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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band.

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des Großvaters und eine trotzige, echt germanische Gesichtsbildung. Die große
Höflichkeit und Gutmüthigkeit der Portugiesen gegen Fremde, habe ich bei dem
Besuch dieser und noch einiger anderer Quinta's wieder bewundert. Alle, selbst
die Verwalter sprachen nur mit abgezogenem Hute und leisteten bereitwillig jede
nnr mögliche Gefälligkeit, ohne eine Belohnung dafür zu erwarten. Diese allgemeine
Dienstfertigkeit und herzliche Artigkeit aller Staude kauu mit manchen anderen
Uebelständen hier aussöhnen.

In der hellen Mondnacht fuhren wir nach Lissabon zurück. Warm und
linde war die Luft und ein süßes Aroma strömte aus den vielen blühenden Bäu¬
men und Sträuchern, an denen der Weg vorbeiführte. Der Zauber eines südlichen
Himmels umgab uns. Wiederholt begegneten wir unterwegs Patrouillen der Lissa¬
bons Muuicipalgarde, hübsche stattliche Leute vou militärischem Ansehen. Die
Unsicherheit in Cintra und ans dem Wege von Lissabon war nämlich so groß ge¬
worden, daß auf die Klagen mehrerer fremden Gesandten, die dort ihren Sommer-
aufenthalt haben, die Negierung sich endlich ganz gegen ihre Gewohnheit entschloß,
einige Schritte dagegen zu thun. Da es in ganz Portugal weder Gendarmen, noch
eine irgendwie geachtete Justiz giebt, so gehören Raub- und Mordanfällc dort zu
den gewöhnlichsten Dingen, die als lästige, aber unvermeidliche Uebelstände er¬
tragen werden. Nur in Lissabon und der Umgegend, wo der Hof sich häufig
aufhält und viele Fremde wohnen, besteht eine Muuicipalgarde, die recht thätig
sein soll, sonst haben die Verbrecher im ganzen übrigen Lande so ziemlich freies
Spiel. Ueber die allgemeine Käuflichkeit der Justiz hörte ich von Allen, die schon
länger im Königreich waren, nnr eine Stimme. Wer am meisten Geld zahlt, soll
sicher sein, zu gewinnen.

Einen doppelt unangenehmen Eindruck machte es, als wir aus der schönen
freien Natur mit ihren würzigen Blüthendüften, wieder in die übelriechenden Gassen
der Stadt einfuhren. Die Hausbewohner benutzen die Stille der Nacht, um
alles Entbehrliche ans Thür und Fenster auf die Straße zu schütten und zu
gießen. Ganze Rudel der halb verhungerten Hunde heulten und bellten und
machten sich die Beute aus den Unralhhanfcn mit wildem Gekläff streitig.

Da unser Dämpfer mit der Morgendämmerung abging, so blieb uns nur so
viel Zeit im Hotel, Thee zu trinken, dann ging es fort nach dem Hafen.

Auf der t'eaea, 6us Uamul!,u'W sahen wir eine Militärpatrouille einen
Menschen, der so eben in der Wuth einen Mord begangen hatte, verhaften. Es
war ein wildes, wüstes Bild, wohl für den Abschied aus dieser Stadt geeignet.
Das bleiche Licht des Mondes schien auf einen Hause" von schmuzigen, diebischen
Gesindel, wie es bei Nacht in den Straßen Lissabons hernmluugert. Es hatte sich
um den Mörder, der erst nach vielem Widerstand verhaftet ward, versammelt.
Wäre nicht die Furcht vor den Bayonnctten der Soldaten gewesen, es hätte den


des Großvaters und eine trotzige, echt germanische Gesichtsbildung. Die große
Höflichkeit und Gutmüthigkeit der Portugiesen gegen Fremde, habe ich bei dem
Besuch dieser und noch einiger anderer Quinta's wieder bewundert. Alle, selbst
die Verwalter sprachen nur mit abgezogenem Hute und leisteten bereitwillig jede
nnr mögliche Gefälligkeit, ohne eine Belohnung dafür zu erwarten. Diese allgemeine
Dienstfertigkeit und herzliche Artigkeit aller Staude kauu mit manchen anderen
Uebelständen hier aussöhnen.

In der hellen Mondnacht fuhren wir nach Lissabon zurück. Warm und
linde war die Luft und ein süßes Aroma strömte aus den vielen blühenden Bäu¬
men und Sträuchern, an denen der Weg vorbeiführte. Der Zauber eines südlichen
Himmels umgab uns. Wiederholt begegneten wir unterwegs Patrouillen der Lissa¬
bons Muuicipalgarde, hübsche stattliche Leute vou militärischem Ansehen. Die
Unsicherheit in Cintra und ans dem Wege von Lissabon war nämlich so groß ge¬
worden, daß auf die Klagen mehrerer fremden Gesandten, die dort ihren Sommer-
aufenthalt haben, die Negierung sich endlich ganz gegen ihre Gewohnheit entschloß,
einige Schritte dagegen zu thun. Da es in ganz Portugal weder Gendarmen, noch
eine irgendwie geachtete Justiz giebt, so gehören Raub- und Mordanfällc dort zu
den gewöhnlichsten Dingen, die als lästige, aber unvermeidliche Uebelstände er¬
tragen werden. Nur in Lissabon und der Umgegend, wo der Hof sich häufig
aufhält und viele Fremde wohnen, besteht eine Muuicipalgarde, die recht thätig
sein soll, sonst haben die Verbrecher im ganzen übrigen Lande so ziemlich freies
Spiel. Ueber die allgemeine Käuflichkeit der Justiz hörte ich von Allen, die schon
länger im Königreich waren, nnr eine Stimme. Wer am meisten Geld zahlt, soll
sicher sein, zu gewinnen.

Einen doppelt unangenehmen Eindruck machte es, als wir aus der schönen
freien Natur mit ihren würzigen Blüthendüften, wieder in die übelriechenden Gassen
der Stadt einfuhren. Die Hausbewohner benutzen die Stille der Nacht, um
alles Entbehrliche ans Thür und Fenster auf die Straße zu schütten und zu
gießen. Ganze Rudel der halb verhungerten Hunde heulten und bellten und
machten sich die Beute aus den Unralhhanfcn mit wildem Gekläff streitig.

Da unser Dämpfer mit der Morgendämmerung abging, so blieb uns nur so
viel Zeit im Hotel, Thee zu trinken, dann ging es fort nach dem Hafen.

Auf der t'eaea, 6us Uamul!,u'W sahen wir eine Militärpatrouille einen
Menschen, der so eben in der Wuth einen Mord begangen hatte, verhaften. Es
war ein wildes, wüstes Bild, wohl für den Abschied aus dieser Stadt geeignet.
Das bleiche Licht des Mondes schien auf einen Hause» von schmuzigen, diebischen
Gesindel, wie es bei Nacht in den Straßen Lissabons hernmluugert. Es hatte sich
um den Mörder, der erst nach vielem Widerstand verhaftet ward, versammelt.
Wäre nicht die Furcht vor den Bayonnctten der Soldaten gewesen, es hätte den


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875/102>, abgerufen am 24.07.2024.