zu den
Niederlassungen bestimmten Punkte nicht den Colonisten überlassen konnte, sondern
nach militärischen Rücksichten vornehmen mußte. Aber der gern bevvrmuudeude
Geist der französischen Verwaltung that auch uoch das Seinige, um die Hemm¬
nisse zu vermehren. Die Direction des Innern übernahm die Wahl der Niedcr-
lassungSorte, die Vermessung und Vertheilung der Ländereien, die Unterbringung
der Familien, die Herstellung der Wege und öffentlichen Gebäude, und die Ueber¬
gabe provisorischer Concessionen. Alle Pläne mußten erst dem Verwaltungsräthe
zur Prüfung vorgelegt werden, und konnten ohne die Billigung des Ministers nicht
in Ausführung kommen. Die pecuniairen Bedingungen waren ziemlich günstig.
Die Concessionen wurden gratis gegeben; das Minimum des vom Colonisten ge¬
forderten Anlagecapitals war auf -12-- 1600 Fras. festgestellt. Jede concessionirte
Familie hatte freie Ueberfahrt vou Toulon oder Marseille nach Algier, und der
Präfect konnte ihr Reisegeld bis zum Cinschiffnngöhafen geben. Jeder Kolonist
erhält für 60V Fras. Baumaterialien zu seinem Hanse, Ackerwerkzeuge, Sämereien
und Bäume, und leihweise Ochsen, um seinen Acker umzubrechen. Ein großer
Nachtheil dieser Freigebigkeit war, daß sie viele Dürftige herbeilockte, die
weder die Kenntnisse, noch die nöthigen Kräfte, gute Ackerbauer zu werden, be¬
saßen, und die daher kärglich aus einem Boden vegetirten, den sie nicht mit
Nutzen bebauen konnten. Der Hanptübelstand aber waren die beengenden Vorschriften
über die Wahl und Einrichtung der Ansiedelung. Der Auswanderer, der seine
Heimath verläßt, thut es meistens, weil er daselbst nicht freien Spielraum genug
für seine Arbeitskräfte findet, und er wird sich daher dorthin wenden, wo man
ihm freie Verwendung und die wenigsten Hemmnisse entgegensetzt. Daher wird
er trotz der großen Entfernung stets Amerika vorziehen, so lange man dieses
System beibehält.

Dennoch war das neue Verfahren ein großer Fortschritt gegen das alte,
und die Folgen zeigten sich bald in der vermehrten Einwanderung, so daß die
europäische Bevölkerung Ende 18i1 auf M/727, und 1812 ans 4i,ö00 Köpfe
gestiegen war. Erst jetzt beginnt eigentlich die Kolonisation Algeriens, begünstigt
durch die fast vollendete Pacification des Landes, an dessen Grenzen man uur
uoch Krieg führt, der nach dem siegreichen Feldzug gegen Marocco (I84i) so gut
wie ganz aufhört. Jedes Jahr sieht eine weitere Ausdehnung des Gebiets, die
Gründung "euer Niederlassungen, Vermehrung der öffentliche" Bauteil in den
Städten und auf dem flachen Lande. Die Einwanderung aus Frankreich nimmt
einen neuen Aufschwung. In den ersten Jahren der Occupation war sie geradezu


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brachte, und die eroberte Provinz, anstatt zu einer Last für den Schatz, zu einer
Quelle des Nationalwohlstandes machte.

Der Umstand, daß militairische Nothwendigkeit zuerst den neuen Colouisa-
tivusplau eingegeben hatte, zog schon eine zu große Einmischung der Regierung
in die persönliche Freiheit der Colonisten nach sich, da man die Wahl der zu den
Niederlassungen bestimmten Punkte nicht den Colonisten überlassen konnte, sondern
nach militärischen Rücksichten vornehmen mußte. Aber der gern bevvrmuudeude
Geist der französischen Verwaltung that auch uoch das Seinige, um die Hemm¬
nisse zu vermehren. Die Direction des Innern übernahm die Wahl der Niedcr-
lassungSorte, die Vermessung und Vertheilung der Ländereien, die Unterbringung
der Familien, die Herstellung der Wege und öffentlichen Gebäude, und die Ueber¬
gabe provisorischer Concessionen. Alle Pläne mußten erst dem Verwaltungsräthe
zur Prüfung vorgelegt werden, und konnten ohne die Billigung des Ministers nicht
in Ausführung kommen. Die pecuniairen Bedingungen waren ziemlich günstig.
Die Concessionen wurden gratis gegeben; das Minimum des vom Colonisten ge¬
forderten Anlagecapitals war auf -12— 1600 Fras. festgestellt. Jede concessionirte
Familie hatte freie Ueberfahrt vou Toulon oder Marseille nach Algier, und der
Präfect konnte ihr Reisegeld bis zum Cinschiffnngöhafen geben. Jeder Kolonist
erhält für 60V Fras. Baumaterialien zu seinem Hanse, Ackerwerkzeuge, Sämereien
und Bäume, und leihweise Ochsen, um seinen Acker umzubrechen. Ein großer
Nachtheil dieser Freigebigkeit war, daß sie viele Dürftige herbeilockte, die
weder die Kenntnisse, noch die nöthigen Kräfte, gute Ackerbauer zu werden, be¬
saßen, und die daher kärglich aus einem Boden vegetirten, den sie nicht mit
Nutzen bebauen konnten. Der Hanptübelstand aber waren die beengenden Vorschriften
über die Wahl und Einrichtung der Ansiedelung. Der Auswanderer, der seine
Heimath verläßt, thut es meistens, weil er daselbst nicht freien Spielraum genug
für seine Arbeitskräfte findet, und er wird sich daher dorthin wenden, wo man
ihm freie Verwendung und die wenigsten Hemmnisse entgegensetzt. Daher wird
er trotz der großen Entfernung stets Amerika vorziehen, so lange man dieses
System beibehält.

Dennoch war das neue Verfahren ein großer Fortschritt gegen das alte,
und die Folgen zeigten sich bald in der vermehrten Einwanderung, so daß die
europäische Bevölkerung Ende 18i1 auf M/727, und 1812 ans 4i,ö00 Köpfe
gestiegen war. Erst jetzt beginnt eigentlich die Kolonisation Algeriens, begünstigt
durch die fast vollendete Pacification des Landes, an dessen Grenzen man uur
uoch Krieg führt, der nach dem siegreichen Feldzug gegen Marocco (I84i) so gut
wie ganz aufhört. Jedes Jahr sieht eine weitere Ausdehnung des Gebiets, die
Gründung »euer Niederlassungen, Vermehrung der öffentliche» Bauteil in den
Städten und auf dem flachen Lande. Die Einwanderung aus Frankreich nimmt
einen neuen Aufschwung. In den ersten Jahren der Occupation war sie geradezu


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875/139>, abgerufen am 04.07.2024.