Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band.und einer Thekla, deren starkes, stolzes, fast hartes Rechtsgefühl denn doch nicht Dieser Mangel an historischem Sinn spricht sich auch in Uhland's politischen Einen weit größern Werth haben die Lieder, die sich mit volksthümlichen Wir haben schon oben angedeutet, daß ein wesentlicher Grund der Vorliebe, und einer Thekla, deren starkes, stolzes, fast hartes Rechtsgefühl denn doch nicht Dieser Mangel an historischem Sinn spricht sich auch in Uhland's politischen Einen weit größern Werth haben die Lieder, die sich mit volksthümlichen Wir haben schon oben angedeutet, daß ein wesentlicher Grund der Vorliebe, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0058" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/94499"/> <p xml:id="ID_135" prev="#ID_134"> und einer Thekla, deren starkes, stolzes, fast hartes Rechtsgefühl denn doch nicht<lb/> ganz ins Gebiet der Sentimentalität gehört.</p><lb/> <p xml:id="ID_136"> Dieser Mangel an historischem Sinn spricht sich auch in Uhland's politischen<lb/> Liedern aus. Wir meinen weniger den Inhalt, obgleich auch hier die fort¬<lb/> währenden Variationen über das gute alte württemberger Recht nicht mehr histo¬<lb/> rischen Sinn haben, als die spätere Stellung Uhland's in der Frankfurter Demo¬<lb/> kratie, wo er gegen den engern Bundesstaat war, Weiler in der Stimme eines<lb/> jeden Oestreichers das Rauschen des adriatischen Meeres zu vernehmen glaubte;<lb/> wir meinen vielmehr den resignirt sentimentalen Ton, der ganz dem Charakter<lb/> der Burschenschaft entspricht. stylistisch stehen diese Lieder viel höher, als die<lb/> meisten der damaligen Freiheitsdichtcr; aber es ist doch in Theodor Körner, in Arndt,<lb/> auch in Rückert, weniger in Schcnkendorf, ein kräftigeres, unmittelbareres Lebe»;<lb/> wenn sie anch den Mund etwas voll nehmen, so fühlt man doch naturwüchsige<lb/> Leidenschaft heraus, und wenn auch, der Unterschied von einigen Jahren Uhland's<lb/> Gedichten eine viel ungünstigere Stellung gab, so reicht er- doch uicht allein aus,<lb/> diese elegische Färbung zu rechtfertigen.</p><lb/> <p xml:id="ID_137"> Einen weit größern Werth haben die Lieder, die sich mit volksthümlichen<lb/> Gegenständen beschäftigen, in denen der Gegenstand mit der Empfindung voll¬<lb/> ständig zusammenfällt, z. B. Schäfers Sonntagslied, Was klinget und singet<lb/> die Straßen herauf u. f. w. Wenn hier auch der Ton der alten Volkslieder,<lb/> die von herumreisenden Handwerksburschen gedichtet oder wenigstens organisch<lb/> erweitert waren, überall durchklingt, und wenn wir auch in vielen von den Liedern,<lb/> die uns in des Knaben Wunderhorn aufbewahrt sind, eine größere natürliche<lb/> Frische, ein kräftigeres ursprüngliches Leben herauserkennen, so müssen wir uns<lb/> doch in diesem Fall mit der Idealisirung Uhland's vollkommen einverstanden er¬<lb/> klären; denn jene alten Lieder mit ihrem zuweilen rohen Cynismus und ihrer<lb/> gedankenlosen Zerstreutheit haben für ein gesundes Gefühl doch eigentlich immer<lb/> mir ein literarhistorisches Interesse, wenigstens gilt das von einem großen Theil<lb/> derselben. Uhland, hat das Wesentliche des Tons beibehalten und es doch in<lb/> gebildete und humane Formen übertragen, und es war seinerseits ein großer<lb/> Fortschritt gegen die frühere Lyrik, daß er durch die Mannichfaltigkeit der freilich<lb/> uur leicht scizzirten Figuren die frühere Eintönigkeit aufhob. Auch dieses war ein<lb/> wesentliches Moment für die musikalische Haltung seiner Lyrik, aus die wir nun<lb/> übergehen.</p><lb/> <p xml:id="ID_138" next="#ID_139"> Wir haben schon oben angedeutet, daß ein wesentlicher Grund der Vorliebe,<lb/> mit welcher die Musiker die Uhland'scheu Lieder componirter, in einem Mangel<lb/> zu suchen ist, nämlich in dem Mangel einer tiefern psychischen Erregung und<lb/> einer ausgeführten Individualisirung. Der Stoff widerstrebte der musikalischen<lb/> Freiheit so wenig als irgend möglich, er gab ihr nnr den Grundton der Stim¬<lb/> mung; allein ein positiver und wenigstens eben so sehr zu beachtender Grund lag</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0058]
und einer Thekla, deren starkes, stolzes, fast hartes Rechtsgefühl denn doch nicht
ganz ins Gebiet der Sentimentalität gehört.
Dieser Mangel an historischem Sinn spricht sich auch in Uhland's politischen
Liedern aus. Wir meinen weniger den Inhalt, obgleich auch hier die fort¬
währenden Variationen über das gute alte württemberger Recht nicht mehr histo¬
rischen Sinn haben, als die spätere Stellung Uhland's in der Frankfurter Demo¬
kratie, wo er gegen den engern Bundesstaat war, Weiler in der Stimme eines
jeden Oestreichers das Rauschen des adriatischen Meeres zu vernehmen glaubte;
wir meinen vielmehr den resignirt sentimentalen Ton, der ganz dem Charakter
der Burschenschaft entspricht. stylistisch stehen diese Lieder viel höher, als die
meisten der damaligen Freiheitsdichtcr; aber es ist doch in Theodor Körner, in Arndt,
auch in Rückert, weniger in Schcnkendorf, ein kräftigeres, unmittelbareres Lebe»;
wenn sie anch den Mund etwas voll nehmen, so fühlt man doch naturwüchsige
Leidenschaft heraus, und wenn auch, der Unterschied von einigen Jahren Uhland's
Gedichten eine viel ungünstigere Stellung gab, so reicht er- doch uicht allein aus,
diese elegische Färbung zu rechtfertigen.
Einen weit größern Werth haben die Lieder, die sich mit volksthümlichen
Gegenständen beschäftigen, in denen der Gegenstand mit der Empfindung voll¬
ständig zusammenfällt, z. B. Schäfers Sonntagslied, Was klinget und singet
die Straßen herauf u. f. w. Wenn hier auch der Ton der alten Volkslieder,
die von herumreisenden Handwerksburschen gedichtet oder wenigstens organisch
erweitert waren, überall durchklingt, und wenn wir auch in vielen von den Liedern,
die uns in des Knaben Wunderhorn aufbewahrt sind, eine größere natürliche
Frische, ein kräftigeres ursprüngliches Leben herauserkennen, so müssen wir uns
doch in diesem Fall mit der Idealisirung Uhland's vollkommen einverstanden er¬
klären; denn jene alten Lieder mit ihrem zuweilen rohen Cynismus und ihrer
gedankenlosen Zerstreutheit haben für ein gesundes Gefühl doch eigentlich immer
mir ein literarhistorisches Interesse, wenigstens gilt das von einem großen Theil
derselben. Uhland, hat das Wesentliche des Tons beibehalten und es doch in
gebildete und humane Formen übertragen, und es war seinerseits ein großer
Fortschritt gegen die frühere Lyrik, daß er durch die Mannichfaltigkeit der freilich
uur leicht scizzirten Figuren die frühere Eintönigkeit aufhob. Auch dieses war ein
wesentliches Moment für die musikalische Haltung seiner Lyrik, aus die wir nun
übergehen.
Wir haben schon oben angedeutet, daß ein wesentlicher Grund der Vorliebe,
mit welcher die Musiker die Uhland'scheu Lieder componirter, in einem Mangel
zu suchen ist, nämlich in dem Mangel einer tiefern psychischen Erregung und
einer ausgeführten Individualisirung. Der Stoff widerstrebte der musikalischen
Freiheit so wenig als irgend möglich, er gab ihr nnr den Grundton der Stim¬
mung; allein ein positiver und wenigstens eben so sehr zu beachtender Grund lag
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