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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band.

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Umgebungen des Königs hinausreichten. Die Annahme geht nicht zu weit, daß
der römische Hof und der von Neapel bei diesem Versuch, durch einen kecken
Handstreich statt der parlamentarischen Regierung in Spanien ein katholisch-abso¬
lutistisches Regiment zu errichten, die Hände mit im Spiele hatten. Zu gleicher
Zeit öffnete man dem Carlismus, der im offnen Felde völlig niedergeworfeis war,
die Aussicht, durch eine Hinterthür des Palastes sich einzuschleichen und den iM'
blutigen Spiele der Waffen verlorenen Thron wieder zu gewinnen. Dies giebt
der Vermuthung Raum, daß die Verbindungen der Intriganten sich nicht auf die
italienischen Höfe beschränkt haben. Diejenigen, welche bei dieser Gelegen¬
heit vorgeschoben wurden, waren offenbar nur die niederen Werkzeuge, die man
im Gliede ließ, sobald der Erfolg sich gegen sie wendete, und die man bald be¬
seitigt haben würde, salls sie renssirt hätten. Die Ernennung Cvlombi's zeigt,
in welcher Fraction spanischer Politiker man die Protectoren jener Leute zu suchen
hat. Derselbe ist der Bruder des bekanuren Zea-Bermndez, ehemaligen Mini¬
sters Ferdinand's VII. und Marie Christine's vor Ertheilung des Estatuto Real.
Letzterer, welcher zurücktrat, weil er der Einführung des Constitutionalismus ent¬
gegen war, gilt als das Haupt der Anhänger des sogenannten aufgeklärten Des¬
potismus,' eines in unserer Zeit unmöglichen Systems, weil es nicht mehr, wie
vor 80 Jahren, ans die gebildete Meinung sich stützt und deshalb nothgedrungen
sich stets mit allen Mächten der Reaction verbinden muß. ' Es darf daher nicht
Wunder nehmen, daß seine Jünger in Spanien die Allianz des äußersten Ultra¬
montanismus zur Erreichung ihrer Zwecke nicht verschmähten.

Narvaez begnügte sich übrigens nicht mit den Maßregeln, welche er gegen
einzelne Mitglieder der Camarilla des Königs ergriffen hatte. Diesem selbst
wurde die bisher von ihm ausgeübte Function als Gouverneur des Palastes
cibgeuommen und dein Minister des Auswärtigen, Herrn Pidal, übertragen,
dessen Entscheidung alle Anstellungen oder Absetzungen im longi. Haushalt von
nun an unterworfen waren. Die absolutistische Coterie schrie über Antastung der
Würde der Krone; diese Maßregel, die nothwendig ist, wo man das parlamen¬
tarische Regime gegen die Intriguen des Hofes sichern will und die nirgend noth¬
wendiger ist, als in Spanien, führte jedoch nur einen Gebrauch ein, der in Eng¬
land seit 130 Jahren geübt wird.

Eine größere Annäherung deö Ministeriums an die Progressisten und Puri-
tano's schien die erste Folge des gescheiterten Versuchs der geistlichen Camarilla
sein zu müssen. Verschiedene Ernennungen in der Armee und Verwaltung deute¬
ten auch darauf hin, daß Narvaez nach dieser Seite hin eine Stütze suche. Zum
Unglück für Spanien fanden diese Schritte nicht das gehörige Entgegenkommen,
und bald vereitelten Fehler von beiden Seiten das Gelingen einer Politik, welche
die Nation wahrscheinlich vor den bedenklichen Attentaten des Absolutismus auf
die Verfassung, vielleicht vor noch größeren Uebeln bewahrt hätte. Die liberale


Umgebungen des Königs hinausreichten. Die Annahme geht nicht zu weit, daß
der römische Hof und der von Neapel bei diesem Versuch, durch einen kecken
Handstreich statt der parlamentarischen Regierung in Spanien ein katholisch-abso¬
lutistisches Regiment zu errichten, die Hände mit im Spiele hatten. Zu gleicher
Zeit öffnete man dem Carlismus, der im offnen Felde völlig niedergeworfeis war,
die Aussicht, durch eine Hinterthür des Palastes sich einzuschleichen und den iM'
blutigen Spiele der Waffen verlorenen Thron wieder zu gewinnen. Dies giebt
der Vermuthung Raum, daß die Verbindungen der Intriganten sich nicht auf die
italienischen Höfe beschränkt haben. Diejenigen, welche bei dieser Gelegen¬
heit vorgeschoben wurden, waren offenbar nur die niederen Werkzeuge, die man
im Gliede ließ, sobald der Erfolg sich gegen sie wendete, und die man bald be¬
seitigt haben würde, salls sie renssirt hätten. Die Ernennung Cvlombi's zeigt,
in welcher Fraction spanischer Politiker man die Protectoren jener Leute zu suchen
hat. Derselbe ist der Bruder des bekanuren Zea-Bermndez, ehemaligen Mini¬
sters Ferdinand's VII. und Marie Christine's vor Ertheilung des Estatuto Real.
Letzterer, welcher zurücktrat, weil er der Einführung des Constitutionalismus ent¬
gegen war, gilt als das Haupt der Anhänger des sogenannten aufgeklärten Des¬
potismus,' eines in unserer Zeit unmöglichen Systems, weil es nicht mehr, wie
vor 80 Jahren, ans die gebildete Meinung sich stützt und deshalb nothgedrungen
sich stets mit allen Mächten der Reaction verbinden muß. ' Es darf daher nicht
Wunder nehmen, daß seine Jünger in Spanien die Allianz des äußersten Ultra¬
montanismus zur Erreichung ihrer Zwecke nicht verschmähten.

Narvaez begnügte sich übrigens nicht mit den Maßregeln, welche er gegen
einzelne Mitglieder der Camarilla des Königs ergriffen hatte. Diesem selbst
wurde die bisher von ihm ausgeübte Function als Gouverneur des Palastes
cibgeuommen und dein Minister des Auswärtigen, Herrn Pidal, übertragen,
dessen Entscheidung alle Anstellungen oder Absetzungen im longi. Haushalt von
nun an unterworfen waren. Die absolutistische Coterie schrie über Antastung der
Würde der Krone; diese Maßregel, die nothwendig ist, wo man das parlamen¬
tarische Regime gegen die Intriguen des Hofes sichern will und die nirgend noth¬
wendiger ist, als in Spanien, führte jedoch nur einen Gebrauch ein, der in Eng¬
land seit 130 Jahren geübt wird.

Eine größere Annäherung deö Ministeriums an die Progressisten und Puri-
tano's schien die erste Folge des gescheiterten Versuchs der geistlichen Camarilla
sein zu müssen. Verschiedene Ernennungen in der Armee und Verwaltung deute¬
ten auch darauf hin, daß Narvaez nach dieser Seite hin eine Stütze suche. Zum
Unglück für Spanien fanden diese Schritte nicht das gehörige Entgegenkommen,
und bald vereitelten Fehler von beiden Seiten das Gelingen einer Politik, welche
die Nation wahrscheinlich vor den bedenklichen Attentaten des Absolutismus auf
die Verfassung, vielleicht vor noch größeren Uebeln bewahrt hätte. Die liberale


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94440/350>, abgerufen am 22.12.2024.