Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

wickelnug bringen, und die Herrschiist Frankreichs befestign,, die Mein den Ein¬
geborene" die lleberzenguug geben können, daß eS umviderrnflich das Land in Besitz
nehmen wolle, mehrere Jahre gleich Null blieben. Die Vertheidiger dieses Systems
glaubten die Zukunft der Kolonie lediglich durch den Fleiß der einheimischen
Bevölkerung sichern zu können, und träumten von einer Art franko - arabischen
Fendalregieruug, in der das arabische Element unter dem Schutz der französischen
Militairantorität, nnter welcher eingeborene Häuptlinge gleich mittelalterlichen Vasallen
standen, von jeder Berührung mit den Europäer" rein erhalten werden sollten.
Man vergaß dabei nur, daß diese Häuptlinge, trotz ihrer Uutcrwürfigleits-
bethcnernngen, die Franzosen stets mit doppeltem Haß als Feinde und als Christen
betrachtete", und daß ihr Gehorsam nur so lange wie ihre Furcht dauern werde.
Dieselbe Neigung, schonenden Rücksichten gegen die Vorurtheile der Cingebvrenen
die Sicherung der Kolonisten nachzusetzen, zeigte sich bei der Errichtung der
beiden verschanzten Lager bei Colias und Blidah, welche die Metidschah von
Sude" ""d Westen decken sollte". A"es hier schloß man die Europäer von den
beiden Städten ans, und begnügte sich, vor derselbe" verschanzte Lager anzulegen,
anstatt durch Verstärkung des europäischen Elements in der Bevölkerung der
beiden Städte der Stellung eine dauernde Festigkeit zu geben. Ueberhaupt war
damals die Zeit der kleinen Lager und der kleine" Posten, von denen mehrere,
namentlich MaiVlma und Mered, seitdem Dörfer geworden sind. Ueberall errichtete
man solche Posten; "ran verstreute sie auf verschiedenen Punkten, um das Land
von arabische" Marodeurs zu säubern, und es gegen die gefährliche" Angriffe
zu sicher", welche die verdächtigen Bewcgimge" Abd-et-Kader's fürchten ließe".

Die schlechtverbürgte Ruhe wirkte deinioch "icht so ganz ungünstig auf die
Eutwickeliliig der Eolouie ein. Auf der Metidschah fände" sich neue Ansiedler
el", Dely-Ibrahim, Buffarik und einige andere Niederlassungen, obgleich sie immer
noch mehr militärische Lager als eigentliche Dörfer waren, vergrößerten sich.
Algier selbst nahm allmählich eine ganz andere Physiognomie an. Die Arbeiten
am Molo wurden mit großer Thätigkeit betrieben, Privathäuser erhoben sich a"
alle" Ende"; die Straße" wurde" gerader, breiter und ebener; die ganze untere
Stadt, uur uach europäischer Art gebaut, hatte die letzten spüre" maurischer
Physiognomie verloren. Die Ausfuhr der Landesproducte war von 2V4 Millionen
Francs auf 3,Ki>l),"N0 gestiegen.

Der unerwartete Einfall Abd-el-Kader'ö Ende wenige Tage nach dem
Triumphzuge des Prinzen von Orleans nach dem eisernen Thore, wendete die Sachen
rasch wieder zum Nachtheil. Die ganze Metidschah war von arabischen Streifparteien
überschwemmt, von dem sich einige sogar bis in die unmittelbare Nähe vou Algier
wagten. Die Felder wurden verwüstet, die Heerden fortgeführt, die Bauernhöfe
beraubt lind in Brand gesteckt. Einige Stunden genügten, um die Früchte
jahrelanger muthvoller Ausdauer und geduldige" Fleißes zu vernichte". Die


wickelnug bringen, und die Herrschiist Frankreichs befestign,, die Mein den Ein¬
geborene» die lleberzenguug geben können, daß eS umviderrnflich das Land in Besitz
nehmen wolle, mehrere Jahre gleich Null blieben. Die Vertheidiger dieses Systems
glaubten die Zukunft der Kolonie lediglich durch den Fleiß der einheimischen
Bevölkerung sichern zu können, und träumten von einer Art franko - arabischen
Fendalregieruug, in der das arabische Element unter dem Schutz der französischen
Militairantorität, nnter welcher eingeborene Häuptlinge gleich mittelalterlichen Vasallen
standen, von jeder Berührung mit den Europäer» rein erhalten werden sollten.
Man vergaß dabei nur, daß diese Häuptlinge, trotz ihrer Uutcrwürfigleits-
bethcnernngen, die Franzosen stets mit doppeltem Haß als Feinde und als Christen
betrachtete», und daß ihr Gehorsam nur so lange wie ihre Furcht dauern werde.
Dieselbe Neigung, schonenden Rücksichten gegen die Vorurtheile der Cingebvrenen
die Sicherung der Kolonisten nachzusetzen, zeigte sich bei der Errichtung der
beiden verschanzten Lager bei Colias und Blidah, welche die Metidschah von
Sude» »»d Westen decken sollte». A»es hier schloß man die Europäer von den
beiden Städten ans, und begnügte sich, vor derselbe» verschanzte Lager anzulegen,
anstatt durch Verstärkung des europäischen Elements in der Bevölkerung der
beiden Städte der Stellung eine dauernde Festigkeit zu geben. Ueberhaupt war
damals die Zeit der kleinen Lager und der kleine» Posten, von denen mehrere,
namentlich MaiVlma und Mered, seitdem Dörfer geworden sind. Ueberall errichtete
man solche Posten; »ran verstreute sie auf verschiedenen Punkten, um das Land
von arabische» Marodeurs zu säubern, und es gegen die gefährliche» Angriffe
zu sicher», welche die verdächtigen Bewcgimge» Abd-et-Kader's fürchten ließe».

Die schlechtverbürgte Ruhe wirkte deinioch »icht so ganz ungünstig auf die
Eutwickeliliig der Eolouie ein. Auf der Metidschah fände» sich neue Ansiedler
el», Dely-Ibrahim, Buffarik und einige andere Niederlassungen, obgleich sie immer
noch mehr militärische Lager als eigentliche Dörfer waren, vergrößerten sich.
Algier selbst nahm allmählich eine ganz andere Physiognomie an. Die Arbeiten
am Molo wurden mit großer Thätigkeit betrieben, Privathäuser erhoben sich a»
alle» Ende»; die Straße» wurde» gerader, breiter und ebener; die ganze untere
Stadt, uur uach europäischer Art gebaut, hatte die letzten spüre» maurischer
Physiognomie verloren. Die Ausfuhr der Landesproducte war von 2V4 Millionen
Francs auf 3,Ki>l),»N0 gestiegen.

Der unerwartete Einfall Abd-el-Kader'ö Ende wenige Tage nach dem
Triumphzuge des Prinzen von Orleans nach dem eisernen Thore, wendete die Sachen
rasch wieder zum Nachtheil. Die ganze Metidschah war von arabischen Streifparteien
überschwemmt, von dem sich einige sogar bis in die unmittelbare Nähe vou Algier
wagten. Die Felder wurden verwüstet, die Heerden fortgeführt, die Bauernhöfe
beraubt lind in Brand gesteckt. Einige Stunden genügten, um die Früchte
jahrelanger muthvoller Ausdauer und geduldige» Fleißes zu vernichte». Die


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0136" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/186012"/>
          <p xml:id="ID_368" prev="#ID_367"> wickelnug bringen, und die Herrschiist Frankreichs befestign,, die Mein den Ein¬<lb/>
geborene» die lleberzenguug geben können, daß eS umviderrnflich das Land in Besitz<lb/>
nehmen wolle, mehrere Jahre gleich Null blieben. Die Vertheidiger dieses Systems<lb/>
glaubten die Zukunft der Kolonie lediglich durch den Fleiß der einheimischen<lb/>
Bevölkerung sichern zu können, und träumten von einer Art franko - arabischen<lb/>
Fendalregieruug, in der das arabische Element unter dem Schutz der französischen<lb/>
Militairantorität, nnter welcher eingeborene Häuptlinge gleich mittelalterlichen Vasallen<lb/>
standen, von jeder Berührung mit den Europäer» rein erhalten werden sollten.<lb/>
Man vergaß dabei nur, daß diese Häuptlinge, trotz ihrer Uutcrwürfigleits-<lb/>
bethcnernngen, die Franzosen stets mit doppeltem Haß als Feinde und als Christen<lb/>
betrachtete», und daß ihr Gehorsam nur so lange wie ihre Furcht dauern werde.<lb/>
Dieselbe Neigung, schonenden Rücksichten gegen die Vorurtheile der Cingebvrenen<lb/>
die Sicherung der Kolonisten nachzusetzen, zeigte sich bei der Errichtung der<lb/>
beiden verschanzten Lager bei Colias und Blidah, welche die Metidschah von<lb/>
Sude» »»d Westen decken sollte». A»es hier schloß man die Europäer von den<lb/>
beiden Städten ans, und begnügte sich, vor derselbe» verschanzte Lager anzulegen,<lb/>
anstatt durch Verstärkung des europäischen Elements in der Bevölkerung der<lb/>
beiden Städte der Stellung eine dauernde Festigkeit zu geben. Ueberhaupt war<lb/>
damals die Zeit der kleinen Lager und der kleine» Posten, von denen mehrere,<lb/>
namentlich MaiVlma und Mered, seitdem Dörfer geworden sind. Ueberall errichtete<lb/>
man solche Posten; »ran verstreute sie auf verschiedenen Punkten, um das Land<lb/>
von arabische» Marodeurs zu säubern, und es gegen die gefährliche» Angriffe<lb/>
zu sicher», welche die verdächtigen Bewcgimge» Abd-et-Kader's fürchten ließe».</p><lb/>
          <p xml:id="ID_369"> Die schlechtverbürgte Ruhe wirkte deinioch »icht so ganz ungünstig auf die<lb/>
Eutwickeliliig der Eolouie ein. Auf der Metidschah fände» sich neue Ansiedler<lb/>
el», Dely-Ibrahim, Buffarik und einige andere Niederlassungen, obgleich sie immer<lb/>
noch mehr militärische Lager als eigentliche Dörfer waren, vergrößerten sich.<lb/>
Algier selbst nahm allmählich eine ganz andere Physiognomie an. Die Arbeiten<lb/>
am Molo wurden mit großer Thätigkeit betrieben, Privathäuser erhoben sich a»<lb/>
alle» Ende»; die Straße» wurde» gerader, breiter und ebener; die ganze untere<lb/>
Stadt, uur uach europäischer Art gebaut, hatte die letzten spüre» maurischer<lb/>
Physiognomie verloren. Die Ausfuhr der Landesproducte war von 2V4 Millionen<lb/>
Francs auf 3,Ki&gt;l),»N0 gestiegen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_370" next="#ID_371"> Der unerwartete Einfall Abd-el-Kader'ö Ende wenige Tage nach dem<lb/>
Triumphzuge des Prinzen von Orleans nach dem eisernen Thore, wendete die Sachen<lb/>
rasch wieder zum Nachtheil. Die ganze Metidschah war von arabischen Streifparteien<lb/>
überschwemmt, von dem sich einige sogar bis in die unmittelbare Nähe vou Algier<lb/>
wagten. Die Felder wurden verwüstet, die Heerden fortgeführt, die Bauernhöfe<lb/>
beraubt lind in Brand gesteckt. Einige Stunden genügten, um die Früchte<lb/>
jahrelanger muthvoller Ausdauer und geduldige» Fleißes zu vernichte». Die</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0136] wickelnug bringen, und die Herrschiist Frankreichs befestign,, die Mein den Ein¬ geborene» die lleberzenguug geben können, daß eS umviderrnflich das Land in Besitz nehmen wolle, mehrere Jahre gleich Null blieben. Die Vertheidiger dieses Systems glaubten die Zukunft der Kolonie lediglich durch den Fleiß der einheimischen Bevölkerung sichern zu können, und träumten von einer Art franko - arabischen Fendalregieruug, in der das arabische Element unter dem Schutz der französischen Militairantorität, nnter welcher eingeborene Häuptlinge gleich mittelalterlichen Vasallen standen, von jeder Berührung mit den Europäer» rein erhalten werden sollten. Man vergaß dabei nur, daß diese Häuptlinge, trotz ihrer Uutcrwürfigleits- bethcnernngen, die Franzosen stets mit doppeltem Haß als Feinde und als Christen betrachtete», und daß ihr Gehorsam nur so lange wie ihre Furcht dauern werde. Dieselbe Neigung, schonenden Rücksichten gegen die Vorurtheile der Cingebvrenen die Sicherung der Kolonisten nachzusetzen, zeigte sich bei der Errichtung der beiden verschanzten Lager bei Colias und Blidah, welche die Metidschah von Sude» »»d Westen decken sollte». A»es hier schloß man die Europäer von den beiden Städten ans, und begnügte sich, vor derselbe» verschanzte Lager anzulegen, anstatt durch Verstärkung des europäischen Elements in der Bevölkerung der beiden Städte der Stellung eine dauernde Festigkeit zu geben. Ueberhaupt war damals die Zeit der kleinen Lager und der kleine» Posten, von denen mehrere, namentlich MaiVlma und Mered, seitdem Dörfer geworden sind. Ueberall errichtete man solche Posten; »ran verstreute sie auf verschiedenen Punkten, um das Land von arabische» Marodeurs zu säubern, und es gegen die gefährliche» Angriffe zu sicher», welche die verdächtigen Bewcgimge» Abd-et-Kader's fürchten ließe». Die schlechtverbürgte Ruhe wirkte deinioch »icht so ganz ungünstig auf die Eutwickeliliig der Eolouie ein. Auf der Metidschah fände» sich neue Ansiedler el», Dely-Ibrahim, Buffarik und einige andere Niederlassungen, obgleich sie immer noch mehr militärische Lager als eigentliche Dörfer waren, vergrößerten sich. Algier selbst nahm allmählich eine ganz andere Physiognomie an. Die Arbeiten am Molo wurden mit großer Thätigkeit betrieben, Privathäuser erhoben sich a» alle» Ende»; die Straße» wurde» gerader, breiter und ebener; die ganze untere Stadt, uur uach europäischer Art gebaut, hatte die letzten spüre» maurischer Physiognomie verloren. Die Ausfuhr der Landesproducte war von 2V4 Millionen Francs auf 3,Ki>l),»N0 gestiegen. Der unerwartete Einfall Abd-el-Kader'ö Ende wenige Tage nach dem Triumphzuge des Prinzen von Orleans nach dem eisernen Thore, wendete die Sachen rasch wieder zum Nachtheil. Die ganze Metidschah war von arabischen Streifparteien überschwemmt, von dem sich einige sogar bis in die unmittelbare Nähe vou Algier wagten. Die Felder wurden verwüstet, die Heerden fortgeführt, die Bauernhöfe beraubt lind in Brand gesteckt. Einige Stunden genügten, um die Früchte jahrelanger muthvoller Ausdauer und geduldige» Fleißes zu vernichte». Die

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875/136
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875/136>, abgerufen am 24.07.2024.