Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band.ob eine Besitzung von Engländern oder Portugiesen bewohnt wird. Bei Ersteren Das Schloß von Cintra, in dem die königliche Familie sich während ob eine Besitzung von Engländern oder Portugiesen bewohnt wird. Bei Ersteren Das Schloß von Cintra, in dem die königliche Familie sich während <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0100" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/185976"/> <p xml:id="ID_274" prev="#ID_273"> ob eine Besitzung von Engländern oder Portugiesen bewohnt wird. Bei Ersteren<lb/> Ordnung und Reinlichkeit in der ganzen Umgebung, alle Wege der Gärten von<lb/> Unkraut gesäubert, die Bäume in ihrem Wachsthum geregelt, die Staketen oder<lb/> Mauern in gutem Stand gehalten; bei den Portugiesen hingegen trotz aller Pracht<lb/> Unordnung und Verfall, wohin das Auge um . sieht. Die Gitterthore eines Parks<lb/> zeigen vielleicht in kunstvoller Arbeit ein reich vergoldetes HerzogSwappcn, aber<lb/> daneben klafft eine breite Lücke in der dem Einsturz nahen Mauer, das Bassin<lb/> der Fontaine im Garten ist vom schönsten Marmor, Alles aber mit grauem Moose<lb/> und Wucherpflanzen dicht überzogen, da nie eine reinigende Hand sich zeigt,<lb/> schöne Marmorsäule» tragen den Balkon des Hauses, aber zerbrochene Fenster¬<lb/> scheiben daneben sind mit altem Papier verklebt, und so fort; nur selten ein har¬<lb/> monisches Ganze, fast nirgend Fleiß, Sorgfalt und Sauberkeit, Dinge, die den<lb/> Meisten in Portugal kaum dem Namen nach bekannt scheinen. So hielt vor<lb/> einer dieser „Qnintas," einem großartigen Gebände, eine sehr elegante Equipage,<lb/> in die eine vornehme Dame stieg. Der Wagen, mit einer geschlossenen Krone<lb/> darauf, war vou der besten englischen Arbeit, aber seit Wochen nicht mehr ab-<lb/> gewaschen, das Geschirr der schönen andalusischen Hengste reich mit — vielleicht<lb/> gediegenem — Silber beschlagen, aber so unordentlich gehalten, daß statt der<lb/> verdorbenen Schnallen das Riemenzeug an mehreren Stellen mit gewöhnlichem<lb/> Bindfaden zngebändclt war, der Kutscher trug eine vou breiten Goldborten star¬<lb/> rende Livree, aber aus einem Loche am Ellenbogen schaute naiv ein überaus<lb/> schmuziges Hemd hervor, und eben so schmuzig sahen die beiden Lakaien trotz<lb/> ihren kurze», gelben Kniehosen und gclbbeblechten Fracks ans. Eine solche Equi¬<lb/> page wäre i» England, Frankreich, Deutschland unmöglich. Ich habe, seitdem<lb/> ich in Lissabon war, den Italienern oft im Stillen Abbitte gethan, daß ich sie<lb/> bisher für die schmuzigste und unordentlichste aller civilisirten Nationen in Europa<lb/> gehalten.</p><lb/> <p xml:id="ID_275" next="#ID_276"> Das Schloß von Cintra, in dem die königliche Familie sich während<lb/> der Sommermonate größtentheils aufhält, ist ein ziemlich großes, sehr<lb/> alterthümliches Gebäude mit einigen hohen, häßlichen Thürmen. Die in¬<lb/> neren Theile des Schloßes, die wir beschallten, sahen sehr einfach, und<lb/> etwas verwahrlost aus. Daß das hübsche Buch des Herrn von Malortie in<lb/> Hannover: „Ueber die Kunst eine Hofhaltung zu führen" von seine»! Collegen<lb/> in Lissabon noch nicht benntzr ward, merkte man an dem unordentlichen Anzug der<lb/> sich müssig umhertreibenden Lakaien und anderer Hofbedienten und dem wüste»<lb/> Aussehen der Schloßhofe, Gänge u. s. w. Nur durch einen guten Marstall, der<lb/> sehr edle englische, spanische und maurische Rosse enthält, soll der königliche Hof<lb/> in Portugal jetzt noch Luxus treiben, sonst aber ungemci» einfach leben, obgleich<lb/> er einen Schwarm von hohen und niederen Hosbeamte» aller Art um sich hat.<lb/> Von der Königin und ihrem Gemahl dem König, spricht man i» Portugal sehr</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0100]
ob eine Besitzung von Engländern oder Portugiesen bewohnt wird. Bei Ersteren
Ordnung und Reinlichkeit in der ganzen Umgebung, alle Wege der Gärten von
Unkraut gesäubert, die Bäume in ihrem Wachsthum geregelt, die Staketen oder
Mauern in gutem Stand gehalten; bei den Portugiesen hingegen trotz aller Pracht
Unordnung und Verfall, wohin das Auge um . sieht. Die Gitterthore eines Parks
zeigen vielleicht in kunstvoller Arbeit ein reich vergoldetes HerzogSwappcn, aber
daneben klafft eine breite Lücke in der dem Einsturz nahen Mauer, das Bassin
der Fontaine im Garten ist vom schönsten Marmor, Alles aber mit grauem Moose
und Wucherpflanzen dicht überzogen, da nie eine reinigende Hand sich zeigt,
schöne Marmorsäule» tragen den Balkon des Hauses, aber zerbrochene Fenster¬
scheiben daneben sind mit altem Papier verklebt, und so fort; nur selten ein har¬
monisches Ganze, fast nirgend Fleiß, Sorgfalt und Sauberkeit, Dinge, die den
Meisten in Portugal kaum dem Namen nach bekannt scheinen. So hielt vor
einer dieser „Qnintas," einem großartigen Gebände, eine sehr elegante Equipage,
in die eine vornehme Dame stieg. Der Wagen, mit einer geschlossenen Krone
darauf, war vou der besten englischen Arbeit, aber seit Wochen nicht mehr ab-
gewaschen, das Geschirr der schönen andalusischen Hengste reich mit — vielleicht
gediegenem — Silber beschlagen, aber so unordentlich gehalten, daß statt der
verdorbenen Schnallen das Riemenzeug an mehreren Stellen mit gewöhnlichem
Bindfaden zngebändclt war, der Kutscher trug eine vou breiten Goldborten star¬
rende Livree, aber aus einem Loche am Ellenbogen schaute naiv ein überaus
schmuziges Hemd hervor, und eben so schmuzig sahen die beiden Lakaien trotz
ihren kurze», gelben Kniehosen und gclbbeblechten Fracks ans. Eine solche Equi¬
page wäre i» England, Frankreich, Deutschland unmöglich. Ich habe, seitdem
ich in Lissabon war, den Italienern oft im Stillen Abbitte gethan, daß ich sie
bisher für die schmuzigste und unordentlichste aller civilisirten Nationen in Europa
gehalten.
Das Schloß von Cintra, in dem die königliche Familie sich während
der Sommermonate größtentheils aufhält, ist ein ziemlich großes, sehr
alterthümliches Gebäude mit einigen hohen, häßlichen Thürmen. Die in¬
neren Theile des Schloßes, die wir beschallten, sahen sehr einfach, und
etwas verwahrlost aus. Daß das hübsche Buch des Herrn von Malortie in
Hannover: „Ueber die Kunst eine Hofhaltung zu führen" von seine»! Collegen
in Lissabon noch nicht benntzr ward, merkte man an dem unordentlichen Anzug der
sich müssig umhertreibenden Lakaien und anderer Hofbedienten und dem wüste»
Aussehen der Schloßhofe, Gänge u. s. w. Nur durch einen guten Marstall, der
sehr edle englische, spanische und maurische Rosse enthält, soll der königliche Hof
in Portugal jetzt noch Luxus treiben, sonst aber ungemci» einfach leben, obgleich
er einen Schwarm von hohen und niederen Hosbeamte» aller Art um sich hat.
Von der Königin und ihrem Gemahl dem König, spricht man i» Portugal sehr
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