Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band.gardter Kreise hörten wir dagegen französische Ausdrücke, wie estimiren, französische Der schönste Menschenschlag ist in Wcitzackcr bei Pyritz, aber die sonstige Wie der große Haufen, so hat auch der Bauer eine Vorliebe für das Wunder¬ gardter Kreise hörten wir dagegen französische Ausdrücke, wie estimiren, französische Der schönste Menschenschlag ist in Wcitzackcr bei Pyritz, aber die sonstige Wie der große Haufen, so hat auch der Bauer eine Vorliebe für das Wunder¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0068" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/94509"/> <p xml:id="ID_162" prev="#ID_161"> gardter Kreise hörten wir dagegen französische Ausdrücke, wie estimiren, französische<lb/> Namen, Merkzeichen französischer Emigranten; in 2 Dörfern stießen wir sogar<lb/> ans Mulatten. Der Stammvater der einen Familie war im französischen Kriege<lb/> als Spielmann aus Napoleon's Armee desertirt und zurückgeblieben, der andre<lb/> von einem amerikanischen Schiffe abgelaufen. Dieser wollte sogar bei einer Klage<lb/> wegen Schwängerung die Vaterschaft bestreiten, als der Richter lachend die Farbe<lb/> des Kindes ihm vorhielt. Zurückgebliebene französische Soldaten findet man noch<lb/> aus manchen Dörfern, die noch heut nicht deutsch reden können, und deren Namen<lb/> von den Bauern auf eine wunderliche Weise verstümmelt sind. Im Dorfe Parchim<lb/> macht man ans dem Namen eines ehemaligen französischen Husars Se. Juliet<lb/> Sauteler, und aus Pelchier Pelchert. Auch deutsche Namen sind oft schwer zu<lb/> enträthseln. Auf der Insel Usedom nannte man uns den Namen Paul Labahn,<lb/> während der Taufschein drei andere Vornamen aufwies. Der Vorname Paul<lb/> bezeichnete einen Pfuhl, eine Pfütze, plattdeutsch Paul vor der Thüre, also eine<lb/> Oertlichkeit. Es giebt einen Pult (Brunnen) Gabel, Schimmel Tantow, Grund-<lb/> David, weil sein Hof im Grunde liegt, einen Bauern Kasulke Görre (Georg)<lb/> Michel, obwohl sein eigentlicher Namen Johann Viergutz war; Niemand kannte<lb/> mehr einen Kasulke Gorre Michel, aber so heißt der jedesmalige Hofbesitzer.<lb/> Dieselbe Bezeichnung von längst gestorbenen Hosbesitzern findet man noch bei<lb/> Paderborn.</p><lb/> <p xml:id="ID_163"> Der schönste Menschenschlag ist in Wcitzackcr bei Pyritz, aber die sonstige<lb/> Körperbeschaffenheit ist nicht makellos, da beim Ersatze viele junge Leute wegen<lb/> körperlicher Gebrechen zurückgestellt werden müssen. Die Physiognomien dieser<lb/> Familien haben ein stereotypes Gepräge, das sich mehr als bei städtischen Familien<lb/> fortpflanzt. So sahen wir das Bild' eines Stettiner Kaufmanns, Namens Loitz,<lb/> der im 16. Jahrhunderte der Rothschild von Pommern war, als Knabe jedoch<lb/> mit einem Stocke in der Hand auf der langen Brücke beim Aufziehen der Klappe<lb/> als Lausbursche sich vermiethete und dann sein Glück machte. Er war der Sohn<lb/> eines Bauern aus einem Dorfe Klempin bei Stargard, dort lebt noch heute das<lb/> Geschlecht der Loitzen, und wer das Bild jenes Kaufmanns gesehen und den noch<lb/> lebenden Bauer Loitz betrachtet, der sieht dasselbe Gesicht. Die Physiognomie<lb/> Cromwell's, als die eines echt norddeutschen Bauern, fanden wir in ihren Haupt¬<lb/> verhältnissen am häufigsten wieder.</p><lb/> <p xml:id="ID_164" next="#ID_165"> Wie der große Haufen, so hat auch der Bauer eine Vorliebe für das Wunder¬<lb/> bare, und so nüchtern er auch sonst anstritt, der Aberglaube ist noch seine schwache<lb/> Seite. In einer Gegend fanden wir den Glauben an die Stimme aus den<lb/> Wolken,, wie sie im Alterthume gehört wurde, verbreitet; einige Spaßvogel<lb/> hatten nämlich von einem Thurme mit einem großen Sprachrohre einem auf<lb/> städtischen Acker pflügenden Bauern, Namens Sieoke, zugerufen: Sieoke du<lb/> mußt sterben. Als der Bauer drei Mal die Stimme gehört hatte, spannte er</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0068]
gardter Kreise hörten wir dagegen französische Ausdrücke, wie estimiren, französische
Namen, Merkzeichen französischer Emigranten; in 2 Dörfern stießen wir sogar
ans Mulatten. Der Stammvater der einen Familie war im französischen Kriege
als Spielmann aus Napoleon's Armee desertirt und zurückgeblieben, der andre
von einem amerikanischen Schiffe abgelaufen. Dieser wollte sogar bei einer Klage
wegen Schwängerung die Vaterschaft bestreiten, als der Richter lachend die Farbe
des Kindes ihm vorhielt. Zurückgebliebene französische Soldaten findet man noch
aus manchen Dörfern, die noch heut nicht deutsch reden können, und deren Namen
von den Bauern auf eine wunderliche Weise verstümmelt sind. Im Dorfe Parchim
macht man ans dem Namen eines ehemaligen französischen Husars Se. Juliet
Sauteler, und aus Pelchier Pelchert. Auch deutsche Namen sind oft schwer zu
enträthseln. Auf der Insel Usedom nannte man uns den Namen Paul Labahn,
während der Taufschein drei andere Vornamen aufwies. Der Vorname Paul
bezeichnete einen Pfuhl, eine Pfütze, plattdeutsch Paul vor der Thüre, also eine
Oertlichkeit. Es giebt einen Pult (Brunnen) Gabel, Schimmel Tantow, Grund-
David, weil sein Hof im Grunde liegt, einen Bauern Kasulke Görre (Georg)
Michel, obwohl sein eigentlicher Namen Johann Viergutz war; Niemand kannte
mehr einen Kasulke Gorre Michel, aber so heißt der jedesmalige Hofbesitzer.
Dieselbe Bezeichnung von längst gestorbenen Hosbesitzern findet man noch bei
Paderborn.
Der schönste Menschenschlag ist in Wcitzackcr bei Pyritz, aber die sonstige
Körperbeschaffenheit ist nicht makellos, da beim Ersatze viele junge Leute wegen
körperlicher Gebrechen zurückgestellt werden müssen. Die Physiognomien dieser
Familien haben ein stereotypes Gepräge, das sich mehr als bei städtischen Familien
fortpflanzt. So sahen wir das Bild' eines Stettiner Kaufmanns, Namens Loitz,
der im 16. Jahrhunderte der Rothschild von Pommern war, als Knabe jedoch
mit einem Stocke in der Hand auf der langen Brücke beim Aufziehen der Klappe
als Lausbursche sich vermiethete und dann sein Glück machte. Er war der Sohn
eines Bauern aus einem Dorfe Klempin bei Stargard, dort lebt noch heute das
Geschlecht der Loitzen, und wer das Bild jenes Kaufmanns gesehen und den noch
lebenden Bauer Loitz betrachtet, der sieht dasselbe Gesicht. Die Physiognomie
Cromwell's, als die eines echt norddeutschen Bauern, fanden wir in ihren Haupt¬
verhältnissen am häufigsten wieder.
Wie der große Haufen, so hat auch der Bauer eine Vorliebe für das Wunder¬
bare, und so nüchtern er auch sonst anstritt, der Aberglaube ist noch seine schwache
Seite. In einer Gegend fanden wir den Glauben an die Stimme aus den
Wolken,, wie sie im Alterthume gehört wurde, verbreitet; einige Spaßvogel
hatten nämlich von einem Thurme mit einem großen Sprachrohre einem auf
städtischen Acker pflügenden Bauern, Namens Sieoke, zugerufen: Sieoke du
mußt sterben. Als der Bauer drei Mal die Stimme gehört hatte, spannte er
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