Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band.düngen und gut erhaltene Fahrstraßen hat die eidgenössische Cvmmunicationsdi- 41 "
düngen und gut erhaltene Fahrstraßen hat die eidgenössische Cvmmunicationsdi- 41 »
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0095" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/94536"/> <p xml:id="ID_236" prev="#ID_235" next="#ID_237"> düngen und gut erhaltene Fahrstraßen hat die eidgenössische Cvmmunicationsdi-<lb/> rection bestens gesorgt, wie denn überhaupt dem fahrenden Schüler des Lebens der<lb/> schweizerische Wegban eine erklekliche Wohlthat däucht, wenn er vorher die stam¬<lb/> meseigenthümlichen Postwege Bayerns genossen hat, obschon sie euphemistisch<lb/> Chausseen genannt werden. Schmal freilich und steil hinauf wie hinunter sind<lb/> diese iuuerrhodenschcn Straßen. Aber schön ist's da drinnen im Gebirge, eigen¬<lb/> thümlich abgeschnitten nach außen, still und erhaben in der Rundschau, als be-<lb/> fuhren mir ein fern gelegenes Land, wohin kein prosaisches Werkeltagsleben,<lb/> keine Gewöhnlichkeit der Alltäglichkeit dringt. Das scheint um freilich Mehr, als<lb/> es ist. Die Erwartung von etwas Besonderem mag sogar vorzugsweise einen<lb/> solchen ersten Eindruck begünstigen. Denn man kann in Se. Gallen, Thurgau<lb/> und selbst in Appenzell Außerrhoden oftmals verkehrt sein, ohne von Jnnerhoden<lb/> etwas anderes, als einigen Fabrikanten der großen Flecken oder wenigen Frauen<lb/> in der schönen besonderen Tracht ihrer Heimath'flüchtig begegnet zu sein. Ob<lb/> Jene oder Diese Bauern, vermag uns ihre Tracht nicht zu sagen. Denn die länd¬<lb/> liche Tracht scheint beinah obligatorisch. Gesetz und Leben kennen weder Vornehm<lb/> »och Gering; blos das Geld macht wohl auch hier eine Aristokratie. Aber sie<lb/> ist nicht stark genug und zu klug, um in der äußern Erscheinung nach Besonder¬<lb/> heiten zu suchen. Im Gespräch der niederen fruchtbaren und gewerbreichen Ost¬<lb/> kantone herrscht dagegen leicht eine gewisse vornehme Flüchtigkeit, wenn steh's auf<lb/> Jnnerrhoden lenkt; ohne daß es ausgesprochen wird, hört man dem Tone an, daß<lb/> dahinein wenig bekanntschastliche und verwandtschaftliche, fast nur geschäftliche<lb/> Bezüge gehen, daß nicht blos Berge und Dialektverschiedenheit, daß auch tiefere<lb/> Unterschiede schwer übersteigliche Grenzgräben gezogen haben. Jnnerrhoden ist<lb/> streng katholisch geblieben., während die Reformation an den Appenzeller Alpen<lb/> hinanstieg bis zu jenen Höhen, wo in ihrem fester geschichteten Fels die Verstei¬<lb/> nerungen der Muscheln und Seethiere verschwinden; die stummen Zeugen des<lb/> Erhebungsprozesses dieses ganzen Vorberglandes aus den wilden Wassern des<lb/> nun zusammengedrängten Bodensees. Und mit der Reformation ist hier außen<lb/> das ganze Leben flüssiger, biegsamer, elastischer geworden, während um ^.bKaUs<lb/> eslla (Appenzell), den Hauptort Jnncrrhodens, der alte Glaube, die alten<lb/> Herkömmlichkeiten, Gewohnheiten, Sitten und seine Bekenner immer starrer wer¬<lb/> den ließ, jemehr die Se. Galler und' Außerrhodner ihrer Väter unbrauchbare<lb/> Erbschaft in weltmännischen Verkehr versenkten. Das hat auch den eigentlichen<lb/> Grund gegeben zu jener Trennung in Jnnerrhoden und Außerroden, welche 1397<lb/> von einem eidgenössischen Schiedsgericht vollführt ward und seitdem constant geblie¬<lb/> ben ist, so oft auch Appenzell Jnnerhoden in die allgemeinen Geschicke der Schweiz<lb/> verflochten und ob auch von Napoleon versucht ward, es mit Se. Gallen zum<lb/> Canton Säntis zusammenzuschweißen. Nach langen Kämpfen erst anerkannte<lb/> Appenzell die neue Organisation der Schweiz von 1818 und seine neue Verfas-</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 41 »</fw><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0095]
düngen und gut erhaltene Fahrstraßen hat die eidgenössische Cvmmunicationsdi-
rection bestens gesorgt, wie denn überhaupt dem fahrenden Schüler des Lebens der
schweizerische Wegban eine erklekliche Wohlthat däucht, wenn er vorher die stam¬
meseigenthümlichen Postwege Bayerns genossen hat, obschon sie euphemistisch
Chausseen genannt werden. Schmal freilich und steil hinauf wie hinunter sind
diese iuuerrhodenschcn Straßen. Aber schön ist's da drinnen im Gebirge, eigen¬
thümlich abgeschnitten nach außen, still und erhaben in der Rundschau, als be-
fuhren mir ein fern gelegenes Land, wohin kein prosaisches Werkeltagsleben,
keine Gewöhnlichkeit der Alltäglichkeit dringt. Das scheint um freilich Mehr, als
es ist. Die Erwartung von etwas Besonderem mag sogar vorzugsweise einen
solchen ersten Eindruck begünstigen. Denn man kann in Se. Gallen, Thurgau
und selbst in Appenzell Außerrhoden oftmals verkehrt sein, ohne von Jnnerhoden
etwas anderes, als einigen Fabrikanten der großen Flecken oder wenigen Frauen
in der schönen besonderen Tracht ihrer Heimath'flüchtig begegnet zu sein. Ob
Jene oder Diese Bauern, vermag uns ihre Tracht nicht zu sagen. Denn die länd¬
liche Tracht scheint beinah obligatorisch. Gesetz und Leben kennen weder Vornehm
»och Gering; blos das Geld macht wohl auch hier eine Aristokratie. Aber sie
ist nicht stark genug und zu klug, um in der äußern Erscheinung nach Besonder¬
heiten zu suchen. Im Gespräch der niederen fruchtbaren und gewerbreichen Ost¬
kantone herrscht dagegen leicht eine gewisse vornehme Flüchtigkeit, wenn steh's auf
Jnnerrhoden lenkt; ohne daß es ausgesprochen wird, hört man dem Tone an, daß
dahinein wenig bekanntschastliche und verwandtschaftliche, fast nur geschäftliche
Bezüge gehen, daß nicht blos Berge und Dialektverschiedenheit, daß auch tiefere
Unterschiede schwer übersteigliche Grenzgräben gezogen haben. Jnnerrhoden ist
streng katholisch geblieben., während die Reformation an den Appenzeller Alpen
hinanstieg bis zu jenen Höhen, wo in ihrem fester geschichteten Fels die Verstei¬
nerungen der Muscheln und Seethiere verschwinden; die stummen Zeugen des
Erhebungsprozesses dieses ganzen Vorberglandes aus den wilden Wassern des
nun zusammengedrängten Bodensees. Und mit der Reformation ist hier außen
das ganze Leben flüssiger, biegsamer, elastischer geworden, während um ^.bKaUs
eslla (Appenzell), den Hauptort Jnncrrhodens, der alte Glaube, die alten
Herkömmlichkeiten, Gewohnheiten, Sitten und seine Bekenner immer starrer wer¬
den ließ, jemehr die Se. Galler und' Außerrhodner ihrer Väter unbrauchbare
Erbschaft in weltmännischen Verkehr versenkten. Das hat auch den eigentlichen
Grund gegeben zu jener Trennung in Jnnerrhoden und Außerroden, welche 1397
von einem eidgenössischen Schiedsgericht vollführt ward und seitdem constant geblie¬
ben ist, so oft auch Appenzell Jnnerhoden in die allgemeinen Geschicke der Schweiz
verflochten und ob auch von Napoleon versucht ward, es mit Se. Gallen zum
Canton Säntis zusammenzuschweißen. Nach langen Kämpfen erst anerkannte
Appenzell die neue Organisation der Schweiz von 1818 und seine neue Verfas-
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