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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band.

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digre, bildete den Kernpunkts So konnte es nicht fehlen, daß das neue Mini¬
sterium eine günstige Aufnahme in der öffentlichen Meinung fand. Die für
Spanien lange Amtsführung des Narvaez (über drei Jahre) hatte eine Last von
Jmpvpnlarität gegen die abgetretenen Minister zusammengehäuft, die in der letzten
Zeit dnrch verschiedene Mißgriffe gesteigert war. Außer dem schadenfrohen Haß
der Progresfisten und noch mehr der in den letzten Wahlen völlig vom Parlament
ausgeschlossenen liberalen MvderadoS, die, uneingedenk der großmüthigen Acte
deS Narvaez, nur an ihre Niederlage und seine herrische Handhabung der Gewalt
dachten, suchte der geschäftige Eifer dienstbarer Seelen den gestürzten Machthabern
Beschimpfungen aller Art zuzufügen, um die Gunst ihrer Nachfolger sich zuzu¬
wenden. Die blinde Leidenschaft der Masse klatschte diesem niedrigen Getreibe
Beifall zu. Eine Fluth von Verleumdungen wurde auf Kosten des Narvaez in
Umlauf gesetzt. Die Verunglimpfung dieses Mannes, dessen Macht sich bis vor Kurzem
uoch die Seite Menge gebeugt hatte, war jetzt ein Anspruch ans Belohnung und
Beförderung.

Das neue Ministerium war allerdings ans der Mehrheit genommen, aber
demungeachtet kein parlamentarisches zu nennen^ Die, hervorragenden Häupter
der Moderadvs, theils eifrige Anhänger des Narvaez, theils, wie Mon,. selbst
Aspiranten der höchsten Gewalt, betrachteten es mit Groll und Geringschätzung.
Außer B. Murillo war keiner der-Minister Gegnern, wie Pidal, Mou, Sartorius,
auf der Rednerbühne gewachsen. Trotzdem offenbarte sich in den Cortes augen¬
blicklich keine feindselige Opposition. Die spanische Vertretung zählt stets so-
viele von der Negierung völlig abhängige Beamte unter ihren Mitgliedern, daß
die nvthgedruugene Unterstützung dieser dem Cabinet gesichert war. Außerdem
zögerte die an Narvaez haltende Fraction, es zu einem offenen Bruch zu bringen,
da sie, der Ungunst der öffentlichen Meinung sich bewußt, die Folgen einer Auf¬
lösung fürchtete. Bravo Murillo suchte indeß so viel als möglich die Verfolgung
seiner geheimen Zwecke mit der Bewahrung eines liberalen Scheins zu'verbinden.
Die Regierung brachte ein Preßgesetz ein, welches die Geschworenen (mit einem
sehr hohem Census) wieder für die Preßvergehen einführen sollte, und daher
als ein Zugeständniß an die Progressisteu bei den conservativen und unabhängi-
gen Moderadvs anstieß. Gleichzeitig arbeitete das Cabinet eifrig an sehr weit¬
gehenden Bewilligungen an den römischen Stuhl. Mir den bereits weit vorge¬
schrittenen Unterhandlungen über das Concordat hatte es von seinen Vorgängern
eine ihm sehr erwünschte Erbschaft überkommen. Schon unter Narvaez war ein
päpstlicher Nuntius in Madrid beglaubigt und zwei spanische Prälaten (der Primas
Erzbischof von Toledo und der Erzbischof von Sevilla) mit dem Cardinalshut
bedacht worden. Der Vatican beeilte sich, die ihm jetzt mehr als je günstigen
Conjlmctnrcn zu benutzen. Es handelte sich zwischen den jetzigen Leukern der
spanischen Politik nud dem päpstlichen Hos uicht mehr darum, was dem Einfluß


digre, bildete den Kernpunkts So konnte es nicht fehlen, daß das neue Mini¬
sterium eine günstige Aufnahme in der öffentlichen Meinung fand. Die für
Spanien lange Amtsführung des Narvaez (über drei Jahre) hatte eine Last von
Jmpvpnlarität gegen die abgetretenen Minister zusammengehäuft, die in der letzten
Zeit dnrch verschiedene Mißgriffe gesteigert war. Außer dem schadenfrohen Haß
der Progresfisten und noch mehr der in den letzten Wahlen völlig vom Parlament
ausgeschlossenen liberalen MvderadoS, die, uneingedenk der großmüthigen Acte
deS Narvaez, nur an ihre Niederlage und seine herrische Handhabung der Gewalt
dachten, suchte der geschäftige Eifer dienstbarer Seelen den gestürzten Machthabern
Beschimpfungen aller Art zuzufügen, um die Gunst ihrer Nachfolger sich zuzu¬
wenden. Die blinde Leidenschaft der Masse klatschte diesem niedrigen Getreibe
Beifall zu. Eine Fluth von Verleumdungen wurde auf Kosten des Narvaez in
Umlauf gesetzt. Die Verunglimpfung dieses Mannes, dessen Macht sich bis vor Kurzem
uoch die Seite Menge gebeugt hatte, war jetzt ein Anspruch ans Belohnung und
Beförderung.

Das neue Ministerium war allerdings ans der Mehrheit genommen, aber
demungeachtet kein parlamentarisches zu nennen^ Die, hervorragenden Häupter
der Moderadvs, theils eifrige Anhänger des Narvaez, theils, wie Mon,. selbst
Aspiranten der höchsten Gewalt, betrachteten es mit Groll und Geringschätzung.
Außer B. Murillo war keiner der-Minister Gegnern, wie Pidal, Mou, Sartorius,
auf der Rednerbühne gewachsen. Trotzdem offenbarte sich in den Cortes augen¬
blicklich keine feindselige Opposition. Die spanische Vertretung zählt stets so-
viele von der Negierung völlig abhängige Beamte unter ihren Mitgliedern, daß
die nvthgedruugene Unterstützung dieser dem Cabinet gesichert war. Außerdem
zögerte die an Narvaez haltende Fraction, es zu einem offenen Bruch zu bringen,
da sie, der Ungunst der öffentlichen Meinung sich bewußt, die Folgen einer Auf¬
lösung fürchtete. Bravo Murillo suchte indeß so viel als möglich die Verfolgung
seiner geheimen Zwecke mit der Bewahrung eines liberalen Scheins zu'verbinden.
Die Regierung brachte ein Preßgesetz ein, welches die Geschworenen (mit einem
sehr hohem Census) wieder für die Preßvergehen einführen sollte, und daher
als ein Zugeständniß an die Progressisteu bei den conservativen und unabhängi-
gen Moderadvs anstieß. Gleichzeitig arbeitete das Cabinet eifrig an sehr weit¬
gehenden Bewilligungen an den römischen Stuhl. Mir den bereits weit vorge¬
schrittenen Unterhandlungen über das Concordat hatte es von seinen Vorgängern
eine ihm sehr erwünschte Erbschaft überkommen. Schon unter Narvaez war ein
päpstlicher Nuntius in Madrid beglaubigt und zwei spanische Prälaten (der Primas
Erzbischof von Toledo und der Erzbischof von Sevilla) mit dem Cardinalshut
bedacht worden. Der Vatican beeilte sich, die ihm jetzt mehr als je günstigen
Conjlmctnrcn zu benutzen. Es handelte sich zwischen den jetzigen Leukern der
spanischen Politik nud dem päpstlichen Hos uicht mehr darum, was dem Einfluß


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94440/374>, abgerufen am 22.12.2024.