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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band.

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Presse, sowie die Opposition in den wenige Tage nach der CabinetSkrisis zu¬
sammentretender Cortes, statt auf die Seite des Ministeriums gegen die Hofkabale
zu treten, suchte die Letztere vielmehr zu ihrem Vortheil auszubeuten. Offenbar
unterschätzte sie die Gefahr, welche dem constitutionellen System seitens der abso-
lutistisch-klericalen Coterie drohte, und hoffte die Antipathien, denen der Herzog
v. Valencia bei Hose begegnete, für sich benutzen zu können. Die lange Aus¬
schließung von der Gewalt, welche sie zu derartigen Manövern verleitete, kann dies
erklären, nicht rechtfertigen. Narvaez, erbittert über eine illoyale Opposition,
schritt zu heftigen Maßregeln gegen die Organe derselben in der Madrider Presse.
Die Feindseligkeit zwischen dem Ministerium und den Liberalen wurde im Verlauf
der Session so groß, als es die Ränkeschmiede der Camarilla uur wünschen
konnten.

Am 10. November machte Pidal im Kongreß die Mittheilung, daß die ita¬
lienische Expedition zurückgerufen sei. Binnen Kurzem ward in der That die
Einschiffung der spanischen Truppen bewerkstelligt. Dies, sowie der bald darauf
wegen der Heirath des Grafen v. Montemolin mit einer Nichte des Königs von
Neapel, der Prinzessin von Salerno, erfolgte Bruch der diplomatischen Be¬
ziehungen zwischen Spanien und Neapel bewies, daß Narvaez sich nicht' verhehlte,
wohin die Fäden'der gegen ihn gerichteten Intrigue ausliefen.

Im Innern trat um diese Zeit die Frage der Schnldenregulirung in den
Vordergrund.- Seit 1833, wo Toreno die Zinsenzahlung einstellte, waren die
spanischen Staatsgläubiger mit Versprechungen abgespeist worden. Espartero
hatte 1,841 vermittelst der Capitalistruug rückständiger Zinsen eine 3proc. Rente
creirt, und dies war das einzige Papier, was seitdem -- und zwar regelmäßig --
verzinst wurde. Seit wenigsteus 3 --6 Jahren hatte jede Thronrede eine baldige
Regulirung der Staatsschuld verheißen; man war jedoch nicht weiter darin ge¬
langt, als bis zur Niedersetzung von Commissionen, welche Vorschläge darüber
ausarbeiteten, die dann in den Bureau's des Finanzministeriums begraben wurden.
Ein solcher Zustand konnte indeß nicht ohne Antastung der Nationalehre und völlige
Vernichtung des Staatscredits und damit fortdauernde Machtlosigkeit Spaniens
länger bestehen, als die unabweisbare Nothwendigkeit ihn entschuldigte. Die
mit der wiederhergestellten Ordnung rasch zunehmenden Einnahmen des Staates
berechtigten die Gläubiger zu der Forderung, daß ihre Ansprüche nicht gänzlich
bei Seite gestellt würden. Eine völlige Befriedigung war allerdings undenkbar.
Nicht einmal die volle Verzinsung der activen Schuld war möglich, viel weniger
die aller rückständigen, zu einer ungeheuren Summe aufgelaufenen Interessen.
Die schmähliche Finanzwirthschaft unter Ferdinand VII., die Losreißung der Ko¬
lonien und die zur Unterwerfung derselben vergeblich verwendeten Millionen, die
Zerrüttung und die Kosten des Bürgerkrieges hatten zum Ausbruch des Staats-
banqueroutes geführt. Was geschehen konnte, war nur eine Liquidation desselben,


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Presse, sowie die Opposition in den wenige Tage nach der CabinetSkrisis zu¬
sammentretender Cortes, statt auf die Seite des Ministeriums gegen die Hofkabale
zu treten, suchte die Letztere vielmehr zu ihrem Vortheil auszubeuten. Offenbar
unterschätzte sie die Gefahr, welche dem constitutionellen System seitens der abso-
lutistisch-klericalen Coterie drohte, und hoffte die Antipathien, denen der Herzog
v. Valencia bei Hose begegnete, für sich benutzen zu können. Die lange Aus¬
schließung von der Gewalt, welche sie zu derartigen Manövern verleitete, kann dies
erklären, nicht rechtfertigen. Narvaez, erbittert über eine illoyale Opposition,
schritt zu heftigen Maßregeln gegen die Organe derselben in der Madrider Presse.
Die Feindseligkeit zwischen dem Ministerium und den Liberalen wurde im Verlauf
der Session so groß, als es die Ränkeschmiede der Camarilla uur wünschen
konnten.

Am 10. November machte Pidal im Kongreß die Mittheilung, daß die ita¬
lienische Expedition zurückgerufen sei. Binnen Kurzem ward in der That die
Einschiffung der spanischen Truppen bewerkstelligt. Dies, sowie der bald darauf
wegen der Heirath des Grafen v. Montemolin mit einer Nichte des Königs von
Neapel, der Prinzessin von Salerno, erfolgte Bruch der diplomatischen Be¬
ziehungen zwischen Spanien und Neapel bewies, daß Narvaez sich nicht' verhehlte,
wohin die Fäden'der gegen ihn gerichteten Intrigue ausliefen.

Im Innern trat um diese Zeit die Frage der Schnldenregulirung in den
Vordergrund.- Seit 1833, wo Toreno die Zinsenzahlung einstellte, waren die
spanischen Staatsgläubiger mit Versprechungen abgespeist worden. Espartero
hatte 1,841 vermittelst der Capitalistruug rückständiger Zinsen eine 3proc. Rente
creirt, und dies war das einzige Papier, was seitdem — und zwar regelmäßig —
verzinst wurde. Seit wenigsteus 3 —6 Jahren hatte jede Thronrede eine baldige
Regulirung der Staatsschuld verheißen; man war jedoch nicht weiter darin ge¬
langt, als bis zur Niedersetzung von Commissionen, welche Vorschläge darüber
ausarbeiteten, die dann in den Bureau's des Finanzministeriums begraben wurden.
Ein solcher Zustand konnte indeß nicht ohne Antastung der Nationalehre und völlige
Vernichtung des Staatscredits und damit fortdauernde Machtlosigkeit Spaniens
länger bestehen, als die unabweisbare Nothwendigkeit ihn entschuldigte. Die
mit der wiederhergestellten Ordnung rasch zunehmenden Einnahmen des Staates
berechtigten die Gläubiger zu der Forderung, daß ihre Ansprüche nicht gänzlich
bei Seite gestellt würden. Eine völlige Befriedigung war allerdings undenkbar.
Nicht einmal die volle Verzinsung der activen Schuld war möglich, viel weniger
die aller rückständigen, zu einer ungeheuren Summe aufgelaufenen Interessen.
Die schmähliche Finanzwirthschaft unter Ferdinand VII., die Losreißung der Ko¬
lonien und die zur Unterwerfung derselben vergeblich verwendeten Millionen, die
Zerrüttung und die Kosten des Bürgerkrieges hatten zum Ausbruch des Staats-
banqueroutes geführt. Was geschehen konnte, war nur eine Liquidation desselben,


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[0351] Presse, sowie die Opposition in den wenige Tage nach der CabinetSkrisis zu¬ sammentretender Cortes, statt auf die Seite des Ministeriums gegen die Hofkabale zu treten, suchte die Letztere vielmehr zu ihrem Vortheil auszubeuten. Offenbar unterschätzte sie die Gefahr, welche dem constitutionellen System seitens der abso- lutistisch-klericalen Coterie drohte, und hoffte die Antipathien, denen der Herzog v. Valencia bei Hose begegnete, für sich benutzen zu können. Die lange Aus¬ schließung von der Gewalt, welche sie zu derartigen Manövern verleitete, kann dies erklären, nicht rechtfertigen. Narvaez, erbittert über eine illoyale Opposition, schritt zu heftigen Maßregeln gegen die Organe derselben in der Madrider Presse. Die Feindseligkeit zwischen dem Ministerium und den Liberalen wurde im Verlauf der Session so groß, als es die Ränkeschmiede der Camarilla uur wünschen konnten. Am 10. November machte Pidal im Kongreß die Mittheilung, daß die ita¬ lienische Expedition zurückgerufen sei. Binnen Kurzem ward in der That die Einschiffung der spanischen Truppen bewerkstelligt. Dies, sowie der bald darauf wegen der Heirath des Grafen v. Montemolin mit einer Nichte des Königs von Neapel, der Prinzessin von Salerno, erfolgte Bruch der diplomatischen Be¬ ziehungen zwischen Spanien und Neapel bewies, daß Narvaez sich nicht' verhehlte, wohin die Fäden'der gegen ihn gerichteten Intrigue ausliefen. Im Innern trat um diese Zeit die Frage der Schnldenregulirung in den Vordergrund.- Seit 1833, wo Toreno die Zinsenzahlung einstellte, waren die spanischen Staatsgläubiger mit Versprechungen abgespeist worden. Espartero hatte 1,841 vermittelst der Capitalistruug rückständiger Zinsen eine 3proc. Rente creirt, und dies war das einzige Papier, was seitdem — und zwar regelmäßig — verzinst wurde. Seit wenigsteus 3 —6 Jahren hatte jede Thronrede eine baldige Regulirung der Staatsschuld verheißen; man war jedoch nicht weiter darin ge¬ langt, als bis zur Niedersetzung von Commissionen, welche Vorschläge darüber ausarbeiteten, die dann in den Bureau's des Finanzministeriums begraben wurden. Ein solcher Zustand konnte indeß nicht ohne Antastung der Nationalehre und völlige Vernichtung des Staatscredits und damit fortdauernde Machtlosigkeit Spaniens länger bestehen, als die unabweisbare Nothwendigkeit ihn entschuldigte. Die mit der wiederhergestellten Ordnung rasch zunehmenden Einnahmen des Staates berechtigten die Gläubiger zu der Forderung, daß ihre Ansprüche nicht gänzlich bei Seite gestellt würden. Eine völlige Befriedigung war allerdings undenkbar. Nicht einmal die volle Verzinsung der activen Schuld war möglich, viel weniger die aller rückständigen, zu einer ungeheuren Summe aufgelaufenen Interessen. Die schmähliche Finanzwirthschaft unter Ferdinand VII., die Losreißung der Ko¬ lonien und die zur Unterwerfung derselben vergeblich verwendeten Millionen, die Zerrüttung und die Kosten des Bürgerkrieges hatten zum Ausbruch des Staats- banqueroutes geführt. Was geschehen konnte, war nur eine Liquidation desselben, 43*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94440/351>, abgerufen am 22.12.2024.