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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band.

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auf die Dustyards, die meistens in den Vorstädten in der unmittelbaren Nähe der
Wohnungen der Aermeren liegen, und ziemlich geräumig siud. Betritt man eine solche
Dustyard, so findet man in der Mitte einen großen Hügel, bestehend aus schon
durchgesiebtem Dust. Rund herum sind kleine Haufen, die noch zu sieben sind,
und vor ihm stehen die Arbeiter, meistens Frauen, fast bis an die Hüfte im
Dust mit großen eisernen Sieben, die sie heftig in Bewegung setzen. Ihre gro¬
ben und schmuzigen Kattnnkleider sind hinten aufgesteckt, die Arme bis zu den
Ellbogen bloß, der Kopf mit verbogenen schwarzem Hute bedeckt, und die ganze
Vorderseite vom Halse an abwärts von einer ledernen Schürze beschützt, die vor
der Brust uoch durch eiuen wattirter Schurz verstärkt ist. Der ganze Uard ist
voller Leben. Dort wird gesiebt, hier wird das Durchgesiebte auf den großen
Haufen zusammengeschaufelt, während dann und wann ein Karren neue Zufuhr
bringt. Die ausgesiebte Asche wird als Dünger benutzt, die gröberen Schlacken
beim Ziegelstreichen, Knochen und andere thierische Abfälle, die häufig sich unter
der Asche finden, an die Berlinerblau-Fabriken verkauft. Die Eigenthümer der
Dnstyards sind 80 -- 90 Entrepreneurs, die von den einzelnen Londoner Kirch¬
spielen die Fortschaffung der Asche aus den Häusern contractlich übernehmen.

Die Themse giebt ebenfalls verschiedenen Findern und Sammlern Beschäfti¬
gung. Zuerst sind hier die Schlammlcrchen (Mudlarks) anzuführen. Sie suchen,
während der Ebbezeit, Kohlen, Holz, Knochen und Aehnliches in dem Schlamme
des Flusses, und müssen dabei oft bis an die Hüfte im Schlamm waten. Sie
bieten den allerjämmerlichsten Anblick dar, den man sich denken kann. Man sieht
sie von jedem Lebensalter, von zartester Jugend bis zu halb kindisch-gewordenem
Alter, zwischen den Fahrzeugen an den verschiedenett Wersten die Themse entlang
herumkrieche". Man kann nicht sagen, daß sie in Lumpen gekleidet wären, denn
sie sind kaum halb von den Hadern, die ihre Bloße verhüllen sollen, bedeckt; ihre
Haut ist überzogen von dem stinkenden Schlamme des Flusses, und ihre zerlumpten
Kleider vom Koth steif wie Breter. Die Schlammlerchen wohnen meistens in
Höfen und Gäßchen in der Nähe des Flusses, und so wie die Fluth abnimmt,
sieht man Schaaren von Knaben und kleinen Mädchen, ein Paar alte Männer
und viele alte Weiber an den verschiedenen Wassertreppen stehen, voller Begier,
ihr Tagewerk zu beginnen. Ist die Ebbe eingetreten, so losen sich die Gruppen
auf, und verschwinden einzeln zwischen den nun auf dem Trocknen liegenden
Fahrzeugen. Das geschieht auf beiden Seiten des Flusses so weit stromauf¬
wärts, als etwas zu finden ist, nämlich bis zur Vauxhallbrücke, und bis nach
Woolwich hinunter. Die Schlammlercheu kennen jedoch nnr ihre Kameraden aus
der nächsten Nachbarschaft, die sie nie in ihrem Geschäft verlassen. Sie sind
überhaupt mit sehr wenig Ausnahmen von wenig lebhaftem Geiste, fast blödsinnig?
und man merkt das hauptsächlich an den Knaben und Mädchen, die während
ihres Suchens nur selten mit einander sprechen. Auch an den Aelteren kann man


auf die Dustyards, die meistens in den Vorstädten in der unmittelbaren Nähe der
Wohnungen der Aermeren liegen, und ziemlich geräumig siud. Betritt man eine solche
Dustyard, so findet man in der Mitte einen großen Hügel, bestehend aus schon
durchgesiebtem Dust. Rund herum sind kleine Haufen, die noch zu sieben sind,
und vor ihm stehen die Arbeiter, meistens Frauen, fast bis an die Hüfte im
Dust mit großen eisernen Sieben, die sie heftig in Bewegung setzen. Ihre gro¬
ben und schmuzigen Kattnnkleider sind hinten aufgesteckt, die Arme bis zu den
Ellbogen bloß, der Kopf mit verbogenen schwarzem Hute bedeckt, und die ganze
Vorderseite vom Halse an abwärts von einer ledernen Schürze beschützt, die vor
der Brust uoch durch eiuen wattirter Schurz verstärkt ist. Der ganze Uard ist
voller Leben. Dort wird gesiebt, hier wird das Durchgesiebte auf den großen
Haufen zusammengeschaufelt, während dann und wann ein Karren neue Zufuhr
bringt. Die ausgesiebte Asche wird als Dünger benutzt, die gröberen Schlacken
beim Ziegelstreichen, Knochen und andere thierische Abfälle, die häufig sich unter
der Asche finden, an die Berlinerblau-Fabriken verkauft. Die Eigenthümer der
Dnstyards sind 80 — 90 Entrepreneurs, die von den einzelnen Londoner Kirch¬
spielen die Fortschaffung der Asche aus den Häusern contractlich übernehmen.

Die Themse giebt ebenfalls verschiedenen Findern und Sammlern Beschäfti¬
gung. Zuerst sind hier die Schlammlcrchen (Mudlarks) anzuführen. Sie suchen,
während der Ebbezeit, Kohlen, Holz, Knochen und Aehnliches in dem Schlamme
des Flusses, und müssen dabei oft bis an die Hüfte im Schlamm waten. Sie
bieten den allerjämmerlichsten Anblick dar, den man sich denken kann. Man sieht
sie von jedem Lebensalter, von zartester Jugend bis zu halb kindisch-gewordenem
Alter, zwischen den Fahrzeugen an den verschiedenett Wersten die Themse entlang
herumkrieche». Man kann nicht sagen, daß sie in Lumpen gekleidet wären, denn
sie sind kaum halb von den Hadern, die ihre Bloße verhüllen sollen, bedeckt; ihre
Haut ist überzogen von dem stinkenden Schlamme des Flusses, und ihre zerlumpten
Kleider vom Koth steif wie Breter. Die Schlammlerchen wohnen meistens in
Höfen und Gäßchen in der Nähe des Flusses, und so wie die Fluth abnimmt,
sieht man Schaaren von Knaben und kleinen Mädchen, ein Paar alte Männer
und viele alte Weiber an den verschiedenen Wassertreppen stehen, voller Begier,
ihr Tagewerk zu beginnen. Ist die Ebbe eingetreten, so losen sich die Gruppen
auf, und verschwinden einzeln zwischen den nun auf dem Trocknen liegenden
Fahrzeugen. Das geschieht auf beiden Seiten des Flusses so weit stromauf¬
wärts, als etwas zu finden ist, nämlich bis zur Vauxhallbrücke, und bis nach
Woolwich hinunter. Die Schlammlercheu kennen jedoch nnr ihre Kameraden aus
der nächsten Nachbarschaft, die sie nie in ihrem Geschäft verlassen. Sie sind
überhaupt mit sehr wenig Ausnahmen von wenig lebhaftem Geiste, fast blödsinnig?
und man merkt das hauptsächlich an den Knaben und Mädchen, die während
ihres Suchens nur selten mit einander sprechen. Auch an den Aelteren kann man


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[0516] auf die Dustyards, die meistens in den Vorstädten in der unmittelbaren Nähe der Wohnungen der Aermeren liegen, und ziemlich geräumig siud. Betritt man eine solche Dustyard, so findet man in der Mitte einen großen Hügel, bestehend aus schon durchgesiebtem Dust. Rund herum sind kleine Haufen, die noch zu sieben sind, und vor ihm stehen die Arbeiter, meistens Frauen, fast bis an die Hüfte im Dust mit großen eisernen Sieben, die sie heftig in Bewegung setzen. Ihre gro¬ ben und schmuzigen Kattnnkleider sind hinten aufgesteckt, die Arme bis zu den Ellbogen bloß, der Kopf mit verbogenen schwarzem Hute bedeckt, und die ganze Vorderseite vom Halse an abwärts von einer ledernen Schürze beschützt, die vor der Brust uoch durch eiuen wattirter Schurz verstärkt ist. Der ganze Uard ist voller Leben. Dort wird gesiebt, hier wird das Durchgesiebte auf den großen Haufen zusammengeschaufelt, während dann und wann ein Karren neue Zufuhr bringt. Die ausgesiebte Asche wird als Dünger benutzt, die gröberen Schlacken beim Ziegelstreichen, Knochen und andere thierische Abfälle, die häufig sich unter der Asche finden, an die Berlinerblau-Fabriken verkauft. Die Eigenthümer der Dnstyards sind 80 — 90 Entrepreneurs, die von den einzelnen Londoner Kirch¬ spielen die Fortschaffung der Asche aus den Häusern contractlich übernehmen. Die Themse giebt ebenfalls verschiedenen Findern und Sammlern Beschäfti¬ gung. Zuerst sind hier die Schlammlcrchen (Mudlarks) anzuführen. Sie suchen, während der Ebbezeit, Kohlen, Holz, Knochen und Aehnliches in dem Schlamme des Flusses, und müssen dabei oft bis an die Hüfte im Schlamm waten. Sie bieten den allerjämmerlichsten Anblick dar, den man sich denken kann. Man sieht sie von jedem Lebensalter, von zartester Jugend bis zu halb kindisch-gewordenem Alter, zwischen den Fahrzeugen an den verschiedenett Wersten die Themse entlang herumkrieche». Man kann nicht sagen, daß sie in Lumpen gekleidet wären, denn sie sind kaum halb von den Hadern, die ihre Bloße verhüllen sollen, bedeckt; ihre Haut ist überzogen von dem stinkenden Schlamme des Flusses, und ihre zerlumpten Kleider vom Koth steif wie Breter. Die Schlammlerchen wohnen meistens in Höfen und Gäßchen in der Nähe des Flusses, und so wie die Fluth abnimmt, sieht man Schaaren von Knaben und kleinen Mädchen, ein Paar alte Männer und viele alte Weiber an den verschiedenen Wassertreppen stehen, voller Begier, ihr Tagewerk zu beginnen. Ist die Ebbe eingetreten, so losen sich die Gruppen auf, und verschwinden einzeln zwischen den nun auf dem Trocknen liegenden Fahrzeugen. Das geschieht auf beiden Seiten des Flusses so weit stromauf¬ wärts, als etwas zu finden ist, nämlich bis zur Vauxhallbrücke, und bis nach Woolwich hinunter. Die Schlammlercheu kennen jedoch nnr ihre Kameraden aus der nächsten Nachbarschaft, die sie nie in ihrem Geschäft verlassen. Sie sind überhaupt mit sehr wenig Ausnahmen von wenig lebhaftem Geiste, fast blödsinnig? und man merkt das hauptsächlich an den Knaben und Mädchen, die während ihres Suchens nur selten mit einander sprechen. Auch an den Aelteren kann man

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94440/516>, abgerufen am 22.12.2024.