Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band.die griechischen Formen zurückgehen solle, das war eine Frage, um die sich die '5-1*
die griechischen Formen zurückgehen solle, das war eine Frage, um die sich die '5-1*
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die griechischen Formen zurückgehen solle, das war eine Frage, um die sich die
antiromantischen Philosophen und Historiker des Jahres 1838 u. s. f. wenig
kümmerten. Es tag ihnen nur an dem sittlichen Geist, der sich in der Poesie
aussprach, und da ist es allerdings eine mehr als sonderbare Behauptung, wenn
Ulrici seinen Gegner geradezu Mit Gottsched zusammenstellt, weil Beide ans die
ethische Seite der Poesie ein besonderes Gewicht legten. Das hat nnter Anderen
Schiller anch gethan, der darum noch kein zweiter Gottsched ist, und das wird
jeder Aesthetiker thun müssen, der nicht durch eine fixe Idee aller Sinne beraubt
ist, denn da alle Poesie, namentlich aber die dramatische, es mit dem Handeln
und Leiden der Menschen zu thun hat, und für das Eine wie für das Andere
Ujffer Mitgefühl zu erregen sucht, so kann sie dies nicht anders als dadurch, daß
sie den einzelnen Fall, den sie uns darstellt, mit den Regeln und Begriffen des
uns'angeborenen sittlichen Instincts in Verhältniß bringt. Die Griechen haben
das einfacher gemacht, indem sie durch den Chor.daS Publicum gewissermaßen
bevormundeten. Aber jeder Dramatiker ist in der Nothwendigkeit, wenn er auch
dieses äußerlichen Hilfsmittels entbehrt, wenigstens indirect das Nämliche zu thun;
denn ohne uns ein stillschweigendes sittliches Urtheil über das, was geschieht, zu
bilden, können wir auch keine Theilnahme dafür empfinden. Daher hat auch
Mit Ausnahme der Exercitienschreiber, z. B. des romantischen Herrn v. Schütz,
jeder Dramatiker, in welcher Zeit und in welchem Volk er anch lebte, immer auf
das sittliche Bewußtsein seines Publicums speculirt; ein Bewußtsein, das zu ver¬
schiedenen Zeiten sehr verschieden, ja entgegengesetzt sein konnte. Wenn daher jene Phi¬
losophen und Historiker für Shakespeare Partei nahmen, während sie Calderon u.s.w.
verwarfen, obgleich Beide unter dem Collectivbegriff Romantiker zusammengefaßt
wurden, so waren sie in ihrem vollsten Recht. Man nehme die specifisch roman¬
tischen Stücke, d. h. diejenigen Stücke, in denen sich das Vorurtheil und der
Fanatismus gegen den wirklichen Geist der modernen Zeit, gegen den Geist des
Protestantismus verstockten (denn das eigentliche Mittelalter, welches in seinen
Vorurtheilen noch naiv war, nennt man mit Unrecht romantisch), z. B. Lope de
Vega'S „Stern von Sevilla", Calderon's „Andacht zum Kreuz", aus neuester
Zeit Werner's „Attila" und „Sohne des Thals", und als Ergänzung dieser
supranaturalistischen Anschauungsweise etwa Macchiavell's „Fürst", so weht uns
ans allen diesen Schriften'ein Geist entgegen, den wir als einen entsetzlicher,,
verruchten, der Menschheit feindseligen verurtheilen und verabscheuen müssen.
Wenn wir die romantische Dilettantencliqne mit so großer Leidenschaft bekämpft
haben, so geschah das vorzugsweise wegen ihrer feigen und coquetten Toleranz
gegen das absolut Schlechte und Abscheuliche; eine Toleranz, die nur ans dem
vollständigen Verlust der eigenen Sittlichkeit zu erklären ist. Man mag immerhin
in zweiter Linie die glänzende Technik Calderon's bewundern, man mag ihm als
dem vollendeten Ausdruck des nationalen Bewußtseins eine relative Rechtfertigung
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