Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band.uns schon die Zahlenverhältnisse der großen Industrien der Garne und Stoffe von Wir haben uus bei diesem Nebelbild der östreichischen Handelseinigung so uns schon die Zahlenverhältnisse der großen Industrien der Garne und Stoffe von Wir haben uus bei diesem Nebelbild der östreichischen Handelseinigung so <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0082" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/94523"/> <p xml:id="ID_191" prev="#ID_190"> uns schon die Zahlenverhältnisse der großen Industrien der Garne und Stoffe von<lb/> Baumwolle, Wolle, Leinen und Seide. Allerdings nach den Theorien unsrer süd¬<lb/> deutschen Schutzzöllner müßte z. B. die Baumwollenspinnerei in Oestreich in der<lb/> schönsten Blüthe stehen. Siebzig Jahre genießt sie großen Schutzes. Die Arbeiter<lb/> müßten daher längst eingeschult, das Anlagekapital längst wieder zurückverdient und<lb/> die Lehrzeit vorbei sein, nach deren Ablauf man erst eine Concurrenz des deutschen<lb/> mit dem englischen Spinner erwarten kann. Aber trotzdem führt Oestreich an<lb/> Baumwollengarn die lächerliche Wenigkeit von 498 Ctr. aus, während die so<lb/> schwer bedrückten Spinner des Zollvereins im Anstand noch 53,000 Ctr. ab¬<lb/> setzen können. Von Baumwollenwaaren führt der Zollverein für -I'I Vs Mill.<lb/> Thaler, Oestreich für 896,000 Thlr. aus. In dem Hauptartikel der Leinen¬<lb/> industrie, gebleichten und gefärbten Leinen figurirt der Zollverein mit 9^ Mill.,<lb/> Oestreich mit Mill. Ausfuhr. In Wollenwaaren Ersterer mit Z3 Mill.,<lb/> Letzteres mit 9 Millionen. Am Allerauffälligsten ist es bei der Seidensabrikation.<lb/> Hier, wo Oestreich den Rohstoff ans der ersten Hand hat, also in jeder Hinsicht<lb/> begünstigt ist, führt der Zollverein für 12'/s Mill. halb- und ganzseidene Waa¬<lb/> ren, Oestreich für i^- 1,128,730 Thlr. aus! Von Kurz-Waaren, wo Oestreich<lb/> ebenfalls alle Rohstoffe in vortrefflicher Qualität und so billig als Norddeutschland<lb/> hat, führt Oestreich für -1,400,000 Thlr., der Zollverein für 12Vs Mill. Thaler<lb/> ans. Das giebt kein schönes Bild der Industrie des Kaiserstaates. Einzelne<lb/> Fächer mögen glänzend ausgebildet sein, aber die Hauptbranchen können es mit<lb/> der deutschen Industrie uicht aufnehmen, wie ihr geringer Absatz im Auslande<lb/> zeigt. Die östreichische Negierung kann die einmal vorhandenen Interessen nur<lb/> durch einen sehr allmählichen Uebergang zu einem bessern Handelssystem schonen,<lb/> darf aber nicht durch eine plötzliche Wendung dem Nationalwohlstand eine tiefe<lb/> Wunde schlagen. Von einem sofortigen oder sehr nahen Anschluß kann daher<lb/> gär nicht die Rede sein. Ein anderer Hindernngs-Grund ist, daß die östreichische<lb/> Zolllinie nicht blos Waaren, sondern auch Gedanken aufhalten soll. Oestreich<lb/> hat es nun einmal durch eine verkehrte Politik, schon seit der Reformation, dahin<lb/> gebracht, daß es sich der freien Strömung —- so mäßig diese Freiheit ist —<lb/> deutscher Ideen nicht ohne die größte Gefahr aussetzen kann. Am allerwenigsten<lb/> ist dies bei dem jetzt beliebten Centralisationssystem möglich. Es könnte einen<lb/> wirklichen Zollbund nnr unter der Bedingung eingehen, daß seine Verbündeten<lb/> sich derselben geistigen Fastendiät, wie ihr Bundessreund, Mtcrwürse. Wir find<lb/> überzeugt, daß damit die alten, seit 300 Jahren gelösten Bande, die Sachsen<lb/> wieder mit Oestreich verknüpfen muß, von denen neulich der Korrespondent einer<lb/> Dresdner ministeriellen Zeitung sprach, nicht gemeint sind, aber um diesen Preis<lb/> wäre uns selbst das reichste Handelsgebiet zu theuer.</p><lb/> <p xml:id="ID_192" next="#ID_193"> Wir haben uus bei diesem Nebelbild der östreichischen Handelseinigung so<lb/> lange aufgehalten, weil sie die Grundursache des gegenwärtigen jämmerlichen Zu-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0082]
uns schon die Zahlenverhältnisse der großen Industrien der Garne und Stoffe von
Baumwolle, Wolle, Leinen und Seide. Allerdings nach den Theorien unsrer süd¬
deutschen Schutzzöllner müßte z. B. die Baumwollenspinnerei in Oestreich in der
schönsten Blüthe stehen. Siebzig Jahre genießt sie großen Schutzes. Die Arbeiter
müßten daher längst eingeschult, das Anlagekapital längst wieder zurückverdient und
die Lehrzeit vorbei sein, nach deren Ablauf man erst eine Concurrenz des deutschen
mit dem englischen Spinner erwarten kann. Aber trotzdem führt Oestreich an
Baumwollengarn die lächerliche Wenigkeit von 498 Ctr. aus, während die so
schwer bedrückten Spinner des Zollvereins im Anstand noch 53,000 Ctr. ab¬
setzen können. Von Baumwollenwaaren führt der Zollverein für -I'I Vs Mill.
Thaler, Oestreich für 896,000 Thlr. aus. In dem Hauptartikel der Leinen¬
industrie, gebleichten und gefärbten Leinen figurirt der Zollverein mit 9^ Mill.,
Oestreich mit Mill. Ausfuhr. In Wollenwaaren Ersterer mit Z3 Mill.,
Letzteres mit 9 Millionen. Am Allerauffälligsten ist es bei der Seidensabrikation.
Hier, wo Oestreich den Rohstoff ans der ersten Hand hat, also in jeder Hinsicht
begünstigt ist, führt der Zollverein für 12'/s Mill. halb- und ganzseidene Waa¬
ren, Oestreich für i^- 1,128,730 Thlr. aus! Von Kurz-Waaren, wo Oestreich
ebenfalls alle Rohstoffe in vortrefflicher Qualität und so billig als Norddeutschland
hat, führt Oestreich für -1,400,000 Thlr., der Zollverein für 12Vs Mill. Thaler
ans. Das giebt kein schönes Bild der Industrie des Kaiserstaates. Einzelne
Fächer mögen glänzend ausgebildet sein, aber die Hauptbranchen können es mit
der deutschen Industrie uicht aufnehmen, wie ihr geringer Absatz im Auslande
zeigt. Die östreichische Negierung kann die einmal vorhandenen Interessen nur
durch einen sehr allmählichen Uebergang zu einem bessern Handelssystem schonen,
darf aber nicht durch eine plötzliche Wendung dem Nationalwohlstand eine tiefe
Wunde schlagen. Von einem sofortigen oder sehr nahen Anschluß kann daher
gär nicht die Rede sein. Ein anderer Hindernngs-Grund ist, daß die östreichische
Zolllinie nicht blos Waaren, sondern auch Gedanken aufhalten soll. Oestreich
hat es nun einmal durch eine verkehrte Politik, schon seit der Reformation, dahin
gebracht, daß es sich der freien Strömung —- so mäßig diese Freiheit ist —
deutscher Ideen nicht ohne die größte Gefahr aussetzen kann. Am allerwenigsten
ist dies bei dem jetzt beliebten Centralisationssystem möglich. Es könnte einen
wirklichen Zollbund nnr unter der Bedingung eingehen, daß seine Verbündeten
sich derselben geistigen Fastendiät, wie ihr Bundessreund, Mtcrwürse. Wir find
überzeugt, daß damit die alten, seit 300 Jahren gelösten Bande, die Sachsen
wieder mit Oestreich verknüpfen muß, von denen neulich der Korrespondent einer
Dresdner ministeriellen Zeitung sprach, nicht gemeint sind, aber um diesen Preis
wäre uns selbst das reichste Handelsgebiet zu theuer.
Wir haben uus bei diesem Nebelbild der östreichischen Handelseinigung so
lange aufgehalten, weil sie die Grundursache des gegenwärtigen jämmerlichen Zu-
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