Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band.wiederholt vorbeigehen, ohne daß sie Einen im mindesten beachten; sie sprechen Die Dredgcrmen suchen auch im Flusse, sind aber Leute ganz anderer Art. Ein Der Dredgerman und sein Boot ist leicht vor allen anderen zu erkennen, Grenzboten. III. 18ö2. 64
wiederholt vorbeigehen, ohne daß sie Einen im mindesten beachten; sie sprechen Die Dredgcrmen suchen auch im Flusse, sind aber Leute ganz anderer Art. Ein Der Dredgerman und sein Boot ist leicht vor allen anderen zu erkennen, Grenzboten. III. 18ö2. 64
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wiederholt vorbeigehen, ohne daß sie Einen im mindesten beachten; sie sprechen
>ne, sondern waten mit dem geistlosen Jammergestcht dnrch den Schlamm, wäh¬
rend sie sich gieng umsehen, und sich dann und wann hurtig bücken, um irgend
einen kleinen Fund aufzulesen.
Die Dredgcrmen suchen auch im Flusse, sind aber Leute ganz anderer Art. Ein
Dredgcr ist mit einem Boot, Anker und Schleppnetz ausgerüstet, und betreibt sein Ge¬
schäft theils selbstständig, theils mit Fischerei verbunden. Doch ist dieses Geschäft,
seitdem die Schiffe in Docks liegen, nicht mehr so einträglich wie früher, wo die
Schiffe alle im Flusse selbst cutterten. Wenn einmal ein beladenes Kohlenboot
senkt, so ist es merkwürdig, in wie kurzer Zeit sich die Dredger aus allen Theilen
des Flusses auf der Stelle einfinden. Die Themse nimmt sich bei solchen Gelegen¬
heiten sehr belebt ans. Anfangs sind die Dredger alle auf einem Haufen, anscheinend in
der größten Verwirrung, und sich einander in den Weg fahrend; einige ruhen auf den
Rudern, während sie den Inhalt ihrer Netze besichtigen und die Kohlen in den Boden
des Boots schütten; andere rudern gegen den Strom, um eine günstige Stelle
zum Auswerfen des Netzes zu finden, und wenn sie eine gefunden zu haben glauben,
so werfen sie rasch das Netz aus, und rudern wieder mit dem Strom, als ob
es eine Wette gelte, bis sie an der Schwere des Netzes fühlen, daß es voll ist.
Dann wird es hereingenommen, geleert, und sogleich wieder an einer geeigneten
Stelle ausgeworfen. Andere, die ihre Boote vollgeladen haben, fahren nach dem
Ufer, um möglichst schnell auszuladen, und daun wieder zu ihren Kameraden zurück¬
zukehren. Sie fahren fort, so zu arbeiten, bis die Jlnth zurückkommt, saugen
aber wieder an, wenn die Ebbe eingetreten ist; und so geht es Tag und Nacht
fort, so lange etwas aufzufischen ist. Auch aufgefischte Leichen sind dem Dredgerman
eine Erwerbsquelle. Er bekommt dafür von dem Kirchspiel, wo die Todtenschau
über den Verunglückten gehalten wird, eine bestimmte Summe, und in der Tasche
des Ertrunkenen findet sich niemals Geld, obgleich oft eine Uhr, die leichtir zu
identificiren ist.
Der Dredgerman und sein Boot ist leicht vor allen anderen zu erkennen,
denn sie haben ihres Gleichen nicht auf dem ganzen Flusse. Der scharfe Schaft
vorn und hinten, so wie die Kürze und volle Rundung des Fahrzeugs, zeichnen
es auf den ersten Blick ans. Auch steht das Boot immer aus wie Werkeltag,
wie ein von langer Reise zurückkehrendes Schiff. Der vierarmige Grundanker
liegt auf dem Bug auf einem Nundtan, während das andere Ende des Bootes mit Koh¬
len, Knochen und altcmTanwerk, mit Schlamm vermischt, angefüllt ist. Das Schlepp¬
netz hängt über die Seite. Eine kurze untersetzte Gestalt, das Gesicht schmuzig
von Schweiß, ans dem Kopf einen großen Südwester, in einem schmuzigen carrirten
Hemd, dessen Aermel bis über die Ellbogen aufgekrempelt sind, legt sich kräftig
in die Ruder, denn sie muß das schwere Netz mit fortziehen, das belastet aus dem
Boden des Flusses hinschleppt.
Grenzboten. III. 18ö2. 64
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