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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band.

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Die parlamentarischen Verhältnisse näherten sich nnterdesz rasch einer Krisis.
Bis jetzt war es nur zu recriminirenden Debatten zwischen B. Murillo und den
beleidigten Chefs der Moderado's gekommen. Im März erfolgte die Vorlegung
des Schuldeuregulirungentwurfs. Das Ministerium hatte darin den Staats¬
gläubigern die außerordentlichsten Opfer zugemuthet. Außer der von Espartero
creirten, seither verzinsten 3proc. Rente sollten alle übrigen activen Staatspapiere
auf die Hälfte des Nomiualwerthes herabgesetzt und, von 1 pr. C. anzufangen,
mit zwei- bis dreijährigen Fristen der Erhöhung von ^ pr. C,, allmählich bis
zum Genuß einer Zproc. Reute gebracht werden. Die volle Entrichtung der letz¬
teren sollte nach dem vorgelegten Plane binnen 19 Jahren stattfinden. Für die
allmähliche Einlösung der passiven Schuld war ein verhältnißmäßig sehr geringer
Fond ausgeworfen. Dieser-Entwurf erfuhr, wie zu erwarten, im In- und Aus¬
lande, von alleu Seiten die bitterste Kritik. Die auswärtigen Staatsgläubiger
schrieen über Beraubung und bereiteten Proteste, Adressen, diplomatische Inter¬
ventionen vor. Die Opposition in der Presse und den Cortes verwarf theils die
den Gläubigern auferlegten Bedingungen als zu streng, leugnete theils die Mög¬
lichkeit, seitens des öffentlichen Schatzes auch mir diese Bedingungen in der vor-
gezeichneten Weise zu erfüllen. Mon, dem Rufe uach der erste Finanzier Spa¬
niens, warf sein in dieser Frage gewichtiges Wort in die Wagschale der Gegner
des Entwurfs und bestritt die Aufstellungen B. Murillo's, durch strenge Spar¬
samkeit und die zu hoffende Vermehrung der Einkünfte den vom Staatsschatz neu
zu übernehmenden Verpflichtungen gerecht werden zu können, als optimistisch und
trügerisch. Trotzdem war der am 3. April über die Regierungsvorlage erstattete
Ausschußbericht im Sinne des Cabinets. Die Opposition, geleitet von den ein¬
flußreichsten Chefs der Moderadös, schritt jetzt zum entscheidenden Augriff. Ein
von Millan Alonso eingebrachtes Amendement verlangte, daß vor Berathung des
Commissionsberichtes die Regierung zur Vorlage der für die Schuldenregulirung
vorhandenen Deckungsmittel aufgefordert werden solle. Die Jnbetrachtuahme die¬
ses Antrags wurde in der Sitzung des Kongresses vom 3. April mit den leiden¬
schaftlichsten Heftigkeit und inmitten der stürmischsten Aufregung der Versammlung
discutirt. Als bei der Abstimmung über die Vorfrage plötzlich der Handels¬
minister, Negrete, gegen seine eigenen Kollegen votirte, erreichte der Ausbruch
des Beifalls und Mißfallens einen Grad, daß der Präsident die Sitzung auf¬
heben mußte. Das Cabinet sah seine Niederlage voraus und beschloß die un¬
verzügliche Auflösung der Cortes. Am 7. April erfolgte sie .durch den Minister¬
präsidenten, inmitten eines beispiellosen Jubels der gefüllten Tribunen, der, so
weit er nicht von der Regierung bezahlt war, weniger Sympathien für das Ca¬
binet, als Ungunst gegen die einseitig zusammengesetzte und aus unrechtmäßigen
Wahlzwang hervorgegangene Deputirtenkammer ausdrückte. Schon Tags vorher
brachte die Gazeta die-Entlassung Negrete's, an dessen Statt Arteta das Porte-


Die parlamentarischen Verhältnisse näherten sich nnterdesz rasch einer Krisis.
Bis jetzt war es nur zu recriminirenden Debatten zwischen B. Murillo und den
beleidigten Chefs der Moderado's gekommen. Im März erfolgte die Vorlegung
des Schuldeuregulirungentwurfs. Das Ministerium hatte darin den Staats¬
gläubigern die außerordentlichsten Opfer zugemuthet. Außer der von Espartero
creirten, seither verzinsten 3proc. Rente sollten alle übrigen activen Staatspapiere
auf die Hälfte des Nomiualwerthes herabgesetzt und, von 1 pr. C. anzufangen,
mit zwei- bis dreijährigen Fristen der Erhöhung von ^ pr. C,, allmählich bis
zum Genuß einer Zproc. Reute gebracht werden. Die volle Entrichtung der letz¬
teren sollte nach dem vorgelegten Plane binnen 19 Jahren stattfinden. Für die
allmähliche Einlösung der passiven Schuld war ein verhältnißmäßig sehr geringer
Fond ausgeworfen. Dieser-Entwurf erfuhr, wie zu erwarten, im In- und Aus¬
lande, von alleu Seiten die bitterste Kritik. Die auswärtigen Staatsgläubiger
schrieen über Beraubung und bereiteten Proteste, Adressen, diplomatische Inter¬
ventionen vor. Die Opposition in der Presse und den Cortes verwarf theils die
den Gläubigern auferlegten Bedingungen als zu streng, leugnete theils die Mög¬
lichkeit, seitens des öffentlichen Schatzes auch mir diese Bedingungen in der vor-
gezeichneten Weise zu erfüllen. Mon, dem Rufe uach der erste Finanzier Spa¬
niens, warf sein in dieser Frage gewichtiges Wort in die Wagschale der Gegner
des Entwurfs und bestritt die Aufstellungen B. Murillo's, durch strenge Spar¬
samkeit und die zu hoffende Vermehrung der Einkünfte den vom Staatsschatz neu
zu übernehmenden Verpflichtungen gerecht werden zu können, als optimistisch und
trügerisch. Trotzdem war der am 3. April über die Regierungsvorlage erstattete
Ausschußbericht im Sinne des Cabinets. Die Opposition, geleitet von den ein¬
flußreichsten Chefs der Moderadös, schritt jetzt zum entscheidenden Augriff. Ein
von Millan Alonso eingebrachtes Amendement verlangte, daß vor Berathung des
Commissionsberichtes die Regierung zur Vorlage der für die Schuldenregulirung
vorhandenen Deckungsmittel aufgefordert werden solle. Die Jnbetrachtuahme die¬
ses Antrags wurde in der Sitzung des Kongresses vom 3. April mit den leiden¬
schaftlichsten Heftigkeit und inmitten der stürmischsten Aufregung der Versammlung
discutirt. Als bei der Abstimmung über die Vorfrage plötzlich der Handels¬
minister, Negrete, gegen seine eigenen Kollegen votirte, erreichte der Ausbruch
des Beifalls und Mißfallens einen Grad, daß der Präsident die Sitzung auf¬
heben mußte. Das Cabinet sah seine Niederlage voraus und beschloß die un¬
verzügliche Auflösung der Cortes. Am 7. April erfolgte sie .durch den Minister¬
präsidenten, inmitten eines beispiellosen Jubels der gefüllten Tribunen, der, so
weit er nicht von der Regierung bezahlt war, weniger Sympathien für das Ca¬
binet, als Ungunst gegen die einseitig zusammengesetzte und aus unrechtmäßigen
Wahlzwang hervorgegangene Deputirtenkammer ausdrückte. Schon Tags vorher
brachte die Gazeta die-Entlassung Negrete's, an dessen Statt Arteta das Porte-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94440/376>, abgerufen am 22.12.2024.