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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band.

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xr" mÄl Ars zur Theilnahme, wenn sie ihr auch nicht sehr geneigt waren, sowol
wegen des liederlichen Lebens als wegen des vielen Fluchens. Diese Theilnahme
kam ihnen jedoch theuer zu stehen. Im Januar 18i9 verließen die ungarischen
Besatzungen diese Orte. Fürst Windischgrätz hatte die Magyaren vor sich Her-
getrieben und diese sammelten sich jenseits der Theiß, und zogen alle ihre zer¬
streuten Kräfte an sich und die Serben verließen alsbald Se. Tamas, um über
diese Orte herzufallen. Der erste Ort, der an die Reihe kam, war Verbaß auf
der Straße gegen Szambor. Diese Dorfschaft besteht aus 2 Theilen, aus Neu-
Verbaß, wo die Bevölkerung eine rein deutsche ist, und Alt-Verbaß, wo zwar
ursprünglich blos Serben, jetzt aber auch Deutsche und Magyaren wohnen. Die
Ungarn hatten Schanzen aufgeworfen, und es wäre eine Vertheidigung nicht
unmöglich gewesen. Man schickte nach Se. Tamas, ließ einen > freundlichen Gruß
entbieten und sagen, daß man nur gezwungen von den Ungarn ihnen feindlich
gegenübergestanden habe und'nun befreundet sein wolle. Die Parlamentäre aber
wurden zurückgehalten, statt ihrer kam ein Pope, begleitet von 2 bewaffneten Ser-
bianern mit dem Ruhe: "Es lebe der Kaiser!" und die ganze Bevölkerung stimmte
ein. Er versicherte, die Serben hätten nichts Böses vor, und bewog Viele, die
ihre Habe bereits aufgepackt hatten, diese nicht weg zu senden. Bald aber kam
das Kros nach. Man fiel über die Wagen her und plünderte sie, drang in die
Häuser, raubte sie rein aus, und was man nicht fortschleppen konnte, zerschlug
und zerbrach man. Man riß den Leuten die Kleider vom Leibe; in einer furcht¬
baren Kälte von 13 Grad mußten die Beraubten ohne Schuhe und Strümpfe
Meilen weit im bloßen Hemde laufen, um nur das Leben zu retten, denn dem
Raube folgte der Mord und der Brand. Wer gerade ausfiel, wurde erstochen, mit
Kolben erschlagen und erschossen. Man fing Leute auf, ließ sie wieder los, und
als sie davon liefen, wurde auf sie, wie ans flüchtig Wild geschossen. An SO
Menschen wurden auf diese Art ermordet; daß ihrer uicht mehr waren, lag daran,
daß bald die Objecte zum Todtschlage fehlten, da Alles, was nicht Serbe war, floh.
Die Hänser mußten statt ihrer Bewohner büßen, und wo man in diesen einen
Serbenfeilid vermuthete, und das geschah bei jedem Deutschen, wurde das Haus
angezündet. Noch liegt beinahe die Hälfte des Dorfes in Trümmern, die Ein¬
wohner haben sich in Strohhütten und Kellern ein Lager bereitet, bis ihnen ihr
Fleiß wieder- die Mittel zum Aufbaue gewähren wird. Die Vermögenderen haben
sich neue und schönere Häuser construirt. Nachdem VerbaH ausgeplündert und
verbrannt war, our.de ein Raubzug organisirt, wie ihn die Weltgeschichte seit den
Türkenkriegen nicht keimt. Doch es wird spät, .und die Wege sind des Nachts
unsicher. Ich eile, meine Wanderung uuter den Brandstätten fortzusetzen, die
Erzählung der folgenden Facta, wie ich sie von Augenzeugen habe, ans ein ander
Mal verschiebend.




xr« mÄl Ars zur Theilnahme, wenn sie ihr auch nicht sehr geneigt waren, sowol
wegen des liederlichen Lebens als wegen des vielen Fluchens. Diese Theilnahme
kam ihnen jedoch theuer zu stehen. Im Januar 18i9 verließen die ungarischen
Besatzungen diese Orte. Fürst Windischgrätz hatte die Magyaren vor sich Her-
getrieben und diese sammelten sich jenseits der Theiß, und zogen alle ihre zer¬
streuten Kräfte an sich und die Serben verließen alsbald Se. Tamas, um über
diese Orte herzufallen. Der erste Ort, der an die Reihe kam, war Verbaß auf
der Straße gegen Szambor. Diese Dorfschaft besteht aus 2 Theilen, aus Neu-
Verbaß, wo die Bevölkerung eine rein deutsche ist, und Alt-Verbaß, wo zwar
ursprünglich blos Serben, jetzt aber auch Deutsche und Magyaren wohnen. Die
Ungarn hatten Schanzen aufgeworfen, und es wäre eine Vertheidigung nicht
unmöglich gewesen. Man schickte nach Se. Tamas, ließ einen > freundlichen Gruß
entbieten und sagen, daß man nur gezwungen von den Ungarn ihnen feindlich
gegenübergestanden habe und'nun befreundet sein wolle. Die Parlamentäre aber
wurden zurückgehalten, statt ihrer kam ein Pope, begleitet von 2 bewaffneten Ser-
bianern mit dem Ruhe: „Es lebe der Kaiser!" und die ganze Bevölkerung stimmte
ein. Er versicherte, die Serben hätten nichts Böses vor, und bewog Viele, die
ihre Habe bereits aufgepackt hatten, diese nicht weg zu senden. Bald aber kam
das Kros nach. Man fiel über die Wagen her und plünderte sie, drang in die
Häuser, raubte sie rein aus, und was man nicht fortschleppen konnte, zerschlug
und zerbrach man. Man riß den Leuten die Kleider vom Leibe; in einer furcht¬
baren Kälte von 13 Grad mußten die Beraubten ohne Schuhe und Strümpfe
Meilen weit im bloßen Hemde laufen, um nur das Leben zu retten, denn dem
Raube folgte der Mord und der Brand. Wer gerade ausfiel, wurde erstochen, mit
Kolben erschlagen und erschossen. Man fing Leute auf, ließ sie wieder los, und
als sie davon liefen, wurde auf sie, wie ans flüchtig Wild geschossen. An SO
Menschen wurden auf diese Art ermordet; daß ihrer uicht mehr waren, lag daran,
daß bald die Objecte zum Todtschlage fehlten, da Alles, was nicht Serbe war, floh.
Die Hänser mußten statt ihrer Bewohner büßen, und wo man in diesen einen
Serbenfeilid vermuthete, und das geschah bei jedem Deutschen, wurde das Haus
angezündet. Noch liegt beinahe die Hälfte des Dorfes in Trümmern, die Ein¬
wohner haben sich in Strohhütten und Kellern ein Lager bereitet, bis ihnen ihr
Fleiß wieder- die Mittel zum Aufbaue gewähren wird. Die Vermögenderen haben
sich neue und schönere Häuser construirt. Nachdem VerbaH ausgeplündert und
verbrannt war, our.de ein Raubzug organisirt, wie ihn die Weltgeschichte seit den
Türkenkriegen nicht keimt. Doch es wird spät, .und die Wege sind des Nachts
unsicher. Ich eile, meine Wanderung uuter den Brandstätten fortzusetzen, die
Erzählung der folgenden Facta, wie ich sie von Augenzeugen habe, ans ein ander
Mal verschiebend.




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[0426] xr« mÄl Ars zur Theilnahme, wenn sie ihr auch nicht sehr geneigt waren, sowol wegen des liederlichen Lebens als wegen des vielen Fluchens. Diese Theilnahme kam ihnen jedoch theuer zu stehen. Im Januar 18i9 verließen die ungarischen Besatzungen diese Orte. Fürst Windischgrätz hatte die Magyaren vor sich Her- getrieben und diese sammelten sich jenseits der Theiß, und zogen alle ihre zer¬ streuten Kräfte an sich und die Serben verließen alsbald Se. Tamas, um über diese Orte herzufallen. Der erste Ort, der an die Reihe kam, war Verbaß auf der Straße gegen Szambor. Diese Dorfschaft besteht aus 2 Theilen, aus Neu- Verbaß, wo die Bevölkerung eine rein deutsche ist, und Alt-Verbaß, wo zwar ursprünglich blos Serben, jetzt aber auch Deutsche und Magyaren wohnen. Die Ungarn hatten Schanzen aufgeworfen, und es wäre eine Vertheidigung nicht unmöglich gewesen. Man schickte nach Se. Tamas, ließ einen > freundlichen Gruß entbieten und sagen, daß man nur gezwungen von den Ungarn ihnen feindlich gegenübergestanden habe und'nun befreundet sein wolle. Die Parlamentäre aber wurden zurückgehalten, statt ihrer kam ein Pope, begleitet von 2 bewaffneten Ser- bianern mit dem Ruhe: „Es lebe der Kaiser!" und die ganze Bevölkerung stimmte ein. Er versicherte, die Serben hätten nichts Böses vor, und bewog Viele, die ihre Habe bereits aufgepackt hatten, diese nicht weg zu senden. Bald aber kam das Kros nach. Man fiel über die Wagen her und plünderte sie, drang in die Häuser, raubte sie rein aus, und was man nicht fortschleppen konnte, zerschlug und zerbrach man. Man riß den Leuten die Kleider vom Leibe; in einer furcht¬ baren Kälte von 13 Grad mußten die Beraubten ohne Schuhe und Strümpfe Meilen weit im bloßen Hemde laufen, um nur das Leben zu retten, denn dem Raube folgte der Mord und der Brand. Wer gerade ausfiel, wurde erstochen, mit Kolben erschlagen und erschossen. Man fing Leute auf, ließ sie wieder los, und als sie davon liefen, wurde auf sie, wie ans flüchtig Wild geschossen. An SO Menschen wurden auf diese Art ermordet; daß ihrer uicht mehr waren, lag daran, daß bald die Objecte zum Todtschlage fehlten, da Alles, was nicht Serbe war, floh. Die Hänser mußten statt ihrer Bewohner büßen, und wo man in diesen einen Serbenfeilid vermuthete, und das geschah bei jedem Deutschen, wurde das Haus angezündet. Noch liegt beinahe die Hälfte des Dorfes in Trümmern, die Ein¬ wohner haben sich in Strohhütten und Kellern ein Lager bereitet, bis ihnen ihr Fleiß wieder- die Mittel zum Aufbaue gewähren wird. Die Vermögenderen haben sich neue und schönere Häuser construirt. Nachdem VerbaH ausgeplündert und verbrannt war, our.de ein Raubzug organisirt, wie ihn die Weltgeschichte seit den Türkenkriegen nicht keimt. Doch es wird spät, .und die Wege sind des Nachts unsicher. Ich eile, meine Wanderung uuter den Brandstätten fortzusetzen, die Erzählung der folgenden Facta, wie ich sie von Augenzeugen habe, ans ein ander Mal verschiebend.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94440/426>, abgerufen am 22.12.2024.