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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band.

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Wir waren jetzt, wie die Dichter sich ausdrücken, in der "Königin des
Westens", oder wie die Schalle meinen, in der ,,Stadt des Saufleisches."
Der Pseudodvctvr brummte, er entdeckte an der Straße, durch die wir unsren
Kärrner nach dem Jefferson Hotel folgten, nichts Königliches. Ich aber las an
mehr als einem Gebäude, das wir passirten, die Bezeichnung ?orKdou8v, und so
nach den ersten Eindrücken soll denn das ehrsame Cincinnati wenigstens für die
erste Nacht meines Dortseins, wie jene Schalle es nach seinen kolossalen Schweine¬
schlächtereien getauft, -- Porkopvlis heißen.




sardinische Zustände.
"-"Z.

Wir haben in unsrem ersten Artikel die Verhältnisse des Heeres im König¬
reich Sardinien besprochen, und wollen jetzt versuchen, noch einige Streiflichter ans
die übrigen inneren Verhältnisse dieses Landes zu werfen. Ist dasselbe doch gerade
in jetziger Zeit in doppelter Hinsicht von besonderer Wichtigkeit. Von allen Staaten
Italiens, ja Europas, welche die Ereignisse des Jahres 1848 constitutionell
machten, ist Sardinien der einzige, dessen Verfassung mehr als ein Scheinbild
geblieben ist, und Turin ist neben Brüssel die einzige Stadt ans dem Festland,
wo eine wirkliche parlamentarische Negierung besteht. Wie lange sich dieselbe
erhalten wird, ist freilich schwer zu prophezeihen, deun die Zahl und die Macht
der Feinde, die es von Innen und von Außen bedrohen, ist bedeutend. Das
neue System hat aber auch viele und feste Stützen im Volke selbst, und gerade
von deu eifrigsten Gegnern desselben sind einige gegen ihren Willen dessen größte
Beförderer geworden.

Der Hauptfeind einer gedeihlichen und aufrichtigen Entwickelung des consti-
tutionellen Systems im Königreich Sardinien ist in Wien. Man liebt dort,
wie bekannt, überhaupt nicht eine constitutionelle Regierungsform, haßt dieselbe
aber doppelt in Sardinien, denn der Vergleich mit diesem glücklichen, in seinem
Innern so wohl geordneten Lande kann in deu übrigen italienischen Provinzen,
die sich der directen "5er indirecten Oberherrschaft Oestreichs zu erfreuen haben,
nnr Unzufriedenheit mit den eigenen, und Sehnsucht uach deu Zuständen des
Nachbars erwecken. Außerdem ist Sardinien, vermöge seiner constitutionellen
Regierungsform, der einzige Hort der italienischen Freiheit und Unabhängigkeit,
und daher allen Feinden derselben ein gar gewaltiges Aergerniß, das man auf
jegliche Weise vernichten mochte. Am liebsten hätte man nach dem glücklichen
Feldzuge von 49, wo Turin deu siegreichen k. k. Heeren offen lag, das ganze


Grenzbote". IV. 48

Wir waren jetzt, wie die Dichter sich ausdrücken, in der „Königin des
Westens", oder wie die Schalle meinen, in der ,,Stadt des Saufleisches."
Der Pseudodvctvr brummte, er entdeckte an der Straße, durch die wir unsren
Kärrner nach dem Jefferson Hotel folgten, nichts Königliches. Ich aber las an
mehr als einem Gebäude, das wir passirten, die Bezeichnung ?orKdou8v, und so
nach den ersten Eindrücken soll denn das ehrsame Cincinnati wenigstens für die
erste Nacht meines Dortseins, wie jene Schalle es nach seinen kolossalen Schweine¬
schlächtereien getauft, — Porkopvlis heißen.




sardinische Zustände.
"-"Z.

Wir haben in unsrem ersten Artikel die Verhältnisse des Heeres im König¬
reich Sardinien besprochen, und wollen jetzt versuchen, noch einige Streiflichter ans
die übrigen inneren Verhältnisse dieses Landes zu werfen. Ist dasselbe doch gerade
in jetziger Zeit in doppelter Hinsicht von besonderer Wichtigkeit. Von allen Staaten
Italiens, ja Europas, welche die Ereignisse des Jahres 1848 constitutionell
machten, ist Sardinien der einzige, dessen Verfassung mehr als ein Scheinbild
geblieben ist, und Turin ist neben Brüssel die einzige Stadt ans dem Festland,
wo eine wirkliche parlamentarische Negierung besteht. Wie lange sich dieselbe
erhalten wird, ist freilich schwer zu prophezeihen, deun die Zahl und die Macht
der Feinde, die es von Innen und von Außen bedrohen, ist bedeutend. Das
neue System hat aber auch viele und feste Stützen im Volke selbst, und gerade
von deu eifrigsten Gegnern desselben sind einige gegen ihren Willen dessen größte
Beförderer geworden.

Der Hauptfeind einer gedeihlichen und aufrichtigen Entwickelung des consti-
tutionellen Systems im Königreich Sardinien ist in Wien. Man liebt dort,
wie bekannt, überhaupt nicht eine constitutionelle Regierungsform, haßt dieselbe
aber doppelt in Sardinien, denn der Vergleich mit diesem glücklichen, in seinem
Innern so wohl geordneten Lande kann in deu übrigen italienischen Provinzen,
die sich der directen »5er indirecten Oberherrschaft Oestreichs zu erfreuen haben,
nnr Unzufriedenheit mit den eigenen, und Sehnsucht uach deu Zuständen des
Nachbars erwecken. Außerdem ist Sardinien, vermöge seiner constitutionellen
Regierungsform, der einzige Hort der italienischen Freiheit und Unabhängigkeit,
und daher allen Feinden derselben ein gar gewaltiges Aergerniß, das man auf
jegliche Weise vernichten mochte. Am liebsten hätte man nach dem glücklichen
Feldzuge von 49, wo Turin deu siegreichen k. k. Heeren offen lag, das ganze


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[0387] Wir waren jetzt, wie die Dichter sich ausdrücken, in der „Königin des Westens", oder wie die Schalle meinen, in der ,,Stadt des Saufleisches." Der Pseudodvctvr brummte, er entdeckte an der Straße, durch die wir unsren Kärrner nach dem Jefferson Hotel folgten, nichts Königliches. Ich aber las an mehr als einem Gebäude, das wir passirten, die Bezeichnung ?orKdou8v, und so nach den ersten Eindrücken soll denn das ehrsame Cincinnati wenigstens für die erste Nacht meines Dortseins, wie jene Schalle es nach seinen kolossalen Schweine¬ schlächtereien getauft, — Porkopvlis heißen. sardinische Zustände. "-"Z. Wir haben in unsrem ersten Artikel die Verhältnisse des Heeres im König¬ reich Sardinien besprochen, und wollen jetzt versuchen, noch einige Streiflichter ans die übrigen inneren Verhältnisse dieses Landes zu werfen. Ist dasselbe doch gerade in jetziger Zeit in doppelter Hinsicht von besonderer Wichtigkeit. Von allen Staaten Italiens, ja Europas, welche die Ereignisse des Jahres 1848 constitutionell machten, ist Sardinien der einzige, dessen Verfassung mehr als ein Scheinbild geblieben ist, und Turin ist neben Brüssel die einzige Stadt ans dem Festland, wo eine wirkliche parlamentarische Negierung besteht. Wie lange sich dieselbe erhalten wird, ist freilich schwer zu prophezeihen, deun die Zahl und die Macht der Feinde, die es von Innen und von Außen bedrohen, ist bedeutend. Das neue System hat aber auch viele und feste Stützen im Volke selbst, und gerade von deu eifrigsten Gegnern desselben sind einige gegen ihren Willen dessen größte Beförderer geworden. Der Hauptfeind einer gedeihlichen und aufrichtigen Entwickelung des consti- tutionellen Systems im Königreich Sardinien ist in Wien. Man liebt dort, wie bekannt, überhaupt nicht eine constitutionelle Regierungsform, haßt dieselbe aber doppelt in Sardinien, denn der Vergleich mit diesem glücklichen, in seinem Innern so wohl geordneten Lande kann in deu übrigen italienischen Provinzen, die sich der directen »5er indirecten Oberherrschaft Oestreichs zu erfreuen haben, nnr Unzufriedenheit mit den eigenen, und Sehnsucht uach deu Zuständen des Nachbars erwecken. Außerdem ist Sardinien, vermöge seiner constitutionellen Regierungsform, der einzige Hort der italienischen Freiheit und Unabhängigkeit, und daher allen Feinden derselben ein gar gewaltiges Aergerniß, das man auf jegliche Weise vernichten mochte. Am liebsten hätte man nach dem glücklichen Feldzuge von 49, wo Turin deu siegreichen k. k. Heeren offen lag, das ganze Grenzbote». IV. 48

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94982/387>, abgerufen am 27.09.2024.