Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

lichkeit des sardinischen Staatshaushaltes und der tüchtigen Wirthschaft der Leiter
desselben, gelungen ist, zeigt noch heute der verhältnißmäßig günstige Stand aller
Papiere Sardiniens ans den Börsen in London und Amsterdam. Das kleine be¬
siegte Sardinien hat einen bessern Credit bei den fremden,! wie auch einheimischen
Capitalisten, als das große siegreiche Oestreich, -- weil es ein aufrichtig konstitutionell
regiertes Land ist und seine Schulden von den Ständen garantirt und ohne
deren Genehmigung nicht vermehrt werden dürfen. Gerade diese finanzielle
Wohlfahrt des Landes, seit Einführung der jetzigen Konstitution, hat manche
sonst eifrige Gegner derselben schon sehr damit versöhnt.

Ein zweiter Feind des constitutionellen Systems in Sardinien, der an ge¬
wissen Kreisen in Wien einen gewichtigen Rückhalt findet, ist ein Theil der Geist¬
lichkeit des Landes. Die sardinische Geistlichkeit erfreute sich sonst vielfacher und
oft sehr bedeutender Privilegien auf Kosten des allgemeinen Wohls, die ihr der
neue Zustand der Dinge seit dem Jahr 48 fast alle geraubt hat. Kein Wunder
also, daß viele ihrer Mitglieder gerade nicht sehr erfreut über denselben sind,
und jene guten alten Zeiten zurückwünschen. Von Wien und Rom aus sah man
solche Unzufriedenheit eines großen Theiles dieses mächtigen und einflußreichen
Standes ungemein gern, und sparte kein Mittel, dieselbe noch mehr zu
steigern. Man hetzte und schürte, wo man nur konnte, und eigene Agenten sind
von Rom aus wiederholt ausgesandt wordeu, um unter den sardinischen Geist¬
lichen noch mehr Opposition gegen die jetzigen Principien der Regierung zu
verbreiten und zu gemeinsamen offenen Erklärungen und heimlichen Intriguen
dagegen anzuspornen. Besonders die Jesuiten haben mit gewohnter Schlauheit
auch hier die Hand im Spiele gehabt. Die bekannten Zerwürfnisse des Turiner
Ministeriums mit einem Theil der Geistlichkeit, besonders einigen höheren Würden¬
trägern derselben, sind größtentheils dnrch jesuitische Umtriebe hervorgerufen wor¬
den, wie in Sardinien selbst allgemein bekannt ist. Ein förmliches Netz hat die
Propaganda' in dieser Hinsicht über das Land zu ziehen gesucht, und kein Mittel
gescheut, um ihren Einfluß auszubreiten. Daß diese großartigen Anstrengungen
der ultramontanen Partei nicht ohne Erfolg geblieben sind, und der gedeihlichen
Entwickelung des constitutionellen Princips im sardinische" Staat schou manche
schwere Hindernisse bereitet haben, ja in der Zukunft noch mehr bereiten werden,
ist nicht zu läugnen. Der Umstand aber, daß man sehr bald das Wiener Cabinet
als den eigentlichen Mittelpunkt dieser ultramontanen Intriguen in Sardinien
entdeckte, schwächte sehr bedeutend ihre Wirkung. Sehr Viele der sardinischen
Geistlichen sind vor Allem zuerst Italiener, dnrch und durch Italiener, und als
solche hassen sie Alles, was von Oestreich kommt, auf das Tiefste. Sobald
viele Pfarrer, besonders auf dem Lande, daher erst die Ueberzeugung gewonnen,
daß man östreichischer Seits eine große Freude an allen ihren oppositionellen
Bestrebungen habe, und sie auf jegliche Weise zu begünstigen suche, zogen sie sich


48*

lichkeit des sardinischen Staatshaushaltes und der tüchtigen Wirthschaft der Leiter
desselben, gelungen ist, zeigt noch heute der verhältnißmäßig günstige Stand aller
Papiere Sardiniens ans den Börsen in London und Amsterdam. Das kleine be¬
siegte Sardinien hat einen bessern Credit bei den fremden,! wie auch einheimischen
Capitalisten, als das große siegreiche Oestreich, — weil es ein aufrichtig konstitutionell
regiertes Land ist und seine Schulden von den Ständen garantirt und ohne
deren Genehmigung nicht vermehrt werden dürfen. Gerade diese finanzielle
Wohlfahrt des Landes, seit Einführung der jetzigen Konstitution, hat manche
sonst eifrige Gegner derselben schon sehr damit versöhnt.

Ein zweiter Feind des constitutionellen Systems in Sardinien, der an ge¬
wissen Kreisen in Wien einen gewichtigen Rückhalt findet, ist ein Theil der Geist¬
lichkeit des Landes. Die sardinische Geistlichkeit erfreute sich sonst vielfacher und
oft sehr bedeutender Privilegien auf Kosten des allgemeinen Wohls, die ihr der
neue Zustand der Dinge seit dem Jahr 48 fast alle geraubt hat. Kein Wunder
also, daß viele ihrer Mitglieder gerade nicht sehr erfreut über denselben sind,
und jene guten alten Zeiten zurückwünschen. Von Wien und Rom aus sah man
solche Unzufriedenheit eines großen Theiles dieses mächtigen und einflußreichen
Standes ungemein gern, und sparte kein Mittel, dieselbe noch mehr zu
steigern. Man hetzte und schürte, wo man nur konnte, und eigene Agenten sind
von Rom aus wiederholt ausgesandt wordeu, um unter den sardinischen Geist¬
lichen noch mehr Opposition gegen die jetzigen Principien der Regierung zu
verbreiten und zu gemeinsamen offenen Erklärungen und heimlichen Intriguen
dagegen anzuspornen. Besonders die Jesuiten haben mit gewohnter Schlauheit
auch hier die Hand im Spiele gehabt. Die bekannten Zerwürfnisse des Turiner
Ministeriums mit einem Theil der Geistlichkeit, besonders einigen höheren Würden¬
trägern derselben, sind größtentheils dnrch jesuitische Umtriebe hervorgerufen wor¬
den, wie in Sardinien selbst allgemein bekannt ist. Ein förmliches Netz hat die
Propaganda' in dieser Hinsicht über das Land zu ziehen gesucht, und kein Mittel
gescheut, um ihren Einfluß auszubreiten. Daß diese großartigen Anstrengungen
der ultramontanen Partei nicht ohne Erfolg geblieben sind, und der gedeihlichen
Entwickelung des constitutionellen Princips im sardinische» Staat schou manche
schwere Hindernisse bereitet haben, ja in der Zukunft noch mehr bereiten werden,
ist nicht zu läugnen. Der Umstand aber, daß man sehr bald das Wiener Cabinet
als den eigentlichen Mittelpunkt dieser ultramontanen Intriguen in Sardinien
entdeckte, schwächte sehr bedeutend ihre Wirkung. Sehr Viele der sardinischen
Geistlichen sind vor Allem zuerst Italiener, dnrch und durch Italiener, und als
solche hassen sie Alles, was von Oestreich kommt, auf das Tiefste. Sobald
viele Pfarrer, besonders auf dem Lande, daher erst die Ueberzeugung gewonnen,
daß man östreichischer Seits eine große Freude an allen ihren oppositionellen
Bestrebungen habe, und sie auf jegliche Weise zu begünstigen suche, zogen sie sich


48*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0389" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/95370"/>
            <p xml:id="ID_1115" prev="#ID_1114"> lichkeit des sardinischen Staatshaushaltes und der tüchtigen Wirthschaft der Leiter<lb/>
desselben, gelungen ist, zeigt noch heute der verhältnißmäßig günstige Stand aller<lb/>
Papiere Sardiniens ans den Börsen in London und Amsterdam. Das kleine be¬<lb/>
siegte Sardinien hat einen bessern Credit bei den fremden,! wie auch einheimischen<lb/>
Capitalisten, als das große siegreiche Oestreich, &#x2014; weil es ein aufrichtig konstitutionell<lb/>
regiertes Land ist und seine Schulden von den Ständen garantirt und ohne<lb/>
deren Genehmigung nicht vermehrt werden dürfen. Gerade diese finanzielle<lb/>
Wohlfahrt des Landes, seit Einführung der jetzigen Konstitution, hat manche<lb/>
sonst eifrige Gegner derselben schon sehr damit versöhnt.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1116" next="#ID_1117"> Ein zweiter Feind des constitutionellen Systems in Sardinien, der an ge¬<lb/>
wissen Kreisen in Wien einen gewichtigen Rückhalt findet, ist ein Theil der Geist¬<lb/>
lichkeit des Landes. Die sardinische Geistlichkeit erfreute sich sonst vielfacher und<lb/>
oft sehr bedeutender Privilegien auf Kosten des allgemeinen Wohls, die ihr der<lb/>
neue Zustand der Dinge seit dem Jahr 48 fast alle geraubt hat. Kein Wunder<lb/>
also, daß viele ihrer Mitglieder gerade nicht sehr erfreut über denselben sind,<lb/>
und jene guten alten Zeiten zurückwünschen. Von Wien und Rom aus sah man<lb/>
solche Unzufriedenheit eines großen Theiles dieses mächtigen und einflußreichen<lb/>
Standes ungemein gern, und sparte kein Mittel, dieselbe noch mehr zu<lb/>
steigern. Man hetzte und schürte, wo man nur konnte, und eigene Agenten sind<lb/>
von Rom aus wiederholt ausgesandt wordeu, um unter den sardinischen Geist¬<lb/>
lichen noch mehr Opposition gegen die jetzigen Principien der Regierung zu<lb/>
verbreiten und zu gemeinsamen offenen Erklärungen und heimlichen Intriguen<lb/>
dagegen anzuspornen. Besonders die Jesuiten haben mit gewohnter Schlauheit<lb/>
auch hier die Hand im Spiele gehabt. Die bekannten Zerwürfnisse des Turiner<lb/>
Ministeriums mit einem Theil der Geistlichkeit, besonders einigen höheren Würden¬<lb/>
trägern derselben, sind größtentheils dnrch jesuitische Umtriebe hervorgerufen wor¬<lb/>
den, wie in Sardinien selbst allgemein bekannt ist. Ein förmliches Netz hat die<lb/>
Propaganda' in dieser Hinsicht über das Land zu ziehen gesucht, und kein Mittel<lb/>
gescheut, um ihren Einfluß auszubreiten. Daß diese großartigen Anstrengungen<lb/>
der ultramontanen Partei nicht ohne Erfolg geblieben sind, und der gedeihlichen<lb/>
Entwickelung des constitutionellen Princips im sardinische» Staat schou manche<lb/>
schwere Hindernisse bereitet haben, ja in der Zukunft noch mehr bereiten werden,<lb/>
ist nicht zu läugnen. Der Umstand aber, daß man sehr bald das Wiener Cabinet<lb/>
als den eigentlichen Mittelpunkt dieser ultramontanen Intriguen in Sardinien<lb/>
entdeckte, schwächte sehr bedeutend ihre Wirkung. Sehr Viele der sardinischen<lb/>
Geistlichen sind vor Allem zuerst Italiener, dnrch und durch Italiener, und als<lb/>
solche hassen sie Alles, was von Oestreich kommt, auf das Tiefste. Sobald<lb/>
viele Pfarrer, besonders auf dem Lande, daher erst die Ueberzeugung gewonnen,<lb/>
daß man östreichischer Seits eine große Freude an allen ihren oppositionellen<lb/>
Bestrebungen habe, und sie auf jegliche Weise zu begünstigen suche, zogen sie sich</p><lb/>
            <fw type="sig" place="bottom"> 48*</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0389] lichkeit des sardinischen Staatshaushaltes und der tüchtigen Wirthschaft der Leiter desselben, gelungen ist, zeigt noch heute der verhältnißmäßig günstige Stand aller Papiere Sardiniens ans den Börsen in London und Amsterdam. Das kleine be¬ siegte Sardinien hat einen bessern Credit bei den fremden,! wie auch einheimischen Capitalisten, als das große siegreiche Oestreich, — weil es ein aufrichtig konstitutionell regiertes Land ist und seine Schulden von den Ständen garantirt und ohne deren Genehmigung nicht vermehrt werden dürfen. Gerade diese finanzielle Wohlfahrt des Landes, seit Einführung der jetzigen Konstitution, hat manche sonst eifrige Gegner derselben schon sehr damit versöhnt. Ein zweiter Feind des constitutionellen Systems in Sardinien, der an ge¬ wissen Kreisen in Wien einen gewichtigen Rückhalt findet, ist ein Theil der Geist¬ lichkeit des Landes. Die sardinische Geistlichkeit erfreute sich sonst vielfacher und oft sehr bedeutender Privilegien auf Kosten des allgemeinen Wohls, die ihr der neue Zustand der Dinge seit dem Jahr 48 fast alle geraubt hat. Kein Wunder also, daß viele ihrer Mitglieder gerade nicht sehr erfreut über denselben sind, und jene guten alten Zeiten zurückwünschen. Von Wien und Rom aus sah man solche Unzufriedenheit eines großen Theiles dieses mächtigen und einflußreichen Standes ungemein gern, und sparte kein Mittel, dieselbe noch mehr zu steigern. Man hetzte und schürte, wo man nur konnte, und eigene Agenten sind von Rom aus wiederholt ausgesandt wordeu, um unter den sardinischen Geist¬ lichen noch mehr Opposition gegen die jetzigen Principien der Regierung zu verbreiten und zu gemeinsamen offenen Erklärungen und heimlichen Intriguen dagegen anzuspornen. Besonders die Jesuiten haben mit gewohnter Schlauheit auch hier die Hand im Spiele gehabt. Die bekannten Zerwürfnisse des Turiner Ministeriums mit einem Theil der Geistlichkeit, besonders einigen höheren Würden¬ trägern derselben, sind größtentheils dnrch jesuitische Umtriebe hervorgerufen wor¬ den, wie in Sardinien selbst allgemein bekannt ist. Ein förmliches Netz hat die Propaganda' in dieser Hinsicht über das Land zu ziehen gesucht, und kein Mittel gescheut, um ihren Einfluß auszubreiten. Daß diese großartigen Anstrengungen der ultramontanen Partei nicht ohne Erfolg geblieben sind, und der gedeihlichen Entwickelung des constitutionellen Princips im sardinische» Staat schou manche schwere Hindernisse bereitet haben, ja in der Zukunft noch mehr bereiten werden, ist nicht zu läugnen. Der Umstand aber, daß man sehr bald das Wiener Cabinet als den eigentlichen Mittelpunkt dieser ultramontanen Intriguen in Sardinien entdeckte, schwächte sehr bedeutend ihre Wirkung. Sehr Viele der sardinischen Geistlichen sind vor Allem zuerst Italiener, dnrch und durch Italiener, und als solche hassen sie Alles, was von Oestreich kommt, auf das Tiefste. Sobald viele Pfarrer, besonders auf dem Lande, daher erst die Ueberzeugung gewonnen, daß man östreichischer Seits eine große Freude an allen ihren oppositionellen Bestrebungen habe, und sie auf jegliche Weise zu begünstigen suche, zogen sie sich 48*

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94982
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94982/389
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94982/389>, abgerufen am 27.09.2024.