Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band.ausgefärbte Stellen, während der Verkäufer mit lnchsäugiger Unruhe zusieht. Die hier verkauften Kleider bestehen aus dreierlei Sorten: aus solchen, die Erdarbeit werden diese Waaren wie bei uns von herumwandernden Juden, Clothes Exchange bildet den Mittelpunkt des großen Londoner Trödel¬ Der Erdboden hat ebenfalls seine Farben. Er ist mit Reihen von Schuhen ausgefärbte Stellen, während der Verkäufer mit lnchsäugiger Unruhe zusieht. Die hier verkauften Kleider bestehen aus dreierlei Sorten: aus solchen, die Erdarbeit werden diese Waaren wie bei uns von herumwandernden Juden, Clothes Exchange bildet den Mittelpunkt des großen Londoner Trödel¬ Der Erdboden hat ebenfalls seine Farben. Er ist mit Reihen von Schuhen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0514" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/94955"/> <p xml:id="ID_1509" prev="#ID_1508"> ausgefärbte Stellen, während der Verkäufer mit lnchsäugiger Unruhe zusieht.<lb/> Auf einmal geht der Lärm und das Feilschen wieder von vorn an, und in das<lb/> Getümmel hinein ertönen die Rufe der Verkäufer von Fliederwein, Zuckerwaaren,<lb/> Schassfüßeu und ähnlichen Erfrischungen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1510"> Die hier verkauften Kleider bestehen aus dreierlei Sorten: aus solchen, die<lb/> noch gut genug sind, um künstlich aufgeputzt und aufgestützt, als beste alte Kleider<lb/> an alte Kleiderläden verkauft, oder für mehr als ihren Werth bei dem Pfand¬<lb/> verleiher versetzt zu werden; aus alte» Kleidern, die noch gut genug sind, um<lb/> nach Irland, Australien und den Kolonien überhaupt exportirt zu werden: sehr<lb/> viel Waare dieser Sorte geht auch nach den südamerikanischen Republiken und nach<lb/> den Vereinigten Staaten; endlich aus eigentlichen Lumpen, die zu Allem zu schlecht<lb/> zu sein scheinen. Aber gerade^ sie gehen der glorreichsten Bestimmung entgegen.<lb/> Wie der Phönix erstehen sie wieder aus der Asche. In Uvrkshire werden sie in<lb/> großen Fabrikgebäuden von einer Devil (Teufel) genannten Maschine in Stückchen<lb/> zerrissen und zu ,,Teufelsstaub" oder Shoddy gemacht, der mit guter Wolle ver¬<lb/> mischt wieder zu Tuch verwoben wird. Dieses Tuch, das ganz gut aussieht,<lb/> aber nichts hält und sehr billig ist, wird wieder an die billigen Kleiderläden in<lb/> der großen Weltstadt verkauft.</p><lb/> <p xml:id="ID_1511"> Erdarbeit werden diese Waaren wie bei uns von herumwandernden Juden,<lb/> die sich in Nichts von den unsrigen unterscheiden. Aber noch öfter als mit Geld<lb/> eingekauft, werden die alten Kleider eingetauscht, und zwar gegen Steingut, Glas,<lb/> oder plattirte Waaren, durch deren äußeres Ansehen die schlauen Juden selbst<lb/> vorsichtige Hausfrauen oft zu einem unvortheilhaften Tausche zu verlocken wissen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1512"> Clothes Exchange bildet den Mittelpunkt des großen Londoner Trödel¬<lb/> markts, der sich noch über Petticoat und Roscmarylane, und die zu diesem<lb/> Quartier gehörenden Gassen ausdehnt. Hier stößt man fast auf jedem Schritt auf<lb/> einen Händler mit alten Kleidern, die aber alle auf der Clothes Exchange einge¬<lb/> handelt sind. Fast könnte man sagen, daß man hier durch ein Paar englische<lb/> Meilen Kleider zu gehen habe. Die Straße Petticoatlane ist lang und schmal,<lb/> und an ihrem Eingang blickt man durch eine Fernsicht vielfarbiger Gewänder, die<lb/> an den Häusern hängen oder auf der Erde ausgebreitet sind. Die vorherrschen¬<lb/> den Farben sind schwarz und blau, aber es ist jede Farbe vorhanden: das helle<lb/> Modegclb einer aristokratischen Livree, das dunkle Braungrün des Velvetrcns,<lb/> das Dunkelblau einer Lotseujacke, das glänzende Schwarz aufgefrischter Fracks,<lb/> das gleisende Schwarz einer mit Terpentin glasirten seidenen Weste; das Schar¬<lb/> lach und Grün eines bunten Tartans, untermischt mit den lichten und lebhaften<lb/> Farben der Franenkleider bieten hier einen Anblick, den man schwerlich in einer<lb/> andern Stadt der Welt sehen kann.</p><lb/> <p xml:id="ID_1513" next="#ID_1514"> Der Erdboden hat ebenfalls seine Farben. Er ist mit Reihen von Schuhen<lb/> und Stiefeln bedeckt, deren glänzendes Schwarz von den braunen und gelblichen-</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0514]
ausgefärbte Stellen, während der Verkäufer mit lnchsäugiger Unruhe zusieht.
Auf einmal geht der Lärm und das Feilschen wieder von vorn an, und in das
Getümmel hinein ertönen die Rufe der Verkäufer von Fliederwein, Zuckerwaaren,
Schassfüßeu und ähnlichen Erfrischungen.
Die hier verkauften Kleider bestehen aus dreierlei Sorten: aus solchen, die
noch gut genug sind, um künstlich aufgeputzt und aufgestützt, als beste alte Kleider
an alte Kleiderläden verkauft, oder für mehr als ihren Werth bei dem Pfand¬
verleiher versetzt zu werden; aus alte» Kleidern, die noch gut genug sind, um
nach Irland, Australien und den Kolonien überhaupt exportirt zu werden: sehr
viel Waare dieser Sorte geht auch nach den südamerikanischen Republiken und nach
den Vereinigten Staaten; endlich aus eigentlichen Lumpen, die zu Allem zu schlecht
zu sein scheinen. Aber gerade^ sie gehen der glorreichsten Bestimmung entgegen.
Wie der Phönix erstehen sie wieder aus der Asche. In Uvrkshire werden sie in
großen Fabrikgebäuden von einer Devil (Teufel) genannten Maschine in Stückchen
zerrissen und zu ,,Teufelsstaub" oder Shoddy gemacht, der mit guter Wolle ver¬
mischt wieder zu Tuch verwoben wird. Dieses Tuch, das ganz gut aussieht,
aber nichts hält und sehr billig ist, wird wieder an die billigen Kleiderläden in
der großen Weltstadt verkauft.
Erdarbeit werden diese Waaren wie bei uns von herumwandernden Juden,
die sich in Nichts von den unsrigen unterscheiden. Aber noch öfter als mit Geld
eingekauft, werden die alten Kleider eingetauscht, und zwar gegen Steingut, Glas,
oder plattirte Waaren, durch deren äußeres Ansehen die schlauen Juden selbst
vorsichtige Hausfrauen oft zu einem unvortheilhaften Tausche zu verlocken wissen.
Clothes Exchange bildet den Mittelpunkt des großen Londoner Trödel¬
markts, der sich noch über Petticoat und Roscmarylane, und die zu diesem
Quartier gehörenden Gassen ausdehnt. Hier stößt man fast auf jedem Schritt auf
einen Händler mit alten Kleidern, die aber alle auf der Clothes Exchange einge¬
handelt sind. Fast könnte man sagen, daß man hier durch ein Paar englische
Meilen Kleider zu gehen habe. Die Straße Petticoatlane ist lang und schmal,
und an ihrem Eingang blickt man durch eine Fernsicht vielfarbiger Gewänder, die
an den Häusern hängen oder auf der Erde ausgebreitet sind. Die vorherrschen¬
den Farben sind schwarz und blau, aber es ist jede Farbe vorhanden: das helle
Modegclb einer aristokratischen Livree, das dunkle Braungrün des Velvetrcns,
das Dunkelblau einer Lotseujacke, das glänzende Schwarz aufgefrischter Fracks,
das gleisende Schwarz einer mit Terpentin glasirten seidenen Weste; das Schar¬
lach und Grün eines bunten Tartans, untermischt mit den lichten und lebhaften
Farben der Franenkleider bieten hier einen Anblick, den man schwerlich in einer
andern Stadt der Welt sehen kann.
Der Erdboden hat ebenfalls seine Farben. Er ist mit Reihen von Schuhen
und Stiefeln bedeckt, deren glänzendes Schwarz von den braunen und gelblichen-
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