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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band.

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sein neuer Markt mindestens 2 Millionen Pfund jährlich (für 3 Millionen Thaler)
weniger verbrauchen als sein alter, selbst mit Ausschluß von Bayern, Württemberg
und den übrigen Coalitionen. Man wird uns vielleicht einwenden, unsere Zahlen
seien vom alten Datum- Allerdings sind sie von 1853. Aber wenn die Ver¬
kehrsverhältnisse Oestreichs sich in den Jahren 44, 43, 46 gehoben haben, so ist
dies im Zollverein sicher in- viel größerem- Maßstabe geschehen. i7 kommt schon
das Hungerjahr, und 48, 49, 30 haben mit ihren Aufständen, kostspieligen Kriegen
und Rüstungen und den chronischen Geldwirren gewiß weder der Industrie noch
dem Wohlstand Oestreichs förderlich sein können. Deutschland hat auch gelitten,
aber in viel geringerem Maße. Die mannichfachen Nachtheile, welche die Unbe-
kanntschaft mit den Moden des neuen Marktes, die Nothwendigkeit zu ihrer
Befriedigung kostspielige Veränderungen in der Fabrikationsweise jedes Zweiges
vorzunehmen, die anfängliche Ueberlegenheit des einheimischen Fabrikanten, der
sich auf längst bekanntem Terrain beengt, nach sich ziehen würde, wollen wir gar
nicht erst erwähnen, so erheblich sie sind. Wir meinen, daß das Minimum der
gewissen Nachtheile, der bedeutende Ausfall in der Einnahme mit gerechnet, schon
groß genug ist, um Sachsen abzuhalten, ans diesem Wege weiter zu experimentiren,
und einem glänzenden Nebelbilde nachzujagen, das bei näherer Besichtigung in
eitel Nichts zerfließt.

Will übrigens die östreichische Regierung die Zolleiniguug ernstlich? Wir glauben
es nicht. Politische und industrielle Gründe sprechen dagegen. Die durch einen
seit langen Jahren bestehenden Prohibitivtarif großgezogene Industrie des Kaiser¬
staates hat sich eben deshalb zum Theil auf Bahnen geworfen, wo sie es nicht einmal
mit der Zollvereinsindustrie aufnehmen kann. Freilich prangen auf allen Jndnstrie-
ausstelluugen ans Oestreichs Fabriken wunderbare Schaustücke, die von der Aus¬
bildung der östreichischen Industrie ganz fabelhafte Vorstellungen erregen; und in
einzelnen Industriezweigen ist Oestreich unläugbar sehr weit vorgeschritten; auch
hören wir jeden Tag das alte Lied von Neuem singen, daß die östreichische Industrie
ganz auf eigeuen Füßen stehen könne. Aber es ist nicht an dem. Man darf
sich nur die Mühe geben, etwas vergleichende Statistik zu treiben, und man wird
in den östreichischen Ein- und Ansfuhrlisten ganz merkwürdige Aufschlüsse finden.
Zuerst führen wir die auffällige Thatsache an, daß bei einer ziemlich gleichen Ausfuhr --
was für eine entsprechend gleichmäßige Ausbildungsstufe der Fabrikation in beiden
Ländern spricht -- von chemischen Producten der Zollverein für 3,939,724 Thlr.
mehr einführt und behält als Oestreich, das sich mit der bescheidenen Summe
vou 327,000 Thlr. begnügt, also, wenir man den Unterschied der Bevölkerung in
Betracht zieht, nur etwas über den zehnten Theil von dem verbraucht, was die
Zollvereinsindustrie von diesem wichtigen Fabrikationsmittel beansprucht. Aehnlich
ist es in dem gleichwichtigen Artikel der Färbehölzer und Farbewaaren, obgleich hier
der Unterschied nicht so über die Maßen groß ist. Directere Schlüsse gestatten


sein neuer Markt mindestens 2 Millionen Pfund jährlich (für 3 Millionen Thaler)
weniger verbrauchen als sein alter, selbst mit Ausschluß von Bayern, Württemberg
und den übrigen Coalitionen. Man wird uns vielleicht einwenden, unsere Zahlen
seien vom alten Datum- Allerdings sind sie von 1853. Aber wenn die Ver¬
kehrsverhältnisse Oestreichs sich in den Jahren 44, 43, 46 gehoben haben, so ist
dies im Zollverein sicher in- viel größerem- Maßstabe geschehen. i7 kommt schon
das Hungerjahr, und 48, 49, 30 haben mit ihren Aufständen, kostspieligen Kriegen
und Rüstungen und den chronischen Geldwirren gewiß weder der Industrie noch
dem Wohlstand Oestreichs förderlich sein können. Deutschland hat auch gelitten,
aber in viel geringerem Maße. Die mannichfachen Nachtheile, welche die Unbe-
kanntschaft mit den Moden des neuen Marktes, die Nothwendigkeit zu ihrer
Befriedigung kostspielige Veränderungen in der Fabrikationsweise jedes Zweiges
vorzunehmen, die anfängliche Ueberlegenheit des einheimischen Fabrikanten, der
sich auf längst bekanntem Terrain beengt, nach sich ziehen würde, wollen wir gar
nicht erst erwähnen, so erheblich sie sind. Wir meinen, daß das Minimum der
gewissen Nachtheile, der bedeutende Ausfall in der Einnahme mit gerechnet, schon
groß genug ist, um Sachsen abzuhalten, ans diesem Wege weiter zu experimentiren,
und einem glänzenden Nebelbilde nachzujagen, das bei näherer Besichtigung in
eitel Nichts zerfließt.

Will übrigens die östreichische Regierung die Zolleiniguug ernstlich? Wir glauben
es nicht. Politische und industrielle Gründe sprechen dagegen. Die durch einen
seit langen Jahren bestehenden Prohibitivtarif großgezogene Industrie des Kaiser¬
staates hat sich eben deshalb zum Theil auf Bahnen geworfen, wo sie es nicht einmal
mit der Zollvereinsindustrie aufnehmen kann. Freilich prangen auf allen Jndnstrie-
ausstelluugen ans Oestreichs Fabriken wunderbare Schaustücke, die von der Aus¬
bildung der östreichischen Industrie ganz fabelhafte Vorstellungen erregen; und in
einzelnen Industriezweigen ist Oestreich unläugbar sehr weit vorgeschritten; auch
hören wir jeden Tag das alte Lied von Neuem singen, daß die östreichische Industrie
ganz auf eigeuen Füßen stehen könne. Aber es ist nicht an dem. Man darf
sich nur die Mühe geben, etwas vergleichende Statistik zu treiben, und man wird
in den östreichischen Ein- und Ansfuhrlisten ganz merkwürdige Aufschlüsse finden.
Zuerst führen wir die auffällige Thatsache an, daß bei einer ziemlich gleichen Ausfuhr —
was für eine entsprechend gleichmäßige Ausbildungsstufe der Fabrikation in beiden
Ländern spricht — von chemischen Producten der Zollverein für 3,939,724 Thlr.
mehr einführt und behält als Oestreich, das sich mit der bescheidenen Summe
vou 327,000 Thlr. begnügt, also, wenir man den Unterschied der Bevölkerung in
Betracht zieht, nur etwas über den zehnten Theil von dem verbraucht, was die
Zollvereinsindustrie von diesem wichtigen Fabrikationsmittel beansprucht. Aehnlich
ist es in dem gleichwichtigen Artikel der Färbehölzer und Farbewaaren, obgleich hier
der Unterschied nicht so über die Maßen groß ist. Directere Schlüsse gestatten


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94440/81>, abgerufen am 22.12.2024.