Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band.einnimmt. Besonders in der Theilnahme für den Schleswig-holsteinischen Krieg Auch in dem politischen Leben beider Städte zeigt sich die Verschiedenheit. einnimmt. Besonders in der Theilnahme für den Schleswig-holsteinischen Krieg Auch in dem politischen Leben beider Städte zeigt sich die Verschiedenheit. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0273" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/94714"/> <p xml:id="ID_854" prev="#ID_853"> einnimmt. Besonders in der Theilnahme für den Schleswig-holsteinischen Krieg<lb/> trat dies hervor. Im ersten Jahre (1848) that man, als wolle man sich vor<lb/> lauter Enthusiasmus für Schleswig-Holstein zerreißen; wie aber das Schicksal<lb/> dieses schwer geprüften Landes 18ö0 sich trüber gestaltete und eine werkthätige<lb/> Theilnahme, besonders an Geld erforderte, da zog man sich zurück, und das<lb/> große Berlin, mit nahe an einer Kälber Million Einwohner, hat weniger frei¬<lb/> willige Beiträge gesandt wie manche andere kleine deutsche Stadt von 10 bis<lb/> "12,000 Einwohnern. In Hamburg aber blieb man der einmal ergriffenen Partei<lb/> auch im Unglück treu, und sucht noch mit großer Sorgfalt das Schicksal manches<lb/> armen vertriebenen Schleswig-Holsteiners zu lindern. Gerade der Mittelstand<lb/> Hamburgs, der Kern der Stadt, verdient hierin ein ehrenvolles Zeugniß. Solch<lb/> augenblicklicher Enthusiasmus für eine Sache und dann wieder plötzliche Gleich¬<lb/> gültigkeit ist charakteristisch für Berlin. Selbst bei Allem, was das eigene Wohl<lb/> und Wehe der Stadt, oder ihre äußere Verschönerung anbelangt, zeigt sich dieser<lb/> Wankelmuth. In Berlin selbst ist noch nichts Großartiges aus freiwilligen Bei¬<lb/> trägen der Bürgerschaft entstanden; und eine Erscheinung, z. B. daß wie in Ham¬<lb/> burg nun schon seit 8 Jahren wöchentlich regelmäßige Schillingsbeiträge zum Bau<lb/> eines Kirchthurmes in einer gleichen Höhe selbst von Arbeiterfamilien gezahlt<lb/> werden, würde hier zu den Unmöglichkeiten gehören.</p><lb/> <p xml:id="ID_855" next="#ID_856"> Auch in dem politischen Leben beider Städte zeigt sich die Verschiedenheit.<lb/> In Berlin berühren sich die Extreme. Ein Theil der Bevölkerung weiß vor wirk¬<lb/> licher, oft aber auch geheuchelter Hyperloyalität gar nicht, wie er sich tief genug<lb/> bücken und krümmen soll, und trägt die ganze ekelhafte Kriecherei einer<lb/> Bedientcnseele zur Schau. Im schroffen Gegensatz dazu findet man die ver¬<lb/> bissene, zerstörungslustige, im Innern Rache brütende demokratische Partei, be¬<lb/> sonders unter dem kleineren Bürger- und Arbeiterstand ungemein stark in Berlin<lb/> vertreten. Trotz der Garnison von einigen 20,000 Mann und so und so viel<lb/> Tausend Constablern, bemerkt man überall Spuren, wie diese demokratische Flamme<lb/> im Geheimen fortglüht, und ein Besucher der Volkslocale, in denen die unteren<lb/> Stände sich herumtreiben, oder der Märkte u. s. w., kann hier in einer Stunde<lb/> mehr steche Lästerungen jeglicher Art hören, wie in Hamburg in einer ganzen<lb/> Woche. Es giebt aber auch in ganz Deutschland keine zweite gleich große Stadt,<lb/> in welcher die eigentlich demokratische Partei so schwach vertreten ist, wie in<lb/> Hamburg. Einige verdorbene Advokaten und Literaten bilden die Führer, einige<lb/> Hundert arbeitslose „Bntjes " (Herumtreiber) die Masse derselben; die eigentliche<lb/> Bürgerschaft steht entschieden allen ultrademokratischen Bewegungen entgegen. Die¬<lb/> selbe will Fortschritt, Verbesserungen jeglicher Art, aber nur im Wege der Reform.<lb/> Der Umstand, daß sowol 1848 und 1849 in Frankfurt und 1830 in Erfurt<lb/> sämmtliche Abgeordnete Hamburgs dem Centrum, die von Berlin entweder der<lb/> äußersten Rechten oder wüthenden Linken angehörten, ist ein Beleg für unsre</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0273]
einnimmt. Besonders in der Theilnahme für den Schleswig-holsteinischen Krieg
trat dies hervor. Im ersten Jahre (1848) that man, als wolle man sich vor
lauter Enthusiasmus für Schleswig-Holstein zerreißen; wie aber das Schicksal
dieses schwer geprüften Landes 18ö0 sich trüber gestaltete und eine werkthätige
Theilnahme, besonders an Geld erforderte, da zog man sich zurück, und das
große Berlin, mit nahe an einer Kälber Million Einwohner, hat weniger frei¬
willige Beiträge gesandt wie manche andere kleine deutsche Stadt von 10 bis
"12,000 Einwohnern. In Hamburg aber blieb man der einmal ergriffenen Partei
auch im Unglück treu, und sucht noch mit großer Sorgfalt das Schicksal manches
armen vertriebenen Schleswig-Holsteiners zu lindern. Gerade der Mittelstand
Hamburgs, der Kern der Stadt, verdient hierin ein ehrenvolles Zeugniß. Solch
augenblicklicher Enthusiasmus für eine Sache und dann wieder plötzliche Gleich¬
gültigkeit ist charakteristisch für Berlin. Selbst bei Allem, was das eigene Wohl
und Wehe der Stadt, oder ihre äußere Verschönerung anbelangt, zeigt sich dieser
Wankelmuth. In Berlin selbst ist noch nichts Großartiges aus freiwilligen Bei¬
trägen der Bürgerschaft entstanden; und eine Erscheinung, z. B. daß wie in Ham¬
burg nun schon seit 8 Jahren wöchentlich regelmäßige Schillingsbeiträge zum Bau
eines Kirchthurmes in einer gleichen Höhe selbst von Arbeiterfamilien gezahlt
werden, würde hier zu den Unmöglichkeiten gehören.
Auch in dem politischen Leben beider Städte zeigt sich die Verschiedenheit.
In Berlin berühren sich die Extreme. Ein Theil der Bevölkerung weiß vor wirk¬
licher, oft aber auch geheuchelter Hyperloyalität gar nicht, wie er sich tief genug
bücken und krümmen soll, und trägt die ganze ekelhafte Kriecherei einer
Bedientcnseele zur Schau. Im schroffen Gegensatz dazu findet man die ver¬
bissene, zerstörungslustige, im Innern Rache brütende demokratische Partei, be¬
sonders unter dem kleineren Bürger- und Arbeiterstand ungemein stark in Berlin
vertreten. Trotz der Garnison von einigen 20,000 Mann und so und so viel
Tausend Constablern, bemerkt man überall Spuren, wie diese demokratische Flamme
im Geheimen fortglüht, und ein Besucher der Volkslocale, in denen die unteren
Stände sich herumtreiben, oder der Märkte u. s. w., kann hier in einer Stunde
mehr steche Lästerungen jeglicher Art hören, wie in Hamburg in einer ganzen
Woche. Es giebt aber auch in ganz Deutschland keine zweite gleich große Stadt,
in welcher die eigentlich demokratische Partei so schwach vertreten ist, wie in
Hamburg. Einige verdorbene Advokaten und Literaten bilden die Führer, einige
Hundert arbeitslose „Bntjes " (Herumtreiber) die Masse derselben; die eigentliche
Bürgerschaft steht entschieden allen ultrademokratischen Bewegungen entgegen. Die¬
selbe will Fortschritt, Verbesserungen jeglicher Art, aber nur im Wege der Reform.
Der Umstand, daß sowol 1848 und 1849 in Frankfurt und 1830 in Erfurt
sämmtliche Abgeordnete Hamburgs dem Centrum, die von Berlin entweder der
äußersten Rechten oder wüthenden Linken angehörten, ist ein Beleg für unsre
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