Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band.Regierungen haben selbst anerkannt, daß vor dem vollständigen Anschluß Oest¬ .Wir wollen einmal mit dem eifrigsten Vertheidiger des großen mitteleuro¬ Regierungen haben selbst anerkannt, daß vor dem vollständigen Anschluß Oest¬ .Wir wollen einmal mit dem eifrigsten Vertheidiger des großen mitteleuro¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0078" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/94519"/> <p xml:id="ID_184" prev="#ID_183"> Regierungen haben selbst anerkannt, daß vor dem vollständigen Anschluß Oest¬<lb/> reichs mehrere vorbereitende Jahre verstreichen müssen, deren Anzahl man nicht<lb/> zu bestimmen gewagt hat — eine der nicht am mindesten charakteristischen Bestim¬<lb/> mungen dieser Conferenzen, deren Vereinbarungen sich durch ihre Vagheit und<lb/> Verschwommenheit vor allen bisher vorgekommenen handelspolitischen Vereinbar-<lb/> ungen andrer Nationen auszeichnen. Aber Jedermann wird uns zugeben, daß<lb/> S Jahre der allerkürzeste Termin sind, der zur Ausgleichung der so verschieden¬<lb/> artigen Verkehrsinteresscn beider Ländcrgruppen nothwendig ist. Glaubt man denn<lb/> etwa, daß Industriezweige ein so katzenzähes Leben haben, daß sie fünf Jahre lang<lb/> ans halbe oder gar auf Viertelsration gesetzt werden können, ohne zu Grunde zu<lb/> gehen? Und doch muß man so etwas glauben, denn wir können doch nicht vor¬<lb/> aussetzen, daß man ganze große Klassen der Bevölkerung der von einem solchen<lb/> Uebergangszustand unzertrennlichen Noth Preis geben will. Vielleicht hat man<lb/> sich gar Nichts dabei gedacht, wie das großen Staatsmännern, wenn ihnen in<lb/> nationalökomischcr Hinsicht etwas „vorschwebt", zuweilen passirt ist.</p><lb/> <p xml:id="ID_185" next="#ID_186"> .Wir wollen einmal mit dem eifrigsten Vertheidiger des großen mitteleuro¬<lb/> päischen Handelsreichs annehmen, baß der Anschluß an Oestreich gleich nach dem<lb/> Aufhören des Zollvereines möglich sei, und versuchen, uns die Folgen dieses An¬<lb/> schlusses für die deutsche Industrie klar zu mache». Es ist sehr schwer, darüber<lb/> zu einem festen Resultat zu gelangen. Ueber keine Frage sind in unsrer phrascu-<lb/> seligen Zeit mehr Phrasen gemacht worden, als über diese Frage von der Han-<lb/> dclöeiuigung mit Oestreich, seitdem die Idee von den süddeutschen Schutzzvlluern<lb/> ausgeheckt, von den Herren Höslen und Kiesselbach und anderen fingerfertigen<lb/> Agenten östreichischer'Pläne colportirt und ausposaunt, und zuletzt von dem Für¬<lb/> sten Schwarzenberg adoptirt worden ist. Es kann keinem vernünftigen Menschen<lb/> einfallen wollen, zu läugnen, daß die'Eröffnung eines Marktes von 36 Millionen<lb/> Menschen eine Sache von der höchsten Wichtigkeit für Deutschland ist, aber vor<lb/> allen Dingen muß man doch wissen, von welcher Art die Consumtionsverhält-<lb/> nisse dieses Marktes sind, und in wie weit die bisherigen Handelsbeziehungen<lb/> Deutschlands zu anderen Staaten durch diesen Anschluß alterirt werdeu. Nun hat<lb/> man zwar mystische Andeutungen und großartige Phrasen über die ungeheure Be¬<lb/> deutung der Donau, über das reiche Feld, das Oestreich der deutschen Industrie<lb/> bietet, ja sogar über die Eröffnung des Orients durch Oestreich gehört — und<lb/> zwar nicht blos in effektvoller Zeitungsartikeln, wo sie sich zur Noth entschuldigen<lb/> lassen, sondern auch in ernsten Staatsschriftcn und feierliche» Ministerreden, wo<lb/> man nicht mit Seifenblasen spielen sollte. Um so mehr hat es an bestimmten<lb/> Zahlenaugaben über den innern Verbrauch Oestreichs und über die' Ausdehnung<lb/> seines Verkehrs mit der Levante, überhaupt an genanen Darstellungen der innern<lb/> und auswärtigen Verkehrsverhältnisse Oestreichs gefehlt. Durch diese recht schlaue<lb/> Taktik ist in vielen Leuten eine dunkle Vorstellung erweckt worden, daß wir durch</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0078]
Regierungen haben selbst anerkannt, daß vor dem vollständigen Anschluß Oest¬
reichs mehrere vorbereitende Jahre verstreichen müssen, deren Anzahl man nicht
zu bestimmen gewagt hat — eine der nicht am mindesten charakteristischen Bestim¬
mungen dieser Conferenzen, deren Vereinbarungen sich durch ihre Vagheit und
Verschwommenheit vor allen bisher vorgekommenen handelspolitischen Vereinbar-
ungen andrer Nationen auszeichnen. Aber Jedermann wird uns zugeben, daß
S Jahre der allerkürzeste Termin sind, der zur Ausgleichung der so verschieden¬
artigen Verkehrsinteresscn beider Ländcrgruppen nothwendig ist. Glaubt man denn
etwa, daß Industriezweige ein so katzenzähes Leben haben, daß sie fünf Jahre lang
ans halbe oder gar auf Viertelsration gesetzt werden können, ohne zu Grunde zu
gehen? Und doch muß man so etwas glauben, denn wir können doch nicht vor¬
aussetzen, daß man ganze große Klassen der Bevölkerung der von einem solchen
Uebergangszustand unzertrennlichen Noth Preis geben will. Vielleicht hat man
sich gar Nichts dabei gedacht, wie das großen Staatsmännern, wenn ihnen in
nationalökomischcr Hinsicht etwas „vorschwebt", zuweilen passirt ist.
.Wir wollen einmal mit dem eifrigsten Vertheidiger des großen mitteleuro¬
päischen Handelsreichs annehmen, baß der Anschluß an Oestreich gleich nach dem
Aufhören des Zollvereines möglich sei, und versuchen, uns die Folgen dieses An¬
schlusses für die deutsche Industrie klar zu mache». Es ist sehr schwer, darüber
zu einem festen Resultat zu gelangen. Ueber keine Frage sind in unsrer phrascu-
seligen Zeit mehr Phrasen gemacht worden, als über diese Frage von der Han-
dclöeiuigung mit Oestreich, seitdem die Idee von den süddeutschen Schutzzvlluern
ausgeheckt, von den Herren Höslen und Kiesselbach und anderen fingerfertigen
Agenten östreichischer'Pläne colportirt und ausposaunt, und zuletzt von dem Für¬
sten Schwarzenberg adoptirt worden ist. Es kann keinem vernünftigen Menschen
einfallen wollen, zu läugnen, daß die'Eröffnung eines Marktes von 36 Millionen
Menschen eine Sache von der höchsten Wichtigkeit für Deutschland ist, aber vor
allen Dingen muß man doch wissen, von welcher Art die Consumtionsverhält-
nisse dieses Marktes sind, und in wie weit die bisherigen Handelsbeziehungen
Deutschlands zu anderen Staaten durch diesen Anschluß alterirt werdeu. Nun hat
man zwar mystische Andeutungen und großartige Phrasen über die ungeheure Be¬
deutung der Donau, über das reiche Feld, das Oestreich der deutschen Industrie
bietet, ja sogar über die Eröffnung des Orients durch Oestreich gehört — und
zwar nicht blos in effektvoller Zeitungsartikeln, wo sie sich zur Noth entschuldigen
lassen, sondern auch in ernsten Staatsschriftcn und feierliche» Ministerreden, wo
man nicht mit Seifenblasen spielen sollte. Um so mehr hat es an bestimmten
Zahlenaugaben über den innern Verbrauch Oestreichs und über die' Ausdehnung
seines Verkehrs mit der Levante, überhaupt an genanen Darstellungen der innern
und auswärtigen Verkehrsverhältnisse Oestreichs gefehlt. Durch diese recht schlaue
Taktik ist in vielen Leuten eine dunkle Vorstellung erweckt worden, daß wir durch
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