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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band.

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der gefallenen Macht zu theile", theils ihre Herrschaft auf die des gestürzten
Dey's zu setzen. Die Milizen, durch deren Hilfe der Letztere die Steuern ein¬
gesammelt und die Bevölkerung in Gehorsam gehalten hatte, lagen mit den
arabischen Stämme", oder unter einander im Streit. Rund um Algier wurde" die
Güter zerstört, die Garde" verwüstet, die Lnsthänser geplündert und angezündet.
Die Pächter der Meditschah zahlten nicht mehr ihre" Pacht a" die i" der Stadt
wohnenden Eigenthümer; die Dvmanialbesitze wurden von Unberechtigten i" Besitz
genommen oder verheert. Die ganze Regentschaft war ein Schauplatz täglicher
Räubereien und Gewaltthaten.

Das erste und das zweite Jahr der Eroberung vergingen fast ganz in einem
Scharmützelkrieg ohne sichtbare Resultate. Die Politik der Regierung in Bezug
auf Algerien bewegte sich in beständigen Schwankungen und Widersprüchen, als be¬
trachte sie ihre Eroberung als eine Bürde, von deren Erbschaft man sich nicht
offen loszusagen wagt, die man aber doch sehr gern losgewcscn wäre. Zu schwach
an Zahl für das ausgedehnte Terrain konnte die französische Armee nirgend ein
entscheidendes Uebergewicht erlangen, und nach einem dreijährigen kleinen, aber
von unverhältnißmäßigen Verlusten begleiteten Kriege erstreckte sich die Herrschaft
der Franzosen nur auf die Stadt Algier und seine Bannmeile, aus Orau, Mv-
staganem und Arzew mit ihren Umgebungen von wenig Kilometern, auf Bona und
Bndschia, wo die Autorität der Franzosen unmittelbar vor den Thoren aufhörte.

Erst nach dem ersten Frieden mit Abd-el-Kader (am 26. Febr. 1834) nahmen die
Dinge eine festere Gestalt an. Zwar gestattete derselbe dem Emir seine Autorität
auszudehnen und neue Widcvstandsmittel vorzubereiten, aber er erleichterte auch den
Franzosen den Zutritt in das Jnnere, und erlaubte ihnen während der vorübergehen¬
den Ruhe ihre Herrschaft auf den bereits besetzten Punkten zu befestigen. Zu gleicher
Zeit machte die Ordonnanz vom 22. Juli, welche der Cvlvnialverwaltnng andere
Grundlage" "ut dem eroberten Lande den Namen: Französische Besitzungen im
nördliche" Afrika gab, der Ungewißheit ein Ende, ob die Regentschaft unter
Frankreichs Herrschaft bleiben würde oder nicht. Auch eine Jnstizorganisativn
erhielt das Laud.

Das erste äußere Merkmal eines gesicherter" Zustandes waren ausgedehnte
Bauten, die der Staat in Folge der militärischen Besetzung unternahm, und die
in Straßen, Kasernen, Hospitälern, Magazinen, Befestigungen :c. bestanden, so
wie in verschiedenen Gebäuden zum Gebrauche der Civilverwaltnng. Auch begann
nun die Entwässerung der Moräste in der Umgebung von Bona, in der Mctid-
schah nud etwas später die Trockenlegung der Sümpfe bei Bvnffarik, Bndschia
und Philippcville. Für die eigentliche Colonisation, für die Bewirthschaftung
des Bodens, geschah wenig, doch wurde der AkklimatisiruugSgartcu, wo sich die
Colonisten die sür den Boden und das Klima Algeriens am besten geeigneten
Pflanzen und Bäume zu einem mäßigen Preise verschaffen können, und der jetzt


der gefallenen Macht zu theile», theils ihre Herrschaft auf die des gestürzten
Dey's zu setzen. Die Milizen, durch deren Hilfe der Letztere die Steuern ein¬
gesammelt und die Bevölkerung in Gehorsam gehalten hatte, lagen mit den
arabischen Stämme», oder unter einander im Streit. Rund um Algier wurde» die
Güter zerstört, die Garde» verwüstet, die Lnsthänser geplündert und angezündet.
Die Pächter der Meditschah zahlten nicht mehr ihre» Pacht a» die i» der Stadt
wohnenden Eigenthümer; die Dvmanialbesitze wurden von Unberechtigten i» Besitz
genommen oder verheert. Die ganze Regentschaft war ein Schauplatz täglicher
Räubereien und Gewaltthaten.

Das erste und das zweite Jahr der Eroberung vergingen fast ganz in einem
Scharmützelkrieg ohne sichtbare Resultate. Die Politik der Regierung in Bezug
auf Algerien bewegte sich in beständigen Schwankungen und Widersprüchen, als be¬
trachte sie ihre Eroberung als eine Bürde, von deren Erbschaft man sich nicht
offen loszusagen wagt, die man aber doch sehr gern losgewcscn wäre. Zu schwach
an Zahl für das ausgedehnte Terrain konnte die französische Armee nirgend ein
entscheidendes Uebergewicht erlangen, und nach einem dreijährigen kleinen, aber
von unverhältnißmäßigen Verlusten begleiteten Kriege erstreckte sich die Herrschaft
der Franzosen nur auf die Stadt Algier und seine Bannmeile, aus Orau, Mv-
staganem und Arzew mit ihren Umgebungen von wenig Kilometern, auf Bona und
Bndschia, wo die Autorität der Franzosen unmittelbar vor den Thoren aufhörte.

Erst nach dem ersten Frieden mit Abd-el-Kader (am 26. Febr. 1834) nahmen die
Dinge eine festere Gestalt an. Zwar gestattete derselbe dem Emir seine Autorität
auszudehnen und neue Widcvstandsmittel vorzubereiten, aber er erleichterte auch den
Franzosen den Zutritt in das Jnnere, und erlaubte ihnen während der vorübergehen¬
den Ruhe ihre Herrschaft auf den bereits besetzten Punkten zu befestigen. Zu gleicher
Zeit machte die Ordonnanz vom 22. Juli, welche der Cvlvnialverwaltnng andere
Grundlage» »ut dem eroberten Lande den Namen: Französische Besitzungen im
nördliche» Afrika gab, der Ungewißheit ein Ende, ob die Regentschaft unter
Frankreichs Herrschaft bleiben würde oder nicht. Auch eine Jnstizorganisativn
erhielt das Laud.

Das erste äußere Merkmal eines gesicherter» Zustandes waren ausgedehnte
Bauten, die der Staat in Folge der militärischen Besetzung unternahm, und die
in Straßen, Kasernen, Hospitälern, Magazinen, Befestigungen :c. bestanden, so
wie in verschiedenen Gebäuden zum Gebrauche der Civilverwaltnng. Auch begann
nun die Entwässerung der Moräste in der Umgebung von Bona, in der Mctid-
schah nud etwas später die Trockenlegung der Sümpfe bei Bvnffarik, Bndschia
und Philippcville. Für die eigentliche Colonisation, für die Bewirthschaftung
des Bodens, geschah wenig, doch wurde der AkklimatisiruugSgartcu, wo sich die
Colonisten die sür den Boden und das Klima Algeriens am besten geeigneten
Pflanzen und Bäume zu einem mäßigen Preise verschaffen können, und der jetzt


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[0134] der gefallenen Macht zu theile», theils ihre Herrschaft auf die des gestürzten Dey's zu setzen. Die Milizen, durch deren Hilfe der Letztere die Steuern ein¬ gesammelt und die Bevölkerung in Gehorsam gehalten hatte, lagen mit den arabischen Stämme», oder unter einander im Streit. Rund um Algier wurde» die Güter zerstört, die Garde» verwüstet, die Lnsthänser geplündert und angezündet. Die Pächter der Meditschah zahlten nicht mehr ihre» Pacht a» die i» der Stadt wohnenden Eigenthümer; die Dvmanialbesitze wurden von Unberechtigten i» Besitz genommen oder verheert. Die ganze Regentschaft war ein Schauplatz täglicher Räubereien und Gewaltthaten. Das erste und das zweite Jahr der Eroberung vergingen fast ganz in einem Scharmützelkrieg ohne sichtbare Resultate. Die Politik der Regierung in Bezug auf Algerien bewegte sich in beständigen Schwankungen und Widersprüchen, als be¬ trachte sie ihre Eroberung als eine Bürde, von deren Erbschaft man sich nicht offen loszusagen wagt, die man aber doch sehr gern losgewcscn wäre. Zu schwach an Zahl für das ausgedehnte Terrain konnte die französische Armee nirgend ein entscheidendes Uebergewicht erlangen, und nach einem dreijährigen kleinen, aber von unverhältnißmäßigen Verlusten begleiteten Kriege erstreckte sich die Herrschaft der Franzosen nur auf die Stadt Algier und seine Bannmeile, aus Orau, Mv- staganem und Arzew mit ihren Umgebungen von wenig Kilometern, auf Bona und Bndschia, wo die Autorität der Franzosen unmittelbar vor den Thoren aufhörte. Erst nach dem ersten Frieden mit Abd-el-Kader (am 26. Febr. 1834) nahmen die Dinge eine festere Gestalt an. Zwar gestattete derselbe dem Emir seine Autorität auszudehnen und neue Widcvstandsmittel vorzubereiten, aber er erleichterte auch den Franzosen den Zutritt in das Jnnere, und erlaubte ihnen während der vorübergehen¬ den Ruhe ihre Herrschaft auf den bereits besetzten Punkten zu befestigen. Zu gleicher Zeit machte die Ordonnanz vom 22. Juli, welche der Cvlvnialverwaltnng andere Grundlage» »ut dem eroberten Lande den Namen: Französische Besitzungen im nördliche» Afrika gab, der Ungewißheit ein Ende, ob die Regentschaft unter Frankreichs Herrschaft bleiben würde oder nicht. Auch eine Jnstizorganisativn erhielt das Laud. Das erste äußere Merkmal eines gesicherter» Zustandes waren ausgedehnte Bauten, die der Staat in Folge der militärischen Besetzung unternahm, und die in Straßen, Kasernen, Hospitälern, Magazinen, Befestigungen :c. bestanden, so wie in verschiedenen Gebäuden zum Gebrauche der Civilverwaltnng. Auch begann nun die Entwässerung der Moräste in der Umgebung von Bona, in der Mctid- schah nud etwas später die Trockenlegung der Sümpfe bei Bvnffarik, Bndschia und Philippcville. Für die eigentliche Colonisation, für die Bewirthschaftung des Bodens, geschah wenig, doch wurde der AkklimatisiruugSgartcu, wo sich die Colonisten die sür den Boden und das Klima Algeriens am besten geeigneten Pflanzen und Bäume zu einem mäßigen Preise verschaffen können, und der jetzt

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875/134>, abgerufen am 24.07.2024.