Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band.die Hände des Gutsbesitzers übergingen und die Nachkommen ihrer früheren Be¬ Wer in Pommern den Bauer in seiner Kraft und Stärke, seiner Einfalt Die Mahlzeit ist einfach. Im Sommer sieht man Knecht und Magd, die die Hände des Gutsbesitzers übergingen und die Nachkommen ihrer früheren Be¬ Wer in Pommern den Bauer in seiner Kraft und Stärke, seiner Einfalt Die Mahlzeit ist einfach. Im Sommer sieht man Knecht und Magd, die <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0066" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/94507"/> <p xml:id="ID_156" prev="#ID_155"> die Hände des Gutsbesitzers übergingen und die Nachkommen ihrer früheren Be¬<lb/> sther als Arbeitsleute in freier Leibeigenschaft zum Hofdienste verpflichtet sind.<lb/> In Vorpommern fanden wir diese Vernichtung des Bauernstandes am weitesten<lb/> ausgeführt, in Hinterpommern annähernd. Im Dorfe Schöneberg bei Stargard<lb/> gab es im Anfange dieses Jahrhunderts noch vierzig Bauern, jetzt nur noch<lb/> einen, der trotz aller Anerbietungen, trotzdem, daß beim Baue einer Chaussee<lb/> diese zweimal über seinen Acker geführt wurde, standhaft seinen kleinen bäuer¬<lb/> lichen Besitz bewahrt hat.</p><lb/> <p xml:id="ID_157"> Wer in Pommern den Bauer in seiner Kraft und Stärke, seiner Einfalt<lb/> und Wunderlichkeit genießen will, der suche die Kämmerei- und Amtsdörfer auf,<lb/> wo der vernichtende Kampf zwischen dem großen und kleinem Grundbesitz sich<lb/> noch nicht geltend gemacht hat. In Weitzacker bei Pyritz, im Amte Treptow und<lb/> Rügenwalde, auf den Kämmerei-Dörfern bei Stargard kann man noch heute<lb/> diesen eigenthümlichen Menschenschlag auffinden, vor dessen breitschultriger, mar¬<lb/> kiger Gestalt mau sinnend wie vor einem tiefew Wasser stehen bleibt, dessen Grund<lb/> man nicht erblicken kann. Ein „Willkommen" mit einem Händedruck empfängt<lb/> den Eintretenden, ein braun angestrichener hölzerner Stuhl wird dem Gaste hin¬<lb/> gestellt, und uun hat man Zeit, sich im kleinen Zimmer umzusehen, welches im<lb/> Spätsommer oben auf einem Rande längs der Wände mit einer Reihe der<lb/> schönsten Aepfel geschmückt ist, welcher Rand sonst von einer Reihe Teller ein¬<lb/> genommen wird. Eins oder mehrere Spinnräder stehen in der Stube, so wie<lb/> ein Webestuhl, denn. Spinnen und Weben sind Hauptbeschäftigung der Frau,<lb/> wenn die Wirthschaft sie sonst nicht in Anspruch nimmt. Die Mägde müssen<lb/> eine gewisse Anzahl von Stücken spinnen, und wenn Einlieger zum Bauernhöfe<lb/> gehören, so liefern diese auch eine bestimmte Anzahl von Stücken ab. Nachdem<lb/> der eigene Bedarf gedeckt ist, verkauft manche Bauerfrau noch für 20 Thaler<lb/> Leinwand auf den großen Lejnwandmärktcn zu Damm und Stargard; jedoch ist<lb/> in jüngster Zeit anch Baumwolle beim Weben so stark benutzt worden, daß der<lb/> Werth der Leinwand dadurch gesunken ist.</p><lb/> <p xml:id="ID_158" next="#ID_159"> Die Mahlzeit ist einfach. Im Sommer sieht man Knecht und Magd, die<lb/> ganze Bauernfamilie ans einer großen Schüssel Kartoffeln essen, die jedoch mit'<lb/> dem Löffel erst zum Munde gebracht werden, nachdem sie in einer daneben-<lb/> stehenden Schüssel voll Butter - oder süßer Milch, befeuchtet sind. Grobes<lb/> schwarzes Brod, das bei der Arbeit länger den Magen füllen soll, als weißes,<lb/> liegt auf dem Tische, Fleisch giebt es nur an gewissen Tagen, besonders in der<lb/> Erntezeit, wo auch die Frau des Tagelöhners die Tafel ihres Mannes mit<lb/> einem Stücke Speck zu fülle» pflegt. In der Erntezeit ißt man, wie beim<lb/> Schlachten am besten. Als Lieblingsessen gilt in Milch gekochter dicker Reis<lb/> und braun gekochte Fische, die bei Hochzeiten, Begräbnissen und Kindelbier ver¬<lb/> speist werden. Zu einem Gastcssen bringt sich Jeder sein Messer mit, die Fisch-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0066]
die Hände des Gutsbesitzers übergingen und die Nachkommen ihrer früheren Be¬
sther als Arbeitsleute in freier Leibeigenschaft zum Hofdienste verpflichtet sind.
In Vorpommern fanden wir diese Vernichtung des Bauernstandes am weitesten
ausgeführt, in Hinterpommern annähernd. Im Dorfe Schöneberg bei Stargard
gab es im Anfange dieses Jahrhunderts noch vierzig Bauern, jetzt nur noch
einen, der trotz aller Anerbietungen, trotzdem, daß beim Baue einer Chaussee
diese zweimal über seinen Acker geführt wurde, standhaft seinen kleinen bäuer¬
lichen Besitz bewahrt hat.
Wer in Pommern den Bauer in seiner Kraft und Stärke, seiner Einfalt
und Wunderlichkeit genießen will, der suche die Kämmerei- und Amtsdörfer auf,
wo der vernichtende Kampf zwischen dem großen und kleinem Grundbesitz sich
noch nicht geltend gemacht hat. In Weitzacker bei Pyritz, im Amte Treptow und
Rügenwalde, auf den Kämmerei-Dörfern bei Stargard kann man noch heute
diesen eigenthümlichen Menschenschlag auffinden, vor dessen breitschultriger, mar¬
kiger Gestalt mau sinnend wie vor einem tiefew Wasser stehen bleibt, dessen Grund
man nicht erblicken kann. Ein „Willkommen" mit einem Händedruck empfängt
den Eintretenden, ein braun angestrichener hölzerner Stuhl wird dem Gaste hin¬
gestellt, und uun hat man Zeit, sich im kleinen Zimmer umzusehen, welches im
Spätsommer oben auf einem Rande längs der Wände mit einer Reihe der
schönsten Aepfel geschmückt ist, welcher Rand sonst von einer Reihe Teller ein¬
genommen wird. Eins oder mehrere Spinnräder stehen in der Stube, so wie
ein Webestuhl, denn. Spinnen und Weben sind Hauptbeschäftigung der Frau,
wenn die Wirthschaft sie sonst nicht in Anspruch nimmt. Die Mägde müssen
eine gewisse Anzahl von Stücken spinnen, und wenn Einlieger zum Bauernhöfe
gehören, so liefern diese auch eine bestimmte Anzahl von Stücken ab. Nachdem
der eigene Bedarf gedeckt ist, verkauft manche Bauerfrau noch für 20 Thaler
Leinwand auf den großen Lejnwandmärktcn zu Damm und Stargard; jedoch ist
in jüngster Zeit anch Baumwolle beim Weben so stark benutzt worden, daß der
Werth der Leinwand dadurch gesunken ist.
Die Mahlzeit ist einfach. Im Sommer sieht man Knecht und Magd, die
ganze Bauernfamilie ans einer großen Schüssel Kartoffeln essen, die jedoch mit'
dem Löffel erst zum Munde gebracht werden, nachdem sie in einer daneben-
stehenden Schüssel voll Butter - oder süßer Milch, befeuchtet sind. Grobes
schwarzes Brod, das bei der Arbeit länger den Magen füllen soll, als weißes,
liegt auf dem Tische, Fleisch giebt es nur an gewissen Tagen, besonders in der
Erntezeit, wo auch die Frau des Tagelöhners die Tafel ihres Mannes mit
einem Stücke Speck zu fülle» pflegt. In der Erntezeit ißt man, wie beim
Schlachten am besten. Als Lieblingsessen gilt in Milch gekochter dicker Reis
und braun gekochte Fische, die bei Hochzeiten, Begräbnissen und Kindelbier ver¬
speist werden. Zu einem Gastcssen bringt sich Jeder sein Messer mit, die Fisch-
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