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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band.

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wenig, weder Gutes noch Böses, im Ganzen scheint mir der König, welcher per¬
sönlich sehr gutherzig, höflich, zuverlässig genannt wird, trotz seiner deutschen Ab¬
kunft mehr beliebt zu sein, als die etwas stolze zurückhaltende Königin. Großen
politischen Einfluß hat auch der König nicht, und mit warmer Theilnahme hörte
ich die Erzählungen der Fremden über die Schwierigkeiten seiner Stellung. Der
gute Herr hat zuletzt doch kein glückliches Loos. Als Symptom, wie arg hier
die finanzielle Zerrüttung sei, wurde mir erzählt, daß ein englisches Hans dem
König uur auf dessen persönlichen Wechsel erst kurz vor meiner Ankunft 4000
Pfund Sterling geliehen, damit die nothwendigen laufenden Ausgaben der Hof¬
haltung bezahlt werden könnten. Seitdem ist der König allerdings Erbe seines
Vaters geworden, und sein persönlicher Reichthum wird mehr als seine vortreff¬
lichen Eigenschaften den Portugiesen imponiren. Besonders der jetzt verbannte,
früher allmächtige "Costa Cabral" Graf von Se. Thomas, wurde allgemein als
der Fluch des Landes bezeichnet.

Unser Mittagsmahl in Cintra nahmen wir bei der Familie eines englischen
Obersten ein, die daselbst wohnte, Verwandte eines Reisegefährten, die so freund¬
lich gewesen waren, mich einzuladen. Die Quinta, welche der Oberst ans zwei
Jahre gemiethet hatte, war zwar nur ein kleines, aber reizend gelegenes Gebäude.
Englischer Comfort einte sich hier mit der ganzen Fülle und Ueppigkeit südlicher
Vegetation. Wir dinirten nach englischer Weise, unter einem Sonnendach,
das von einem großen Citronenbaum getragen wurde, dazu die Aussicht auf das
unendliche Meer, angenehme Gesellschaft und ein treffliches Mahl, was kann der
Mensch mehr verlangen! Ich erinnere mich nicht, jemals anmuthiger gespeist zu
haben, obgleich meine Tischnachbarin, eine blauäugige, blondhaarige Jrländerin
eben so unvollkommen Französisch sprach, wie ich Englisch, so daß unsre Konver¬
sation alle Augenblicke in's Stocken gerieth, bis wir einander lachend zu helfen
suchten.

Nach Tische machten wir auf großen, muntern Eseln -- gegen deutsche Esel
gehalten, waren es höchst feurige, phantastische Esel -- die in Portugal häufig
zum Reiten benutzt werden, noch einen Spazierritt auf die Berge. So besuchten
wir auch eine große Quinta des Marquis Saldauha, die eine bezaubernde Lage
hatte. Der sehr große, weitläufige Garten mit riesigen Waldungen von Citronen-
bäumcn sah aber wieder recht verwahrlost aus. Unter den Leuten dieser Quinta
traf ich auch einen alten Deutschen, der 1809 mit der englisch-deutschen Legion
nach Portugal gekommen war und sich als Schmied daselbst niedergelassen hatte.
Der Mann, aus dem Harz gebürtig, konnte aber kaum noch etwas Deutsch sprechen
und war Portugiese in Sitte und Lebensgewohnheit geworden. Seine Frau war eine
Portugiesin, sein Sohn, der kein Wort Deutsch verstand, sah sehr portugiesisch
-- oder vielmehr, Deutsch gesagt, ruppig aus, ein Enkelkind aber, ein Bube von
3--6 Jahren, der fast nackt herumlief, hatte die blauen Augen und blonden Haare


wenig, weder Gutes noch Böses, im Ganzen scheint mir der König, welcher per¬
sönlich sehr gutherzig, höflich, zuverlässig genannt wird, trotz seiner deutschen Ab¬
kunft mehr beliebt zu sein, als die etwas stolze zurückhaltende Königin. Großen
politischen Einfluß hat auch der König nicht, und mit warmer Theilnahme hörte
ich die Erzählungen der Fremden über die Schwierigkeiten seiner Stellung. Der
gute Herr hat zuletzt doch kein glückliches Loos. Als Symptom, wie arg hier
die finanzielle Zerrüttung sei, wurde mir erzählt, daß ein englisches Hans dem
König uur auf dessen persönlichen Wechsel erst kurz vor meiner Ankunft 4000
Pfund Sterling geliehen, damit die nothwendigen laufenden Ausgaben der Hof¬
haltung bezahlt werden könnten. Seitdem ist der König allerdings Erbe seines
Vaters geworden, und sein persönlicher Reichthum wird mehr als seine vortreff¬
lichen Eigenschaften den Portugiesen imponiren. Besonders der jetzt verbannte,
früher allmächtige „Costa Cabral" Graf von Se. Thomas, wurde allgemein als
der Fluch des Landes bezeichnet.

Unser Mittagsmahl in Cintra nahmen wir bei der Familie eines englischen
Obersten ein, die daselbst wohnte, Verwandte eines Reisegefährten, die so freund¬
lich gewesen waren, mich einzuladen. Die Quinta, welche der Oberst ans zwei
Jahre gemiethet hatte, war zwar nur ein kleines, aber reizend gelegenes Gebäude.
Englischer Comfort einte sich hier mit der ganzen Fülle und Ueppigkeit südlicher
Vegetation. Wir dinirten nach englischer Weise, unter einem Sonnendach,
das von einem großen Citronenbaum getragen wurde, dazu die Aussicht auf das
unendliche Meer, angenehme Gesellschaft und ein treffliches Mahl, was kann der
Mensch mehr verlangen! Ich erinnere mich nicht, jemals anmuthiger gespeist zu
haben, obgleich meine Tischnachbarin, eine blauäugige, blondhaarige Jrländerin
eben so unvollkommen Französisch sprach, wie ich Englisch, so daß unsre Konver¬
sation alle Augenblicke in's Stocken gerieth, bis wir einander lachend zu helfen
suchten.

Nach Tische machten wir auf großen, muntern Eseln — gegen deutsche Esel
gehalten, waren es höchst feurige, phantastische Esel — die in Portugal häufig
zum Reiten benutzt werden, noch einen Spazierritt auf die Berge. So besuchten
wir auch eine große Quinta des Marquis Saldauha, die eine bezaubernde Lage
hatte. Der sehr große, weitläufige Garten mit riesigen Waldungen von Citronen-
bäumcn sah aber wieder recht verwahrlost aus. Unter den Leuten dieser Quinta
traf ich auch einen alten Deutschen, der 1809 mit der englisch-deutschen Legion
nach Portugal gekommen war und sich als Schmied daselbst niedergelassen hatte.
Der Mann, aus dem Harz gebürtig, konnte aber kaum noch etwas Deutsch sprechen
und war Portugiese in Sitte und Lebensgewohnheit geworden. Seine Frau war eine
Portugiesin, sein Sohn, der kein Wort Deutsch verstand, sah sehr portugiesisch
— oder vielmehr, Deutsch gesagt, ruppig aus, ein Enkelkind aber, ein Bube von
3—6 Jahren, der fast nackt herumlief, hatte die blauen Augen und blonden Haare


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[0101] wenig, weder Gutes noch Böses, im Ganzen scheint mir der König, welcher per¬ sönlich sehr gutherzig, höflich, zuverlässig genannt wird, trotz seiner deutschen Ab¬ kunft mehr beliebt zu sein, als die etwas stolze zurückhaltende Königin. Großen politischen Einfluß hat auch der König nicht, und mit warmer Theilnahme hörte ich die Erzählungen der Fremden über die Schwierigkeiten seiner Stellung. Der gute Herr hat zuletzt doch kein glückliches Loos. Als Symptom, wie arg hier die finanzielle Zerrüttung sei, wurde mir erzählt, daß ein englisches Hans dem König uur auf dessen persönlichen Wechsel erst kurz vor meiner Ankunft 4000 Pfund Sterling geliehen, damit die nothwendigen laufenden Ausgaben der Hof¬ haltung bezahlt werden könnten. Seitdem ist der König allerdings Erbe seines Vaters geworden, und sein persönlicher Reichthum wird mehr als seine vortreff¬ lichen Eigenschaften den Portugiesen imponiren. Besonders der jetzt verbannte, früher allmächtige „Costa Cabral" Graf von Se. Thomas, wurde allgemein als der Fluch des Landes bezeichnet. Unser Mittagsmahl in Cintra nahmen wir bei der Familie eines englischen Obersten ein, die daselbst wohnte, Verwandte eines Reisegefährten, die so freund¬ lich gewesen waren, mich einzuladen. Die Quinta, welche der Oberst ans zwei Jahre gemiethet hatte, war zwar nur ein kleines, aber reizend gelegenes Gebäude. Englischer Comfort einte sich hier mit der ganzen Fülle und Ueppigkeit südlicher Vegetation. Wir dinirten nach englischer Weise, unter einem Sonnendach, das von einem großen Citronenbaum getragen wurde, dazu die Aussicht auf das unendliche Meer, angenehme Gesellschaft und ein treffliches Mahl, was kann der Mensch mehr verlangen! Ich erinnere mich nicht, jemals anmuthiger gespeist zu haben, obgleich meine Tischnachbarin, eine blauäugige, blondhaarige Jrländerin eben so unvollkommen Französisch sprach, wie ich Englisch, so daß unsre Konver¬ sation alle Augenblicke in's Stocken gerieth, bis wir einander lachend zu helfen suchten. Nach Tische machten wir auf großen, muntern Eseln — gegen deutsche Esel gehalten, waren es höchst feurige, phantastische Esel — die in Portugal häufig zum Reiten benutzt werden, noch einen Spazierritt auf die Berge. So besuchten wir auch eine große Quinta des Marquis Saldauha, die eine bezaubernde Lage hatte. Der sehr große, weitläufige Garten mit riesigen Waldungen von Citronen- bäumcn sah aber wieder recht verwahrlost aus. Unter den Leuten dieser Quinta traf ich auch einen alten Deutschen, der 1809 mit der englisch-deutschen Legion nach Portugal gekommen war und sich als Schmied daselbst niedergelassen hatte. Der Mann, aus dem Harz gebürtig, konnte aber kaum noch etwas Deutsch sprechen und war Portugiese in Sitte und Lebensgewohnheit geworden. Seine Frau war eine Portugiesin, sein Sohn, der kein Wort Deutsch verstand, sah sehr portugiesisch — oder vielmehr, Deutsch gesagt, ruppig aus, ein Enkelkind aber, ein Bube von 3—6 Jahren, der fast nackt herumlief, hatte die blauen Augen und blonden Haare

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875/101>, abgerufen am 28.12.2024.