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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band.

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Königreich zertrümmert, oder doch wenigstens so verkleinert, daß es nicht mehr
zu fürchten war. Der nun verstorbene Fürst Schwarzenberg hat anch, wie in
höheren Kreisen wohl bekannt, diesen Plan gehabt. Sehr bedeutende Hinder¬
nisse stellten sich demselben aber entgegen; das erste kam vom Cabinet von Se.
James, indem Lord Palmerston in Wien und Turin auf das Bestimmteste er¬
klären ließ, daß er jede Verkleinerung des sardinischen Gebietes von Seiten
Oestreichs als eine Kriegserklärung betrachten würde. Einen Krieg mit England,
das wahrscheinlich auch Frankreich auf seiner Seite gehabt hätte, zu beginnen,
konnte aber 49 selbst der heißblutige Fürst Schwarzenberg uicht wagen, denn
Ungarn war noch nicht unterworfen, und in Deutschland wankte Oestreichs Ober¬
herrschaft. Auch konnte sich Oestreich nicht verhehlen, daß selbst eine vom übrigen
Europa geduldete Erwerbung Sardinischer Gebietstheile eine Eroberung von höchst
zweifelhaftem Werthe sei, indem die Lombardei schon Alles in Anspruch nimmt,
was Oestreich an Geld und Blut in Italien aufzuwenden hat. Es wäre mir
ein wunder Fleck mehr an des Kaiserstaats zusammengesetzten Körper gewesen.

Andere Rücksichten, die maßgebend waren, das Königreich Sardinien nicht
zu verkleinern, sind die engen verwandtschaftlichen Beziehungen, in denen das
dortige Regentenhaus sowol mit dem k. t. Hofe selbst, wie auch mit der säch-
sichen Königsfamilie steht, deren Wünsche unter gegenwärtigen Verhältnissen in
Wien nicht leicht überhört werden. Auch Damen-Jntriguen haben sich zu Gunsten
Sardiniens eingemischt, und besonders eine Frau, die dem Range uach eine zwar
Untergeordnete und gar nicht einmal hoffähige, aber ihres Einflusses auf die höchste
Gebieterin Oestreichs wegen, sehr einflußreiche Stellung in der Wiener Burg
einnimmt, soll sich sehr und wie immer mit Glück Sardiniens angenommen haben.
Man begnügte sich daher, das besiegte Land, das von den Kosten einer zwei¬
jährigen Kriegsführung schon schwer belastet war, durch Auferlegung einer sehr
hohen Kriegscontribulivn in Verlegenheit zu scheu, denn man weiß in Wien aus
eigener Erfahrung am besten, wie hemmend schlechte finanzielle Verhältnisse ans
die freie Bewegung eines Staats wirken.

Durch diesen Druck auf die Fittanzen Sardiniens war man gegen seinen
Willen mit ein Beförderer des constitutionellen -Systems in diesem Lande ge¬
worden. Sollten die finanziellen Verhältnisse hier sich bessern, so war große Er¬
sparung im Staatshaushalte und besonders anch unbedingte Oeffentlichkeit desselben
und Controle von Seiten der Kammern dringend erforderlich. Gerade durch Letzteres
allein konnte man die fremden Kapitalisten bewegen, ihre Gelder in den sardi¬
nischen Anlehen anzulegen, und diesen einen günstigen Cours auf den Weltbörsen
verschaffen. Der Gläubiger dieses Staates mußte die sichere Garantie haben, daß
alle unnöthiger Ausgaben in demselben vermieden und vorher der Genehmigung
der Kammern unterzogen werden würden; dies nnr allein konnte ihn bewegen,
sein Geld demselben darzuleihen. Wie sehr dies aber, Dank sei es der Oeffent-


Königreich zertrümmert, oder doch wenigstens so verkleinert, daß es nicht mehr
zu fürchten war. Der nun verstorbene Fürst Schwarzenberg hat anch, wie in
höheren Kreisen wohl bekannt, diesen Plan gehabt. Sehr bedeutende Hinder¬
nisse stellten sich demselben aber entgegen; das erste kam vom Cabinet von Se.
James, indem Lord Palmerston in Wien und Turin auf das Bestimmteste er¬
klären ließ, daß er jede Verkleinerung des sardinischen Gebietes von Seiten
Oestreichs als eine Kriegserklärung betrachten würde. Einen Krieg mit England,
das wahrscheinlich auch Frankreich auf seiner Seite gehabt hätte, zu beginnen,
konnte aber 49 selbst der heißblutige Fürst Schwarzenberg uicht wagen, denn
Ungarn war noch nicht unterworfen, und in Deutschland wankte Oestreichs Ober¬
herrschaft. Auch konnte sich Oestreich nicht verhehlen, daß selbst eine vom übrigen
Europa geduldete Erwerbung Sardinischer Gebietstheile eine Eroberung von höchst
zweifelhaftem Werthe sei, indem die Lombardei schon Alles in Anspruch nimmt,
was Oestreich an Geld und Blut in Italien aufzuwenden hat. Es wäre mir
ein wunder Fleck mehr an des Kaiserstaats zusammengesetzten Körper gewesen.

Andere Rücksichten, die maßgebend waren, das Königreich Sardinien nicht
zu verkleinern, sind die engen verwandtschaftlichen Beziehungen, in denen das
dortige Regentenhaus sowol mit dem k. t. Hofe selbst, wie auch mit der säch-
sichen Königsfamilie steht, deren Wünsche unter gegenwärtigen Verhältnissen in
Wien nicht leicht überhört werden. Auch Damen-Jntriguen haben sich zu Gunsten
Sardiniens eingemischt, und besonders eine Frau, die dem Range uach eine zwar
Untergeordnete und gar nicht einmal hoffähige, aber ihres Einflusses auf die höchste
Gebieterin Oestreichs wegen, sehr einflußreiche Stellung in der Wiener Burg
einnimmt, soll sich sehr und wie immer mit Glück Sardiniens angenommen haben.
Man begnügte sich daher, das besiegte Land, das von den Kosten einer zwei¬
jährigen Kriegsführung schon schwer belastet war, durch Auferlegung einer sehr
hohen Kriegscontribulivn in Verlegenheit zu scheu, denn man weiß in Wien aus
eigener Erfahrung am besten, wie hemmend schlechte finanzielle Verhältnisse ans
die freie Bewegung eines Staats wirken.

Durch diesen Druck auf die Fittanzen Sardiniens war man gegen seinen
Willen mit ein Beförderer des constitutionellen -Systems in diesem Lande ge¬
worden. Sollten die finanziellen Verhältnisse hier sich bessern, so war große Er¬
sparung im Staatshaushalte und besonders anch unbedingte Oeffentlichkeit desselben
und Controle von Seiten der Kammern dringend erforderlich. Gerade durch Letzteres
allein konnte man die fremden Kapitalisten bewegen, ihre Gelder in den sardi¬
nischen Anlehen anzulegen, und diesen einen günstigen Cours auf den Weltbörsen
verschaffen. Der Gläubiger dieses Staates mußte die sichere Garantie haben, daß
alle unnöthiger Ausgaben in demselben vermieden und vorher der Genehmigung
der Kammern unterzogen werden würden; dies nnr allein konnte ihn bewegen,
sein Geld demselben darzuleihen. Wie sehr dies aber, Dank sei es der Oeffent-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94982/388>, abgerufen am 19.10.2024.