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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band.

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so viel Schönheit, Abwechselung und Originalität mit so viel Wildheit verbindet,
wie derjenige ist, auf dem wir jetzt dahin rollten, und zu^ dessen Ban die stein¬
harte Lava das Material geliefert hat. Er erhebt sich allmählich gegen den hier
schon ziemlich steil hinansteigenden Berg, und schien mir sehr sorgfältig.unterhalten.
Was die nächste Umgegend betrifft, so sieht man, so weit das Auge reicht, nichts
als erkaltete Lava, die, wo ihr nichts in den Weg getreten ist, einem erstarrten
Flusse gleicht, oder auch, wo sich ihr Hindernisse entgegenstemmten, sich zu gigan¬
tischen Felsen aufbäumte. Doch denke man ja uicht, dieser Boden sei öde und
kahl; im Gegentheil trägt er sowol, wie auch selbst die hohen Felsenkuppen die
reichste und üppigste Vegetation. In der Höllenesse des Aetna schmelzen, wie
man steht, die verschiedenartigsten Bestandtheile unsrer Erde, und die ausströmende
Lava ist dem zufolge ein Gemisch der mannichfaltigsten Elemente, die auch nach dem
Erkalten ihre Natur uicht verläugnen. So finden wir Theile, die so hart sind,
daß sie und dem Stahle Funken geben, und auf welche die Witterung, selbst durch
Jahrhunderte, keinerlei Einfluß ausüben kann; sie sind und bleiben Felsen, die
nur der Meißel oder Pulver zu sprengen vermögen. Andere dagegen verändern sich
durch Lust und Sonne schon nach wenigen Jahren in das fruchtbarste Erdreich,
und tragen in üppiger Fülle prangende Felder, lachende Gärten von entzückende?
Schönheit.

Ueber diesen Boden weg führt nun der Weg von Katania nach Nieolosi, und
man kann sich denken, wie reiche Abwechselung er darbieten muß. Wo irgend der
warme Strahl der Sonne Leben ans dem starren Feuerstrome hervorgerufen hat,
erhebt sich auch ein niedliches zweistöckiges Häuschen, das gewöhnlich aus dem Material
besteht, worauf es ruht, nämlich aus Lava. Gruppen von Orangen- und
Myrthenbäumen umschatten die kleine Wohnung, und schützen sie vor den sengen¬
den Strahlen der Sonne; das saftige Laub der Rebe schlingt sich an ihr empor
und vergittert ihre Fenster., Gleich dem Demant in einem Ringe, ist es von
einem Kranze der üppigsten Felder eingefaßt, welche in den mannichfaltigsten
Farben einen reizenden Anblick gewähren. Hier spielt ein Lüftchen mit den reisen
schweren Gerstenähren und bewegt sie gleich den Wellen des Meeres, dort streckt
der Mais seine gelben Kolben in die dunkelblaue Luft; bald wechselt ein Wald
von Sonnenblumen mit riesigen Bohnen ab, bald trifft das Auge aus eine mit
duftenden Pelargonien durchwebte Wiese. Nur hier und da ragt ans diesem Eden
ein schwarzer Lavakegel hervor, und erinnert daran, daß alle diese Schönheiten
dem Bauche der Zerstörung entsprossen sind.

Diese kleine, mangelhafte Skizze giebt vielleicht ein schwaches Bild von alle
der Pracht und Herrlichkeit, die durch 13 italienische Meilen an unsrem erstaunten
Auge vorüberzogen. Die Feder ist zu schwach, den Eindruck so auf das Papier
zu bringen, wie ihn die Seele aufgenommen hat.

Unterwegs trafen wir auf einige sehr nette Dörfer, als: Gravina, Santa,


so viel Schönheit, Abwechselung und Originalität mit so viel Wildheit verbindet,
wie derjenige ist, auf dem wir jetzt dahin rollten, und zu^ dessen Ban die stein¬
harte Lava das Material geliefert hat. Er erhebt sich allmählich gegen den hier
schon ziemlich steil hinansteigenden Berg, und schien mir sehr sorgfältig.unterhalten.
Was die nächste Umgegend betrifft, so sieht man, so weit das Auge reicht, nichts
als erkaltete Lava, die, wo ihr nichts in den Weg getreten ist, einem erstarrten
Flusse gleicht, oder auch, wo sich ihr Hindernisse entgegenstemmten, sich zu gigan¬
tischen Felsen aufbäumte. Doch denke man ja uicht, dieser Boden sei öde und
kahl; im Gegentheil trägt er sowol, wie auch selbst die hohen Felsenkuppen die
reichste und üppigste Vegetation. In der Höllenesse des Aetna schmelzen, wie
man steht, die verschiedenartigsten Bestandtheile unsrer Erde, und die ausströmende
Lava ist dem zufolge ein Gemisch der mannichfaltigsten Elemente, die auch nach dem
Erkalten ihre Natur uicht verläugnen. So finden wir Theile, die so hart sind,
daß sie und dem Stahle Funken geben, und auf welche die Witterung, selbst durch
Jahrhunderte, keinerlei Einfluß ausüben kann; sie sind und bleiben Felsen, die
nur der Meißel oder Pulver zu sprengen vermögen. Andere dagegen verändern sich
durch Lust und Sonne schon nach wenigen Jahren in das fruchtbarste Erdreich,
und tragen in üppiger Fülle prangende Felder, lachende Gärten von entzückende?
Schönheit.

Ueber diesen Boden weg führt nun der Weg von Katania nach Nieolosi, und
man kann sich denken, wie reiche Abwechselung er darbieten muß. Wo irgend der
warme Strahl der Sonne Leben ans dem starren Feuerstrome hervorgerufen hat,
erhebt sich auch ein niedliches zweistöckiges Häuschen, das gewöhnlich aus dem Material
besteht, worauf es ruht, nämlich aus Lava. Gruppen von Orangen- und
Myrthenbäumen umschatten die kleine Wohnung, und schützen sie vor den sengen¬
den Strahlen der Sonne; das saftige Laub der Rebe schlingt sich an ihr empor
und vergittert ihre Fenster., Gleich dem Demant in einem Ringe, ist es von
einem Kranze der üppigsten Felder eingefaßt, welche in den mannichfaltigsten
Farben einen reizenden Anblick gewähren. Hier spielt ein Lüftchen mit den reisen
schweren Gerstenähren und bewegt sie gleich den Wellen des Meeres, dort streckt
der Mais seine gelben Kolben in die dunkelblaue Luft; bald wechselt ein Wald
von Sonnenblumen mit riesigen Bohnen ab, bald trifft das Auge aus eine mit
duftenden Pelargonien durchwebte Wiese. Nur hier und da ragt ans diesem Eden
ein schwarzer Lavakegel hervor, und erinnert daran, daß alle diese Schönheiten
dem Bauche der Zerstörung entsprossen sind.

Diese kleine, mangelhafte Skizze giebt vielleicht ein schwaches Bild von alle
der Pracht und Herrlichkeit, die durch 13 italienische Meilen an unsrem erstaunten
Auge vorüberzogen. Die Feder ist zu schwach, den Eindruck so auf das Papier
zu bringen, wie ihn die Seele aufgenommen hat.

Unterwegs trafen wir auf einige sehr nette Dörfer, als: Gravina, Santa,


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[0076] so viel Schönheit, Abwechselung und Originalität mit so viel Wildheit verbindet, wie derjenige ist, auf dem wir jetzt dahin rollten, und zu^ dessen Ban die stein¬ harte Lava das Material geliefert hat. Er erhebt sich allmählich gegen den hier schon ziemlich steil hinansteigenden Berg, und schien mir sehr sorgfältig.unterhalten. Was die nächste Umgegend betrifft, so sieht man, so weit das Auge reicht, nichts als erkaltete Lava, die, wo ihr nichts in den Weg getreten ist, einem erstarrten Flusse gleicht, oder auch, wo sich ihr Hindernisse entgegenstemmten, sich zu gigan¬ tischen Felsen aufbäumte. Doch denke man ja uicht, dieser Boden sei öde und kahl; im Gegentheil trägt er sowol, wie auch selbst die hohen Felsenkuppen die reichste und üppigste Vegetation. In der Höllenesse des Aetna schmelzen, wie man steht, die verschiedenartigsten Bestandtheile unsrer Erde, und die ausströmende Lava ist dem zufolge ein Gemisch der mannichfaltigsten Elemente, die auch nach dem Erkalten ihre Natur uicht verläugnen. So finden wir Theile, die so hart sind, daß sie und dem Stahle Funken geben, und auf welche die Witterung, selbst durch Jahrhunderte, keinerlei Einfluß ausüben kann; sie sind und bleiben Felsen, die nur der Meißel oder Pulver zu sprengen vermögen. Andere dagegen verändern sich durch Lust und Sonne schon nach wenigen Jahren in das fruchtbarste Erdreich, und tragen in üppiger Fülle prangende Felder, lachende Gärten von entzückende? Schönheit. Ueber diesen Boden weg führt nun der Weg von Katania nach Nieolosi, und man kann sich denken, wie reiche Abwechselung er darbieten muß. Wo irgend der warme Strahl der Sonne Leben ans dem starren Feuerstrome hervorgerufen hat, erhebt sich auch ein niedliches zweistöckiges Häuschen, das gewöhnlich aus dem Material besteht, worauf es ruht, nämlich aus Lava. Gruppen von Orangen- und Myrthenbäumen umschatten die kleine Wohnung, und schützen sie vor den sengen¬ den Strahlen der Sonne; das saftige Laub der Rebe schlingt sich an ihr empor und vergittert ihre Fenster., Gleich dem Demant in einem Ringe, ist es von einem Kranze der üppigsten Felder eingefaßt, welche in den mannichfaltigsten Farben einen reizenden Anblick gewähren. Hier spielt ein Lüftchen mit den reisen schweren Gerstenähren und bewegt sie gleich den Wellen des Meeres, dort streckt der Mais seine gelben Kolben in die dunkelblaue Luft; bald wechselt ein Wald von Sonnenblumen mit riesigen Bohnen ab, bald trifft das Auge aus eine mit duftenden Pelargonien durchwebte Wiese. Nur hier und da ragt ans diesem Eden ein schwarzer Lavakegel hervor, und erinnert daran, daß alle diese Schönheiten dem Bauche der Zerstörung entsprossen sind. Diese kleine, mangelhafte Skizze giebt vielleicht ein schwaches Bild von alle der Pracht und Herrlichkeit, die durch 13 italienische Meilen an unsrem erstaunten Auge vorüberzogen. Die Feder ist zu schwach, den Eindruck so auf das Papier zu bringen, wie ihn die Seele aufgenommen hat. Unterwegs trafen wir auf einige sehr nette Dörfer, als: Gravina, Santa,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94982/76>, abgerufen am 20.10.2024.