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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band.

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eine Ausdehnung von 34 Hcctareu hat, gegründet. Die Prwatbetheilignng war
noch gering. In Algier war der Zufluß von Einwanderern noch am größten.
Sie bestanden nicht blos aus Gewerbs- und Handelsleuten, wie sie stets Armeen
folgen, soudern die neuen Ankömmlinge suchten Grund und Boden zu erwerben.
Sie kauften nicht nur Besitzungen in der Stadt, sondern auch vor deu Thoren,
obgleich die neuen Eigenthümer in den meisten Fällen nicht einmal ihre durch
Kauf erworbenen Felder zu besuchen wagen durften. Erst als Abd-et-Kader'S zweite
Schilderhebnng mit seiner Niederlage geendigt, als Mascara und Tlemcen ein-
genommen worden, wurde durch deu moralischen Eindruck des Siegs der franzö¬
sischen Waffen eine größere Sicherheit in der Umgebung von Algier hergestellt,
die benachbarten Stämme unterwarfen sich, und die Regierung konnte hier 14
neue Landgemeinden gründen. Einige Privatbesitzer, wie der Fürst Mir, Herr
de Gnilhem, und drei oder vier andere wagten sich sogar über die Linie der
französischen Vorposten hinaus, und ließen sich mitten in der Ebene nieder. Aber
diese geringe Ausdehnung der Kolonisation beschränkte sich lediglich ans die Provinz
Algier, denn in Bona, dessen Bewohner sich stets ruhiger gezeigt haben, als die
der übrigen beiden Provinzen, war den Europäern der Ankauf von Grundstücken
von Eingeborenen fast unbedingt untersagt. Die militärische Besetzung wurde
zwar auf La Calle, wichtig wegen seiner Korallenfischerei, seiner Korkernten und
seines Bergbaus, und Guelma ausgedehnt, die Colonisation zog aber keinen
Nutzen davon.

Der Vertrag an der Tafua mit Abd-el-Kader war ein politischer Fehler, denn
er schwächte das dnrch den mißlungenen Zug nach Constantine ohnedies schon
benachtheiligte Ansehn der französischen Waffen, gab dem Emir in den Augen
der Eingeborenen den Ruf eines unüberwindlichen Gegners der Franzosen, und
ließ ihm Zeit, durch List und Umtriebe eine sast ausschließliche Herrschaft über
das ganze arabische Laud zu begründen, die er bei der ersten günstigen Gelegen¬
heit gegen die Franzosen wendete. Der einzige Vortheil, den die letzteren von
dem Vertrag hatten, war, daß sie ihre freigewordenen Kräfte gegen Constantine
wenden konnten, welches anch am 13. Oct. -1837 in ihre Hände fiel. Die neue
Eroberung wurde jedoch nicht in dem Maße zu der Consolidirung der französischen
Herrschaft durch eine energische Ausdehnung der Kolonisation verwendet, wie man
hätte erwarten sollen. Man befolgte eine eben so falsche und noch exclusivere
Politik als in Bona. Man beschränkte sich nicht blos darauf, deu Europäern
den Ankauf von Grundstücken von den Eingeborenen zu untersagen, mau verbot
ihnen sogar, sich in der Stadt niederzulassen, so daß die Araber glauben
mußten, die Franzosen wollten bei ihnen blos ein vorübergehendes Lager auf¬
schlage", und daß die Fortschritte des Ackerbaus, der Industrie und des Handels,
also die wahren "ud soliden Fortschritte, die allein einen ernsthaften und dauern¬
den Einfluß ans die Zukunft haben, allein die Hilfsquellen Algeriens zur Ent-


eine Ausdehnung von 34 Hcctareu hat, gegründet. Die Prwatbetheilignng war
noch gering. In Algier war der Zufluß von Einwanderern noch am größten.
Sie bestanden nicht blos aus Gewerbs- und Handelsleuten, wie sie stets Armeen
folgen, soudern die neuen Ankömmlinge suchten Grund und Boden zu erwerben.
Sie kauften nicht nur Besitzungen in der Stadt, sondern auch vor deu Thoren,
obgleich die neuen Eigenthümer in den meisten Fällen nicht einmal ihre durch
Kauf erworbenen Felder zu besuchen wagen durften. Erst als Abd-et-Kader'S zweite
Schilderhebnng mit seiner Niederlage geendigt, als Mascara und Tlemcen ein-
genommen worden, wurde durch deu moralischen Eindruck des Siegs der franzö¬
sischen Waffen eine größere Sicherheit in der Umgebung von Algier hergestellt,
die benachbarten Stämme unterwarfen sich, und die Regierung konnte hier 14
neue Landgemeinden gründen. Einige Privatbesitzer, wie der Fürst Mir, Herr
de Gnilhem, und drei oder vier andere wagten sich sogar über die Linie der
französischen Vorposten hinaus, und ließen sich mitten in der Ebene nieder. Aber
diese geringe Ausdehnung der Kolonisation beschränkte sich lediglich ans die Provinz
Algier, denn in Bona, dessen Bewohner sich stets ruhiger gezeigt haben, als die
der übrigen beiden Provinzen, war den Europäern der Ankauf von Grundstücken
von Eingeborenen fast unbedingt untersagt. Die militärische Besetzung wurde
zwar auf La Calle, wichtig wegen seiner Korallenfischerei, seiner Korkernten und
seines Bergbaus, und Guelma ausgedehnt, die Colonisation zog aber keinen
Nutzen davon.

Der Vertrag an der Tafua mit Abd-el-Kader war ein politischer Fehler, denn
er schwächte das dnrch den mißlungenen Zug nach Constantine ohnedies schon
benachtheiligte Ansehn der französischen Waffen, gab dem Emir in den Augen
der Eingeborenen den Ruf eines unüberwindlichen Gegners der Franzosen, und
ließ ihm Zeit, durch List und Umtriebe eine sast ausschließliche Herrschaft über
das ganze arabische Laud zu begründen, die er bei der ersten günstigen Gelegen¬
heit gegen die Franzosen wendete. Der einzige Vortheil, den die letzteren von
dem Vertrag hatten, war, daß sie ihre freigewordenen Kräfte gegen Constantine
wenden konnten, welches anch am 13. Oct. -1837 in ihre Hände fiel. Die neue
Eroberung wurde jedoch nicht in dem Maße zu der Consolidirung der französischen
Herrschaft durch eine energische Ausdehnung der Kolonisation verwendet, wie man
hätte erwarten sollen. Man befolgte eine eben so falsche und noch exclusivere
Politik als in Bona. Man beschränkte sich nicht blos darauf, deu Europäern
den Ankauf von Grundstücken von den Eingeborenen zu untersagen, mau verbot
ihnen sogar, sich in der Stadt niederzulassen, so daß die Araber glauben
mußten, die Franzosen wollten bei ihnen blos ein vorübergehendes Lager auf¬
schlage», und daß die Fortschritte des Ackerbaus, der Industrie und des Handels,
also die wahren »ud soliden Fortschritte, die allein einen ernsthaften und dauern¬
den Einfluß ans die Zukunft haben, allein die Hilfsquellen Algeriens zur Ent-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875/135>, abgerufen am 24.07.2024.