Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

ist hier ein gar zu theures Brennmaterial, darum sind auch hier eiserne und
Kachelofen eine Seltenheit, und man bedient sich statt deren aus Thon geformter
Oefen. Ans.einem steinernen Gesimse wird in der Runde nach Art der Stakete
Schilfrohr eingesteckt, von beiden Seiten ungefähr eine Hand dick mit Thon über¬
zogen und oben kuppelförmig zugedeckt. Ein solcher Ofen wird mit Stroh angefüllt
und', wenn dieses angezündet ist, wird eine bedeutende und ziemlich dauernde
Warme erlangt. Kein deutscher Bauer ist je in die Lage versetzt, Stroh zu
kaufen, wohl aber zu verkaufen. Die Gänge seines Hauses, denn er baut sich
stets einen Corridor zu seinem Hause, und höchst selten führt seine Zimmerthüre
in's Freie, sind angefüllt mit Mais, Kürbissen, Paradiesäpfeln, Gurken und
Obst; Tabakspflanzen und spanischer Pfeffer zum trocknen aufgehängt, bilden
um und um Guirlanden, und gebrochene Flachs- oder Hanfstengel bedecken den
Boden. Im Keller gährt bereits der TrMbensaft, und auf die Decke des
Zimmers drückt die Last des Heues und des Weizens. Er hat nicht nur am
Sonntag ein Huhn im Topfe, er zählt zerschnittene Hühner, mit Paprika gewürzt,
ZU seinen gewöhnlichen Gerichten, und seit die Jagd frei ist, fehlt ihm auch der Hasen¬
braten nicht. Die Deutschen ehren das Andenken des milden Kaisers, der sie einst
ans dem armen Württemberg in diese reiche Gegend versetzt, und fast jedes Gemeinde¬
haus enthält sein Bild. Die Deutschen in Südungarn sind Ungarn, aber dynastisch;
ste siud minder östreichisch als kaiserlich. Sie verbinden mit der Idee des Kai¬
sers eine gewisse Pietät. Es ist ihnen der Kaiser von Oestreich noch immer der
deutsche Kaiser, der sie in der alten Heimath beherrschte. Nicht zum Könige von
Ungarn wären sie eingewandert, sondern weil sie auch hier wie dort unter dem
Kaiser standen. Die katholischen Deutschen in Südungarn waren während der
Revolution der magyarischen Sache sogar feindselig; die evangelischen waren ihr
wohl geneigter, aber blos so lange sie meinten, es sei nicht gegen den Kaiser.
Im Ganzen beobachteten sie eine mehr passive Haltung; sie gaben Jedem, der
kam, und stellten so wenige von ihren Söhnen in'S Feld, als sie vermochten, son¬
dern kauften lieber für theures Geld magyarische Rekruten und wurden deshalb
auch vou beiden Seiten weidlich gepufft, aber an Leib und Leben geschont. Der
Richter eines deutschen Dorfes, mit dem ich auf einem Wagen fuhr, ein tüchtiger
vierschrötiger Mann, mit klugem, wenn anch etwas vollem Gesichte und jovialem
Wesen, erzählte mir die Mühseligkeiten seiner Amtsführung während der letzten
Jahre. "Kamen," sagte er, "die Ungarn, dann hieß es: du Schwab, du Lump,
thue deine Schuldigkeit; kamen die Kaiserlichen, dann war dieDarole: du Kossuth-
Hund, thue deine Schuldigkeit. Wir sind einfache Bauersleute, wir können uns
in nichts mischen, es entscheidet halt die Macht, aber dieses Raubgesindel, die
Serbianer, sind für den Teufel zu gut." Die Deutschen in den nahe bei Se.
Tamas liegenden Orten waren zumeist uicht so glücklich, eine so neutrale Haltung
beobachten zu können. Die ungarische Armee, welche hier lag, zwang sie dem


ist hier ein gar zu theures Brennmaterial, darum sind auch hier eiserne und
Kachelofen eine Seltenheit, und man bedient sich statt deren aus Thon geformter
Oefen. Ans.einem steinernen Gesimse wird in der Runde nach Art der Stakete
Schilfrohr eingesteckt, von beiden Seiten ungefähr eine Hand dick mit Thon über¬
zogen und oben kuppelförmig zugedeckt. Ein solcher Ofen wird mit Stroh angefüllt
und', wenn dieses angezündet ist, wird eine bedeutende und ziemlich dauernde
Warme erlangt. Kein deutscher Bauer ist je in die Lage versetzt, Stroh zu
kaufen, wohl aber zu verkaufen. Die Gänge seines Hauses, denn er baut sich
stets einen Corridor zu seinem Hause, und höchst selten führt seine Zimmerthüre
in's Freie, sind angefüllt mit Mais, Kürbissen, Paradiesäpfeln, Gurken und
Obst; Tabakspflanzen und spanischer Pfeffer zum trocknen aufgehängt, bilden
um und um Guirlanden, und gebrochene Flachs- oder Hanfstengel bedecken den
Boden. Im Keller gährt bereits der TrMbensaft, und auf die Decke des
Zimmers drückt die Last des Heues und des Weizens. Er hat nicht nur am
Sonntag ein Huhn im Topfe, er zählt zerschnittene Hühner, mit Paprika gewürzt,
ZU seinen gewöhnlichen Gerichten, und seit die Jagd frei ist, fehlt ihm auch der Hasen¬
braten nicht. Die Deutschen ehren das Andenken des milden Kaisers, der sie einst
ans dem armen Württemberg in diese reiche Gegend versetzt, und fast jedes Gemeinde¬
haus enthält sein Bild. Die Deutschen in Südungarn sind Ungarn, aber dynastisch;
ste siud minder östreichisch als kaiserlich. Sie verbinden mit der Idee des Kai¬
sers eine gewisse Pietät. Es ist ihnen der Kaiser von Oestreich noch immer der
deutsche Kaiser, der sie in der alten Heimath beherrschte. Nicht zum Könige von
Ungarn wären sie eingewandert, sondern weil sie auch hier wie dort unter dem
Kaiser standen. Die katholischen Deutschen in Südungarn waren während der
Revolution der magyarischen Sache sogar feindselig; die evangelischen waren ihr
wohl geneigter, aber blos so lange sie meinten, es sei nicht gegen den Kaiser.
Im Ganzen beobachteten sie eine mehr passive Haltung; sie gaben Jedem, der
kam, und stellten so wenige von ihren Söhnen in'S Feld, als sie vermochten, son¬
dern kauften lieber für theures Geld magyarische Rekruten und wurden deshalb
auch vou beiden Seiten weidlich gepufft, aber an Leib und Leben geschont. Der
Richter eines deutschen Dorfes, mit dem ich auf einem Wagen fuhr, ein tüchtiger
vierschrötiger Mann, mit klugem, wenn anch etwas vollem Gesichte und jovialem
Wesen, erzählte mir die Mühseligkeiten seiner Amtsführung während der letzten
Jahre. „Kamen," sagte er, „die Ungarn, dann hieß es: du Schwab, du Lump,
thue deine Schuldigkeit; kamen die Kaiserlichen, dann war dieDarole: du Kossuth-
Hund, thue deine Schuldigkeit. Wir sind einfache Bauersleute, wir können uns
in nichts mischen, es entscheidet halt die Macht, aber dieses Raubgesindel, die
Serbianer, sind für den Teufel zu gut." Die Deutschen in den nahe bei Se.
Tamas liegenden Orten waren zumeist uicht so glücklich, eine so neutrale Haltung
beobachten zu können. Die ungarische Armee, welche hier lag, zwang sie dem


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0425" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/94866"/>
          <p xml:id="ID_1287" prev="#ID_1286" next="#ID_1288"> ist hier ein gar zu theures Brennmaterial, darum sind auch hier eiserne und<lb/>
Kachelofen eine Seltenheit, und man bedient sich statt deren aus Thon geformter<lb/>
Oefen. Ans.einem steinernen Gesimse wird in der Runde nach Art der Stakete<lb/>
Schilfrohr eingesteckt, von beiden Seiten ungefähr eine Hand dick mit Thon über¬<lb/>
zogen und oben kuppelförmig zugedeckt. Ein solcher Ofen wird mit Stroh angefüllt<lb/>
und', wenn dieses angezündet ist, wird eine bedeutende und ziemlich dauernde<lb/>
Warme erlangt. Kein deutscher Bauer ist je in die Lage versetzt, Stroh zu<lb/>
kaufen, wohl aber zu verkaufen. Die Gänge seines Hauses, denn er baut sich<lb/>
stets einen Corridor zu seinem Hause, und höchst selten führt seine Zimmerthüre<lb/>
in's Freie, sind angefüllt mit Mais, Kürbissen, Paradiesäpfeln, Gurken und<lb/>
Obst; Tabakspflanzen und spanischer Pfeffer zum trocknen aufgehängt, bilden<lb/>
um und um Guirlanden, und gebrochene Flachs- oder Hanfstengel bedecken den<lb/>
Boden. Im Keller gährt bereits der TrMbensaft, und auf die Decke des<lb/>
Zimmers drückt die Last des Heues und des Weizens. Er hat nicht nur am<lb/>
Sonntag ein Huhn im Topfe, er zählt zerschnittene Hühner, mit Paprika gewürzt,<lb/>
ZU seinen gewöhnlichen Gerichten, und seit die Jagd frei ist, fehlt ihm auch der Hasen¬<lb/>
braten nicht. Die Deutschen ehren das Andenken des milden Kaisers, der sie einst<lb/>
ans dem armen Württemberg in diese reiche Gegend versetzt, und fast jedes Gemeinde¬<lb/>
haus enthält sein Bild. Die Deutschen in Südungarn sind Ungarn, aber dynastisch;<lb/>
ste siud minder östreichisch als kaiserlich. Sie verbinden mit der Idee des Kai¬<lb/>
sers eine gewisse Pietät. Es ist ihnen der Kaiser von Oestreich noch immer der<lb/>
deutsche Kaiser, der sie in der alten Heimath beherrschte. Nicht zum Könige von<lb/>
Ungarn wären sie eingewandert, sondern weil sie auch hier wie dort unter dem<lb/>
Kaiser standen. Die katholischen Deutschen in Südungarn waren während der<lb/>
Revolution der magyarischen Sache sogar feindselig; die evangelischen waren ihr<lb/>
wohl geneigter, aber blos so lange sie meinten, es sei nicht gegen den Kaiser.<lb/>
Im Ganzen beobachteten sie eine mehr passive Haltung; sie gaben Jedem, der<lb/>
kam, und stellten so wenige von ihren Söhnen in'S Feld, als sie vermochten, son¬<lb/>
dern kauften lieber für theures Geld magyarische Rekruten und wurden deshalb<lb/>
auch vou beiden Seiten weidlich gepufft, aber an Leib und Leben geschont. Der<lb/>
Richter eines deutschen Dorfes, mit dem ich auf einem Wagen fuhr, ein tüchtiger<lb/>
vierschrötiger Mann, mit klugem, wenn anch etwas vollem Gesichte und jovialem<lb/>
Wesen, erzählte mir die Mühseligkeiten seiner Amtsführung während der letzten<lb/>
Jahre. &#x201E;Kamen," sagte er, &#x201E;die Ungarn, dann hieß es: du Schwab, du Lump,<lb/>
thue deine Schuldigkeit; kamen die Kaiserlichen, dann war dieDarole: du Kossuth-<lb/>
Hund, thue deine Schuldigkeit. Wir sind einfache Bauersleute, wir können uns<lb/>
in nichts mischen, es entscheidet halt die Macht, aber dieses Raubgesindel, die<lb/>
Serbianer, sind für den Teufel zu gut." Die Deutschen in den nahe bei Se.<lb/>
Tamas liegenden Orten waren zumeist uicht so glücklich, eine so neutrale Haltung<lb/>
beobachten zu können.  Die ungarische Armee, welche hier lag, zwang sie dem</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0425] ist hier ein gar zu theures Brennmaterial, darum sind auch hier eiserne und Kachelofen eine Seltenheit, und man bedient sich statt deren aus Thon geformter Oefen. Ans.einem steinernen Gesimse wird in der Runde nach Art der Stakete Schilfrohr eingesteckt, von beiden Seiten ungefähr eine Hand dick mit Thon über¬ zogen und oben kuppelförmig zugedeckt. Ein solcher Ofen wird mit Stroh angefüllt und', wenn dieses angezündet ist, wird eine bedeutende und ziemlich dauernde Warme erlangt. Kein deutscher Bauer ist je in die Lage versetzt, Stroh zu kaufen, wohl aber zu verkaufen. Die Gänge seines Hauses, denn er baut sich stets einen Corridor zu seinem Hause, und höchst selten führt seine Zimmerthüre in's Freie, sind angefüllt mit Mais, Kürbissen, Paradiesäpfeln, Gurken und Obst; Tabakspflanzen und spanischer Pfeffer zum trocknen aufgehängt, bilden um und um Guirlanden, und gebrochene Flachs- oder Hanfstengel bedecken den Boden. Im Keller gährt bereits der TrMbensaft, und auf die Decke des Zimmers drückt die Last des Heues und des Weizens. Er hat nicht nur am Sonntag ein Huhn im Topfe, er zählt zerschnittene Hühner, mit Paprika gewürzt, ZU seinen gewöhnlichen Gerichten, und seit die Jagd frei ist, fehlt ihm auch der Hasen¬ braten nicht. Die Deutschen ehren das Andenken des milden Kaisers, der sie einst ans dem armen Württemberg in diese reiche Gegend versetzt, und fast jedes Gemeinde¬ haus enthält sein Bild. Die Deutschen in Südungarn sind Ungarn, aber dynastisch; ste siud minder östreichisch als kaiserlich. Sie verbinden mit der Idee des Kai¬ sers eine gewisse Pietät. Es ist ihnen der Kaiser von Oestreich noch immer der deutsche Kaiser, der sie in der alten Heimath beherrschte. Nicht zum Könige von Ungarn wären sie eingewandert, sondern weil sie auch hier wie dort unter dem Kaiser standen. Die katholischen Deutschen in Südungarn waren während der Revolution der magyarischen Sache sogar feindselig; die evangelischen waren ihr wohl geneigter, aber blos so lange sie meinten, es sei nicht gegen den Kaiser. Im Ganzen beobachteten sie eine mehr passive Haltung; sie gaben Jedem, der kam, und stellten so wenige von ihren Söhnen in'S Feld, als sie vermochten, son¬ dern kauften lieber für theures Geld magyarische Rekruten und wurden deshalb auch vou beiden Seiten weidlich gepufft, aber an Leib und Leben geschont. Der Richter eines deutschen Dorfes, mit dem ich auf einem Wagen fuhr, ein tüchtiger vierschrötiger Mann, mit klugem, wenn anch etwas vollem Gesichte und jovialem Wesen, erzählte mir die Mühseligkeiten seiner Amtsführung während der letzten Jahre. „Kamen," sagte er, „die Ungarn, dann hieß es: du Schwab, du Lump, thue deine Schuldigkeit; kamen die Kaiserlichen, dann war dieDarole: du Kossuth- Hund, thue deine Schuldigkeit. Wir sind einfache Bauersleute, wir können uns in nichts mischen, es entscheidet halt die Macht, aber dieses Raubgesindel, die Serbianer, sind für den Teufel zu gut." Die Deutschen in den nahe bei Se. Tamas liegenden Orten waren zumeist uicht so glücklich, eine so neutrale Haltung beobachten zu können. Die ungarische Armee, welche hier lag, zwang sie dem

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94440
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94440/425
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94440/425>, abgerufen am 22.12.2024.