Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

des letzteren eingeräumt werden sollte, es stand mir noch der geeignetste Zeitpunkt
in Frage, wann der offene Abschluß des Coneordats ohne Nachtheil geschehn
könne. Der Augenblick war nicht geeignet, die exorbitanten Forderungen der rö¬
mischen Curie, die Gütererwerbung der Geistlichkeit, die Wiederherstellung der
Mönchs- und Nonnenklöster und der geistlichen Orden, die Beaufsichtigung des
öffentlichen Unterrichts seitens der Bischöfe zu bewilligen. Das Cabinet wäre
damit, Angesichts der bereits beabsichtigten Vornahme neuer Wahlen, mit einem
Schlage jedes liberalen Nimbus entkleidet worden. Man ging deshalb anfangs
sehr vorsichtig zu Werke. Sogar das auf Verlangen des Nicars von Madrid
von der Regierung verfügte Verbot der unter dem Namen ""nttrrrar 1a hin-Ziu-r"
bekannten Volksbelustigung, welche den Fasching dort zu beschließen pflegt, ward
wegen der heftigen'/ von den Progresststen deswegen erhobenen Angriffe zurück¬
genommen. Den letzteren wurde andererseits ein Köder dnrch die Ernennung
eines früheren Esparteristen, Lersnndy, zum Kriegsminister in Stelle Mirasols
hingeworfen, welcher schon Mitte Februar wegen Zwistigkeiten mit Murillo über
Ersparungen im Kriegsbudget aus dem Ministerium schied. Desto unerbittlicher
verfolgte die Regierung alle Anhänger deö gestürzten Cabinets. Die mit dem
Spottnamen "el tsslamMw mimslerwl" bezeichneten ersten Ernennungen der
abgetretenen Minister zu Gunsten ihrer Anhänger wurden widerrufen; Absetzun¬
gen ,in der Armee und Verwaltung geschahen außerdem in großer Zahl. Obwol
das Maß derselben sogar über den auch sonst in Spanien hierin ^üblichen Brauch
hinausging, hätte sich dies entschuldigen lassen. Weniger die Abberufung Soto-
mayor's vom Botschafterposten in Paris, die unmittelbar der gastfreien Auf-
nahme folgte, welche derselbe dem Herzog v. Valencia bei seiner Ankunft in
der französischen Hauptstadt im spanischen GcsandtschastShötel bereitete. Man
schrieb diese Maßregel der Gereiztheit des Cabinets über den ausgezeichnete"
Empfang zu, den Narvaez nicht nnr bei Louis Napoleon, sondern anch bei den
Notabilitäten der politischen Welt und bei dem diplomatischen Corps fand, und
der zu beweisen schien, daß man seine Rückkehr zur Gewalt als nicht unwahr¬
scheinlich betrachtete. In Stelle des Herzogs v. Sotvmayvr ward Donoso Cortes
Marquis von Valdegamas (früher Gesandter in Berlin) nach Paris geschickt,
einer der Coryphäen nicht nur deö spanischen, sondern des europäischen Ultra-
montanismus, ein Mann, welchem die Organe der römischen Propaganda den
Ruf tiefen und mächtige" Geistes bereitet haben, der in Wirklichkeit aber wenig
mehr, als ein schwülstiger und verworrener Rhetor ist. Dies, sowie die Sen¬
dung des gleichfalls den päpstlichen Prätensionen huldigenden Castillo y Ayensa
"ach Rom, waren Pfänder seiner Willfährigkeit, die das Cabinet dem Vatican
gelb. Aeußerlich suchte es diesen Personenwechsel mit Sparsamkeitsrücksichten zu
beschönigen, aus denen es die Bvtschafterposten'eingehen ließe und dafür nur
Gesandte beglaubige.


46*

des letzteren eingeräumt werden sollte, es stand mir noch der geeignetste Zeitpunkt
in Frage, wann der offene Abschluß des Coneordats ohne Nachtheil geschehn
könne. Der Augenblick war nicht geeignet, die exorbitanten Forderungen der rö¬
mischen Curie, die Gütererwerbung der Geistlichkeit, die Wiederherstellung der
Mönchs- und Nonnenklöster und der geistlichen Orden, die Beaufsichtigung des
öffentlichen Unterrichts seitens der Bischöfe zu bewilligen. Das Cabinet wäre
damit, Angesichts der bereits beabsichtigten Vornahme neuer Wahlen, mit einem
Schlage jedes liberalen Nimbus entkleidet worden. Man ging deshalb anfangs
sehr vorsichtig zu Werke. Sogar das auf Verlangen des Nicars von Madrid
von der Regierung verfügte Verbot der unter dem Namen „«nttrrrar 1a hin-Ziu-r"
bekannten Volksbelustigung, welche den Fasching dort zu beschließen pflegt, ward
wegen der heftigen'/ von den Progresststen deswegen erhobenen Angriffe zurück¬
genommen. Den letzteren wurde andererseits ein Köder dnrch die Ernennung
eines früheren Esparteristen, Lersnndy, zum Kriegsminister in Stelle Mirasols
hingeworfen, welcher schon Mitte Februar wegen Zwistigkeiten mit Murillo über
Ersparungen im Kriegsbudget aus dem Ministerium schied. Desto unerbittlicher
verfolgte die Regierung alle Anhänger deö gestürzten Cabinets. Die mit dem
Spottnamen „el tsslamMw mimslerwl" bezeichneten ersten Ernennungen der
abgetretenen Minister zu Gunsten ihrer Anhänger wurden widerrufen; Absetzun¬
gen ,in der Armee und Verwaltung geschahen außerdem in großer Zahl. Obwol
das Maß derselben sogar über den auch sonst in Spanien hierin ^üblichen Brauch
hinausging, hätte sich dies entschuldigen lassen. Weniger die Abberufung Soto-
mayor's vom Botschafterposten in Paris, die unmittelbar der gastfreien Auf-
nahme folgte, welche derselbe dem Herzog v. Valencia bei seiner Ankunft in
der französischen Hauptstadt im spanischen GcsandtschastShötel bereitete. Man
schrieb diese Maßregel der Gereiztheit des Cabinets über den ausgezeichnete»
Empfang zu, den Narvaez nicht nnr bei Louis Napoleon, sondern anch bei den
Notabilitäten der politischen Welt und bei dem diplomatischen Corps fand, und
der zu beweisen schien, daß man seine Rückkehr zur Gewalt als nicht unwahr¬
scheinlich betrachtete. In Stelle des Herzogs v. Sotvmayvr ward Donoso Cortes
Marquis von Valdegamas (früher Gesandter in Berlin) nach Paris geschickt,
einer der Coryphäen nicht nur deö spanischen, sondern des europäischen Ultra-
montanismus, ein Mann, welchem die Organe der römischen Propaganda den
Ruf tiefen und mächtige» Geistes bereitet haben, der in Wirklichkeit aber wenig
mehr, als ein schwülstiger und verworrener Rhetor ist. Dies, sowie die Sen¬
dung des gleichfalls den päpstlichen Prätensionen huldigenden Castillo y Ayensa
»ach Rom, waren Pfänder seiner Willfährigkeit, die das Cabinet dem Vatican
gelb. Aeußerlich suchte es diesen Personenwechsel mit Sparsamkeitsrücksichten zu
beschönigen, aus denen es die Bvtschafterposten'eingehen ließe und dafür nur
Gesandte beglaubige.


46*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0375" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/94816"/>
            <p xml:id="ID_1128" prev="#ID_1127"> des letzteren eingeräumt werden sollte, es stand mir noch der geeignetste Zeitpunkt<lb/>
in Frage, wann der offene Abschluß des Coneordats ohne Nachtheil geschehn<lb/>
könne. Der Augenblick war nicht geeignet, die exorbitanten Forderungen der rö¬<lb/>
mischen Curie, die Gütererwerbung der Geistlichkeit, die Wiederherstellung der<lb/>
Mönchs- und Nonnenklöster und der geistlichen Orden, die Beaufsichtigung des<lb/>
öffentlichen Unterrichts seitens der Bischöfe zu bewilligen. Das Cabinet wäre<lb/>
damit, Angesichts der bereits beabsichtigten Vornahme neuer Wahlen, mit einem<lb/>
Schlage jedes liberalen Nimbus entkleidet worden. Man ging deshalb anfangs<lb/>
sehr vorsichtig zu Werke. Sogar das auf Verlangen des Nicars von Madrid<lb/>
von der Regierung verfügte Verbot der unter dem Namen &#x201E;«nttrrrar 1a hin-Ziu-r"<lb/>
bekannten Volksbelustigung, welche den Fasching dort zu beschließen pflegt, ward<lb/>
wegen der heftigen'/ von den Progresststen deswegen erhobenen Angriffe zurück¬<lb/>
genommen. Den letzteren wurde andererseits ein Köder dnrch die Ernennung<lb/>
eines früheren Esparteristen, Lersnndy, zum Kriegsminister in Stelle Mirasols<lb/>
hingeworfen, welcher schon Mitte Februar wegen Zwistigkeiten mit Murillo über<lb/>
Ersparungen im Kriegsbudget aus dem Ministerium schied. Desto unerbittlicher<lb/>
verfolgte die Regierung alle Anhänger deö gestürzten Cabinets. Die mit dem<lb/>
Spottnamen &#x201E;el tsslamMw mimslerwl" bezeichneten ersten Ernennungen der<lb/>
abgetretenen Minister zu Gunsten ihrer Anhänger wurden widerrufen; Absetzun¬<lb/>
gen ,in der Armee und Verwaltung geschahen außerdem in großer Zahl. Obwol<lb/>
das Maß derselben sogar über den auch sonst in Spanien hierin ^üblichen Brauch<lb/>
hinausging, hätte sich dies entschuldigen lassen. Weniger die Abberufung Soto-<lb/>
mayor's vom Botschafterposten in Paris, die unmittelbar der gastfreien Auf-<lb/>
nahme folgte, welche derselbe dem Herzog v. Valencia bei seiner Ankunft in<lb/>
der französischen Hauptstadt im spanischen GcsandtschastShötel bereitete. Man<lb/>
schrieb diese Maßregel der Gereiztheit des Cabinets über den ausgezeichnete»<lb/>
Empfang zu, den Narvaez nicht nnr bei Louis Napoleon, sondern anch bei den<lb/>
Notabilitäten der politischen Welt und bei dem diplomatischen Corps fand, und<lb/>
der zu beweisen schien, daß man seine Rückkehr zur Gewalt als nicht unwahr¬<lb/>
scheinlich betrachtete. In Stelle des Herzogs v. Sotvmayvr ward Donoso Cortes<lb/>
Marquis von Valdegamas (früher Gesandter in Berlin) nach Paris geschickt,<lb/>
einer der Coryphäen nicht nur deö spanischen, sondern des europäischen Ultra-<lb/>
montanismus, ein Mann, welchem die Organe der römischen Propaganda den<lb/>
Ruf tiefen und mächtige» Geistes bereitet haben, der in Wirklichkeit aber wenig<lb/>
mehr, als ein schwülstiger und verworrener Rhetor ist. Dies, sowie die Sen¬<lb/>
dung des gleichfalls den päpstlichen Prätensionen huldigenden Castillo y Ayensa<lb/>
»ach Rom, waren Pfänder seiner Willfährigkeit, die das Cabinet dem Vatican<lb/>
gelb. Aeußerlich suchte es diesen Personenwechsel mit Sparsamkeitsrücksichten zu<lb/>
beschönigen, aus denen es die Bvtschafterposten'eingehen ließe und dafür nur<lb/>
Gesandte beglaubige.</p><lb/>
            <fw type="sig" place="bottom"> 46*</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0375] des letzteren eingeräumt werden sollte, es stand mir noch der geeignetste Zeitpunkt in Frage, wann der offene Abschluß des Coneordats ohne Nachtheil geschehn könne. Der Augenblick war nicht geeignet, die exorbitanten Forderungen der rö¬ mischen Curie, die Gütererwerbung der Geistlichkeit, die Wiederherstellung der Mönchs- und Nonnenklöster und der geistlichen Orden, die Beaufsichtigung des öffentlichen Unterrichts seitens der Bischöfe zu bewilligen. Das Cabinet wäre damit, Angesichts der bereits beabsichtigten Vornahme neuer Wahlen, mit einem Schlage jedes liberalen Nimbus entkleidet worden. Man ging deshalb anfangs sehr vorsichtig zu Werke. Sogar das auf Verlangen des Nicars von Madrid von der Regierung verfügte Verbot der unter dem Namen „«nttrrrar 1a hin-Ziu-r" bekannten Volksbelustigung, welche den Fasching dort zu beschließen pflegt, ward wegen der heftigen'/ von den Progresststen deswegen erhobenen Angriffe zurück¬ genommen. Den letzteren wurde andererseits ein Köder dnrch die Ernennung eines früheren Esparteristen, Lersnndy, zum Kriegsminister in Stelle Mirasols hingeworfen, welcher schon Mitte Februar wegen Zwistigkeiten mit Murillo über Ersparungen im Kriegsbudget aus dem Ministerium schied. Desto unerbittlicher verfolgte die Regierung alle Anhänger deö gestürzten Cabinets. Die mit dem Spottnamen „el tsslamMw mimslerwl" bezeichneten ersten Ernennungen der abgetretenen Minister zu Gunsten ihrer Anhänger wurden widerrufen; Absetzun¬ gen ,in der Armee und Verwaltung geschahen außerdem in großer Zahl. Obwol das Maß derselben sogar über den auch sonst in Spanien hierin ^üblichen Brauch hinausging, hätte sich dies entschuldigen lassen. Weniger die Abberufung Soto- mayor's vom Botschafterposten in Paris, die unmittelbar der gastfreien Auf- nahme folgte, welche derselbe dem Herzog v. Valencia bei seiner Ankunft in der französischen Hauptstadt im spanischen GcsandtschastShötel bereitete. Man schrieb diese Maßregel der Gereiztheit des Cabinets über den ausgezeichnete» Empfang zu, den Narvaez nicht nnr bei Louis Napoleon, sondern anch bei den Notabilitäten der politischen Welt und bei dem diplomatischen Corps fand, und der zu beweisen schien, daß man seine Rückkehr zur Gewalt als nicht unwahr¬ scheinlich betrachtete. In Stelle des Herzogs v. Sotvmayvr ward Donoso Cortes Marquis von Valdegamas (früher Gesandter in Berlin) nach Paris geschickt, einer der Coryphäen nicht nur deö spanischen, sondern des europäischen Ultra- montanismus, ein Mann, welchem die Organe der römischen Propaganda den Ruf tiefen und mächtige» Geistes bereitet haben, der in Wirklichkeit aber wenig mehr, als ein schwülstiger und verworrener Rhetor ist. Dies, sowie die Sen¬ dung des gleichfalls den päpstlichen Prätensionen huldigenden Castillo y Ayensa »ach Rom, waren Pfänder seiner Willfährigkeit, die das Cabinet dem Vatican gelb. Aeußerlich suchte es diesen Personenwechsel mit Sparsamkeitsrücksichten zu beschönigen, aus denen es die Bvtschafterposten'eingehen ließe und dafür nur Gesandte beglaubige. 46*

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94440
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94440/375
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94440/375>, abgerufen am 22.12.2024.