Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band.Bauchen ruhende Drachen, die Köpfe nach den Weltgegenden ausstreckend, mit Die Lage Kopenhagens ist gerade keine malerische, aber in seiner unmittel¬ S8*
Bauchen ruhende Drachen, die Köpfe nach den Weltgegenden ausstreckend, mit Die Lage Kopenhagens ist gerade keine malerische, aber in seiner unmittel¬ S8*
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0469" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/95450"/> <p xml:id="ID_1354" prev="#ID_1353"> Bauchen ruhende Drachen, die Köpfe nach den Weltgegenden ausstreckend, mit<lb/> in einander verschlungenen, senkrecht in die Höhe gerichteten Schwänzen die Spitze<lb/> bilden. Der Sage nach soll Christian diese ganze Thurmspitze als Trophäe aus<lb/> Kalmar mitgenommen haben. Die Straßen sind größtentheils breit und gerade,<lb/> die Häuser hoch, grau, von schlichter nüchterner Bauart, und wo'kein lebhafter<lb/> Verkehr herrscht, ist es öde und verlassen. Der Sund theilt die Stadt in zwei<lb/> Hälften, von denen die kleinere ans der Insel Amager liegt, und bildet so den<lb/> Hafen, dem die Stadt Entstehung und Namen verdankt, (Kjöbcnhaven, Kaufhafen).<lb/> Ueberdies schneiden mehrere in den Sund mündende Kanäle »n die Stadt ein, und<lb/> ihr Gewimmel von Masten und die rege Geschäftigkeit in der Umgegend contrastirt<lb/> lebhaft mit der Stille der daran stoßenden Plätze und Straßen. In vieler Be¬<lb/> ziehung ist Kopenhagen ungemein zurück. Es hat weder Gasbeleuchtung, noch<lb/> Trottoir, nur schmale Steinränder an den Seitenwegen; in den ersten Condito-<lb/> reien sieht man statt der in anderen Residenzen üblichen Wandspiegel, Tapeten,<lb/> Marmortische u. s. w. nur altmodische Möbel in sandbestreuten Zimmern, auf<lb/> deren Wände große Landschaften gemalt sind, und keine Sophas. Dagegen hat<lb/> die Stadt vor anderen auch einen bedeutenden Vorzug: man merkt bald, daß sie<lb/> an keiner der großen Straßen liegt, über die sich jährlich ein Strom von Tou¬<lb/> risten aller Nationen hinwälzt, besonders an den bescheidenen Preisen der Hotels und<lb/> der Zuvorkommenheit gegen Fremde. Man ist ziemlich sicher, wenn man einen<lb/> Wohlgekleidetcn Deutsch anredet, verstanden zu werde-n, die Dänen sprechen das<lb/> Deutsche nicht richtig, aber oft fließend. Bisher war die Kenntniß der Sprache<lb/> im Kanfmannsstande verbreiteter, als in den gelehrten Ständen, aber nun ist auch<lb/> auf den Gymnasien der Unterricht im Deutschen eingeführt, und zwar<lb/> gerade seit 1868 durch Madvig. So wird man überall mit großer Höflich¬<lb/> keit zurechtgewiesen; besonders können die dänischen Officiere ihren Kameraden<lb/> in einigen deutschen Ländern als Vorbilder empfohlen werden.</p><lb/> <p xml:id="ID_1355" next="#ID_1356"> Die Lage Kopenhagens ist gerade keine malerische, aber in seiner unmittel¬<lb/> baren Nähe beginnen die berühmten Buchenwälder Seelands, die sich nördlich die Küste<lb/> entlang ziehen, in ^ Stunden mit dem Dampfboot, in I V2 mit den Omnibus<lb/> erreicht man den Thiergarten. Das Seeländische Klima ist milder als in östlicheren<lb/> Gegenden gleicher und selbst tieferer Breiten; die Seidenzucht z. B., die in<lb/> Ostpreußen ohne Erfolg unternommen wurde, gedeiht gut, wie die Proben auf<lb/> der übrigens armseligen Industrieausstellung zeigten, und die Buche prangt in<lb/> wunderbarer Pracht. Auch wer die Wälder der pommerschen Ostseeküste keimt,<lb/> hat von diesem kolossalen Wuchs der Stämme, dieser wuchernden Ueppigkeit des<lb/> Laubes, dieser unendlichen Mannichfaltigkeit der Formen keine Vorstellung. Zur<lb/> Schönheit der Buchenwälder trägt die Eigenschaft der Buche, kein Unterholz zu<lb/> dulden, wesentlich bei. So stehen denn stellenweise auf dem ebenen Grasteppich<lb/> die runden, glatten, weißlich-grauen Stämme bis zu bedeutender Höhe astloS</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> S8*</fw><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0469]
Bauchen ruhende Drachen, die Köpfe nach den Weltgegenden ausstreckend, mit
in einander verschlungenen, senkrecht in die Höhe gerichteten Schwänzen die Spitze
bilden. Der Sage nach soll Christian diese ganze Thurmspitze als Trophäe aus
Kalmar mitgenommen haben. Die Straßen sind größtentheils breit und gerade,
die Häuser hoch, grau, von schlichter nüchterner Bauart, und wo'kein lebhafter
Verkehr herrscht, ist es öde und verlassen. Der Sund theilt die Stadt in zwei
Hälften, von denen die kleinere ans der Insel Amager liegt, und bildet so den
Hafen, dem die Stadt Entstehung und Namen verdankt, (Kjöbcnhaven, Kaufhafen).
Ueberdies schneiden mehrere in den Sund mündende Kanäle »n die Stadt ein, und
ihr Gewimmel von Masten und die rege Geschäftigkeit in der Umgegend contrastirt
lebhaft mit der Stille der daran stoßenden Plätze und Straßen. In vieler Be¬
ziehung ist Kopenhagen ungemein zurück. Es hat weder Gasbeleuchtung, noch
Trottoir, nur schmale Steinränder an den Seitenwegen; in den ersten Condito-
reien sieht man statt der in anderen Residenzen üblichen Wandspiegel, Tapeten,
Marmortische u. s. w. nur altmodische Möbel in sandbestreuten Zimmern, auf
deren Wände große Landschaften gemalt sind, und keine Sophas. Dagegen hat
die Stadt vor anderen auch einen bedeutenden Vorzug: man merkt bald, daß sie
an keiner der großen Straßen liegt, über die sich jährlich ein Strom von Tou¬
risten aller Nationen hinwälzt, besonders an den bescheidenen Preisen der Hotels und
der Zuvorkommenheit gegen Fremde. Man ist ziemlich sicher, wenn man einen
Wohlgekleidetcn Deutsch anredet, verstanden zu werde-n, die Dänen sprechen das
Deutsche nicht richtig, aber oft fließend. Bisher war die Kenntniß der Sprache
im Kanfmannsstande verbreiteter, als in den gelehrten Ständen, aber nun ist auch
auf den Gymnasien der Unterricht im Deutschen eingeführt, und zwar
gerade seit 1868 durch Madvig. So wird man überall mit großer Höflich¬
keit zurechtgewiesen; besonders können die dänischen Officiere ihren Kameraden
in einigen deutschen Ländern als Vorbilder empfohlen werden.
Die Lage Kopenhagens ist gerade keine malerische, aber in seiner unmittel¬
baren Nähe beginnen die berühmten Buchenwälder Seelands, die sich nördlich die Küste
entlang ziehen, in ^ Stunden mit dem Dampfboot, in I V2 mit den Omnibus
erreicht man den Thiergarten. Das Seeländische Klima ist milder als in östlicheren
Gegenden gleicher und selbst tieferer Breiten; die Seidenzucht z. B., die in
Ostpreußen ohne Erfolg unternommen wurde, gedeiht gut, wie die Proben auf
der übrigens armseligen Industrieausstellung zeigten, und die Buche prangt in
wunderbarer Pracht. Auch wer die Wälder der pommerschen Ostseeküste keimt,
hat von diesem kolossalen Wuchs der Stämme, dieser wuchernden Ueppigkeit des
Laubes, dieser unendlichen Mannichfaltigkeit der Formen keine Vorstellung. Zur
Schönheit der Buchenwälder trägt die Eigenschaft der Buche, kein Unterholz zu
dulden, wesentlich bei. So stehen denn stellenweise auf dem ebenen Grasteppich
die runden, glatten, weißlich-grauen Stämme bis zu bedeutender Höhe astloS
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