Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band.Farben der Damenzengsticfeln, oder dem bunten Marokin in Kinderschuhen unter¬ Eine Industrie ganz eigener Art ist das Einkaufen von alten Theeblättern, Wir kommen jetzt zu der letzten Abtheilung der ehrlichen Straßenindnstriel- Der Dustman meldete sich früher mit einer großen Glocke und dem Ruf: Farben der Damenzengsticfeln, oder dem bunten Marokin in Kinderschuhen unter¬ Eine Industrie ganz eigener Art ist das Einkaufen von alten Theeblättern, Wir kommen jetzt zu der letzten Abtheilung der ehrlichen Straßenindnstriel- Der Dustman meldete sich früher mit einer großen Glocke und dem Ruf: <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0515" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/94956"/> <p xml:id="ID_1514" prev="#ID_1513"> Farben der Damenzengsticfeln, oder dem bunten Marokin in Kinderschuhen unter¬<lb/> brochen wird. Grellbunte Taschentücher liegen ans Stühlen, Spitzen und Musselin<lb/> sind auf kleinen Tischchen und dem Fußboden ausgebreitet. Schwarze und weiße<lb/> und Strohhüte hangen an Bindfaden, oder stehen über einander get'burnt neben den<lb/> Thüren, während eine Masse Volk sich beständig durch das Gewühl windet, und<lb/> Mancher schon die Kleider ans dem Leibe trägt, die er eben erst gekauft hat.<lb/> Die Lebhaftigkeit des Verkehrs benutzen anch die Verkäufer von Eßwaaren und<lb/> Getränken, so wie die Trödler aller Art, und nicht selteu wird man geheimnißvoll<lb/> und flüsternd von einem matrosenartig gekleideten Mann angeredet, der ge¬<lb/> schmuggelte Waaren zu verkaufen hat. In Nosemarylane ist es fast noch lebhafter<lb/> und das Geschäft noch vielartiger.</p><lb/> <p xml:id="ID_1515"> Eine Industrie ganz eigener Art ist das Einkaufen von alten Theeblättern,<lb/> aus denen schon einmal Thee gekocht worden ist, und die ausgefärbt und<lb/> dann als frischer Thee verkauft werden. Der Handel ist polizeilich verboten,<lb/> wird aber mit großer Lebhaftigkeit betrieben, obgleich etwas weniger, als<lb/> früher bei den höheren Theepreisen. Die Einkäuferinnen, — es sind meistens<lb/> Frauen in diesem Handel beschäftigt, — gehen in den Häusern herum, und kaufen<lb/> die gebrauchten Theeblätter um ein Billiges von der Dienerschaft, oder stehen in<lb/> Contract mit den Kaffeehäusern. Sie sind immer die Mittelspersonen für Fabri¬<lb/> kanten, welche die Theeblätter trocknen, färben (mit Berlinerblau) und auf erhitzten<lb/> Metallplatten kräuseln, und dann mit ordinairen Thee vermischt verpacken. Man<lb/> schlägt den Umsatz von alten Theeblättern in London auf 6—700 Pfd. wöchentlich an.</p><lb/> <p xml:id="ID_1516"> Wir kommen jetzt zu der letzten Abtheilung der ehrlichen Straßenindnstriel-<lb/> leu, zu den Straßenfindern. Einer namentlicher Erwähnung bedürfen davon aber<lb/> nur die Lumpen- und Knochensammler, die Nachtkönige und Straßenkehrer, die<lb/> Sammler von Hundemist für die Fabrikanten von Handschuhleder und Saffian,<lb/> kenntlich durch ihren bedeckten Korb und an der schwarzbehandschuhten rechten Hand.<lb/> Manche legen sich auch auf das Sammeln von Cigarrenstummcln, und haben ihre<lb/> besten Ernten in den aristokratischen Districten der City und in der Nähe der<lb/> Theater und Casinos. Auch an dem Strand, Regentstreet und den sashivnableren<lb/> Straßen sind viele Cigarrenstummel zu finden, aber nirgends so viel, daß ein<lb/> Mann ganz allein davon leben könnte. Die Stummel werden von fünf Perso¬<lb/> nen in London gekauft, doch weiß man nicht genau, zu welchem Zwecke. Einige<lb/> behaupten, um zu ordinairen Cigarren verarbeitet zu werden, Andere, um sie zu<lb/> Rauchtabak zu verschneiden, oder Schnupftabak daraus zu machen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1517" next="#ID_1518"> Der Dustman meldete sich früher mit einer großen Glocke und dem Ruf:<lb/> Dustho! an, aber seit der neuen Polizeiacte ist ihm das verboten. Er bildet<lb/> aber mit seinem Südwester Hut und dem kurzen Fnhrmannskittel, und dem vier¬<lb/> eckigen und einspännigen Karren immer noch eine eigenthümliche Figur der Lon¬<lb/> doner Straßen. Er sammelt aus den Häusern Steinkohlcnasche und fährt sie</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0515]
Farben der Damenzengsticfeln, oder dem bunten Marokin in Kinderschuhen unter¬
brochen wird. Grellbunte Taschentücher liegen ans Stühlen, Spitzen und Musselin
sind auf kleinen Tischchen und dem Fußboden ausgebreitet. Schwarze und weiße
und Strohhüte hangen an Bindfaden, oder stehen über einander get'burnt neben den
Thüren, während eine Masse Volk sich beständig durch das Gewühl windet, und
Mancher schon die Kleider ans dem Leibe trägt, die er eben erst gekauft hat.
Die Lebhaftigkeit des Verkehrs benutzen anch die Verkäufer von Eßwaaren und
Getränken, so wie die Trödler aller Art, und nicht selteu wird man geheimnißvoll
und flüsternd von einem matrosenartig gekleideten Mann angeredet, der ge¬
schmuggelte Waaren zu verkaufen hat. In Nosemarylane ist es fast noch lebhafter
und das Geschäft noch vielartiger.
Eine Industrie ganz eigener Art ist das Einkaufen von alten Theeblättern,
aus denen schon einmal Thee gekocht worden ist, und die ausgefärbt und
dann als frischer Thee verkauft werden. Der Handel ist polizeilich verboten,
wird aber mit großer Lebhaftigkeit betrieben, obgleich etwas weniger, als
früher bei den höheren Theepreisen. Die Einkäuferinnen, — es sind meistens
Frauen in diesem Handel beschäftigt, — gehen in den Häusern herum, und kaufen
die gebrauchten Theeblätter um ein Billiges von der Dienerschaft, oder stehen in
Contract mit den Kaffeehäusern. Sie sind immer die Mittelspersonen für Fabri¬
kanten, welche die Theeblätter trocknen, färben (mit Berlinerblau) und auf erhitzten
Metallplatten kräuseln, und dann mit ordinairen Thee vermischt verpacken. Man
schlägt den Umsatz von alten Theeblättern in London auf 6—700 Pfd. wöchentlich an.
Wir kommen jetzt zu der letzten Abtheilung der ehrlichen Straßenindnstriel-
leu, zu den Straßenfindern. Einer namentlicher Erwähnung bedürfen davon aber
nur die Lumpen- und Knochensammler, die Nachtkönige und Straßenkehrer, die
Sammler von Hundemist für die Fabrikanten von Handschuhleder und Saffian,
kenntlich durch ihren bedeckten Korb und an der schwarzbehandschuhten rechten Hand.
Manche legen sich auch auf das Sammeln von Cigarrenstummcln, und haben ihre
besten Ernten in den aristokratischen Districten der City und in der Nähe der
Theater und Casinos. Auch an dem Strand, Regentstreet und den sashivnableren
Straßen sind viele Cigarrenstummel zu finden, aber nirgends so viel, daß ein
Mann ganz allein davon leben könnte. Die Stummel werden von fünf Perso¬
nen in London gekauft, doch weiß man nicht genau, zu welchem Zwecke. Einige
behaupten, um zu ordinairen Cigarren verarbeitet zu werden, Andere, um sie zu
Rauchtabak zu verschneiden, oder Schnupftabak daraus zu machen.
Der Dustman meldete sich früher mit einer großen Glocke und dem Ruf:
Dustho! an, aber seit der neuen Polizeiacte ist ihm das verboten. Er bildet
aber mit seinem Südwester Hut und dem kurzen Fnhrmannskittel, und dem vier¬
eckigen und einspännigen Karren immer noch eine eigenthümliche Figur der Lon¬
doner Straßen. Er sammelt aus den Häusern Steinkohlcnasche und fährt sie
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