Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band.köpfe und Gräten werden unter den Tisch geworfen, weshalb beim Aufheben der Der Bauer trägt gewöhnlich einen blauen Rock, Kniehosen in vielen Ge¬ Bei Pasewalk fanden wir in einem Dorfe den Pfälzer Dialekt, im Nan- köpfe und Gräten werden unter den Tisch geworfen, weshalb beim Aufheben der Der Bauer trägt gewöhnlich einen blauen Rock, Kniehosen in vielen Ge¬ Bei Pasewalk fanden wir in einem Dorfe den Pfälzer Dialekt, im Nan- <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0067" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/94508"/> <p xml:id="ID_159" prev="#ID_158"> köpfe und Gräten werden unter den Tisch geworfen, weshalb beim Aufheben der<lb/> Tafel erst die Mägde mit Besen die Stube auskehren. Das Essen ist für den<lb/> Städter nicht schmackhaft bereitet. Bei Aushebung des alten Jagdrechts befanden<lb/> wir uns auf der Taufe bei einem Bauer/ der zum ersten Male Hasenbraten auf¬<lb/> tischte. Seine Fran, die wol nicht als Köchin ans einem Hofe gedient, hatte<lb/> den guten Lampe wie Hammelfleisch gekocht; trotzdem fanden die Bauern den<lb/> Hase» in der Woukersuppe sehr schmackhaft und stellten Betrachtungen darüber<lb/> an, daß der gnädige Herr solcher Bissen doch nicht mehr allein genieße. Klieben-<lb/> suppe giebt es des Morgens, Kartoffeln mit Heringen des Abends, jedoch ver¬<lb/> drängt das schmacklvse Cichorien-Wasser in manchen Gegenden die weit kräftigere<lb/> und nahrhaftere Frühsuppe. Honigbrod giebt es nur selten, da die Bienenzucht<lb/> abnimmt, ein gutes Stück Speck oder Schinken zum schwarzen Brode gilt als<lb/> Leckerbissen.</p><lb/> <p xml:id="ID_160"> Der Bauer trägt gewöhnlich einen blauen Rock, Kniehosen in vielen Ge¬<lb/> genden; nur auf der Halbinsel Mönkgut, auf Rügen, in einigen Dörfern bei<lb/> Stargard und Cöslin fanden wir eigenthümliche Trachten, welche als Erbstücke<lb/> der Vorfahren beibehalten werden. Aus Mönkgut fanden Westphalen echtes<lb/> Paderbornsches Platt, und da jene Gegend zum Kloster Eldena gehörte, und<lb/> durch Bauern ans Westphalen vor ungefähr 600 Jahren colonisirt wurde, so<lb/> hat sich dort Jahrhunderte lang eine abgeschlossene Eigenthümlichkeit erhalten.<lb/> An Westphalen erinnerten uns auch Bauerndörfer bei Neustettin, wo die Bauart<lb/> und Unterlage uns jene Gegend vor Angen führte. Dort liegen die Ackerstücke<lb/> auf die bunteste Weise durcheinander gewürfelt, jedes ist mit einem lebendigen<lb/> Zaune von Eichen, Buchen :c. umgeben, deren Stämme eingeknickt, und deren<lb/> Zweige durcheinander geflochten sind. Wiesen, Aecker, Hütung und Gehölz folgen<lb/> ans einander. An der Küste findet man andere Dörfer, die an Oberdeutschland<lb/> erinnern. In ihnen zieht sich der Acker in einem langen Streifen bis zur Grenze,<lb/> an dessen Ende die Hütung liegt. Zum äußersten Ackerstücke gelaugt man nur,<lb/> wenn man die vorderen passtrt hat, so daß manche Unbequemlichkeiten dadurch<lb/> entstehen. Vor der Ansiedelung war in solchen Dörfern die Gemeinheitsanfhebung<lb/> schon eingetreten, die im andern Kreise erst durch Separation durchgeführt werden<lb/> mußte. Zwischen Greifenberg und Colberg stießen wir auf Bauernhäuser, die<lb/> Wohnung, Scheune und Stallung unter einem Dache enthielten. Das größte<lb/> Bauerndorf Valm bei Neustettin hat einige 80 Bauern, die ihr Vieh von Knechten<lb/> und Mägden einzeln in den Knicken, die sich vom Dorfe eine Meile hinziehen,<lb/> weiden lassen. Man meill und buttert dort auf der Weide. Knecht und Magd<lb/> liegen in einer Hütte, ersterer liegt auf Stroh, letztere kriecht in einen Sack,<lb/> welchen sie unter d.en Armen zuschnürt. Trotz dieses engen Zusammenlebens<lb/> werden wenig uneheliche Kinder dort geboren.</p><lb/> <p xml:id="ID_161" next="#ID_162"> Bei Pasewalk fanden wir in einem Dorfe den Pfälzer Dialekt, im Nan-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0067]
köpfe und Gräten werden unter den Tisch geworfen, weshalb beim Aufheben der
Tafel erst die Mägde mit Besen die Stube auskehren. Das Essen ist für den
Städter nicht schmackhaft bereitet. Bei Aushebung des alten Jagdrechts befanden
wir uns auf der Taufe bei einem Bauer/ der zum ersten Male Hasenbraten auf¬
tischte. Seine Fran, die wol nicht als Köchin ans einem Hofe gedient, hatte
den guten Lampe wie Hammelfleisch gekocht; trotzdem fanden die Bauern den
Hase» in der Woukersuppe sehr schmackhaft und stellten Betrachtungen darüber
an, daß der gnädige Herr solcher Bissen doch nicht mehr allein genieße. Klieben-
suppe giebt es des Morgens, Kartoffeln mit Heringen des Abends, jedoch ver¬
drängt das schmacklvse Cichorien-Wasser in manchen Gegenden die weit kräftigere
und nahrhaftere Frühsuppe. Honigbrod giebt es nur selten, da die Bienenzucht
abnimmt, ein gutes Stück Speck oder Schinken zum schwarzen Brode gilt als
Leckerbissen.
Der Bauer trägt gewöhnlich einen blauen Rock, Kniehosen in vielen Ge¬
genden; nur auf der Halbinsel Mönkgut, auf Rügen, in einigen Dörfern bei
Stargard und Cöslin fanden wir eigenthümliche Trachten, welche als Erbstücke
der Vorfahren beibehalten werden. Aus Mönkgut fanden Westphalen echtes
Paderbornsches Platt, und da jene Gegend zum Kloster Eldena gehörte, und
durch Bauern ans Westphalen vor ungefähr 600 Jahren colonisirt wurde, so
hat sich dort Jahrhunderte lang eine abgeschlossene Eigenthümlichkeit erhalten.
An Westphalen erinnerten uns auch Bauerndörfer bei Neustettin, wo die Bauart
und Unterlage uns jene Gegend vor Angen führte. Dort liegen die Ackerstücke
auf die bunteste Weise durcheinander gewürfelt, jedes ist mit einem lebendigen
Zaune von Eichen, Buchen :c. umgeben, deren Stämme eingeknickt, und deren
Zweige durcheinander geflochten sind. Wiesen, Aecker, Hütung und Gehölz folgen
ans einander. An der Küste findet man andere Dörfer, die an Oberdeutschland
erinnern. In ihnen zieht sich der Acker in einem langen Streifen bis zur Grenze,
an dessen Ende die Hütung liegt. Zum äußersten Ackerstücke gelaugt man nur,
wenn man die vorderen passtrt hat, so daß manche Unbequemlichkeiten dadurch
entstehen. Vor der Ansiedelung war in solchen Dörfern die Gemeinheitsanfhebung
schon eingetreten, die im andern Kreise erst durch Separation durchgeführt werden
mußte. Zwischen Greifenberg und Colberg stießen wir auf Bauernhäuser, die
Wohnung, Scheune und Stallung unter einem Dache enthielten. Das größte
Bauerndorf Valm bei Neustettin hat einige 80 Bauern, die ihr Vieh von Knechten
und Mägden einzeln in den Knicken, die sich vom Dorfe eine Meile hinziehen,
weiden lassen. Man meill und buttert dort auf der Weide. Knecht und Magd
liegen in einer Hütte, ersterer liegt auf Stroh, letztere kriecht in einen Sack,
welchen sie unter d.en Armen zuschnürt. Trotz dieses engen Zusammenlebens
werden wenig uneheliche Kinder dort geboren.
Bei Pasewalk fanden wir in einem Dorfe den Pfälzer Dialekt, im Nan-
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