Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band.ist es ferner recht hübsch von ihr, daß sie sich über jede freie Privat-Association der Von der englischen Belletristik führen wir eine sehr interessante Rovellcn- ist es ferner recht hübsch von ihr, daß sie sich über jede freie Privat-Association der Von der englischen Belletristik führen wir eine sehr interessante Rovellcn- <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0249" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/94690"/> <p xml:id="ID_800" prev="#ID_799"> ist es ferner recht hübsch von ihr, daß sie sich über jede freie Privat-Association der<lb/> Engländer in gewerblichen und industriellen Dingen ehrlich freut, namentlich wenn diese<lb/> von Arbeitern ausgeht. Wenn sie aber dabei in ihrem gemüthlichen Eifer wiederholt<lb/> ausruft: „Hier ist ja unser Socialismus!" so irrt sie doch ein wenig. Denn wie<lb/> schwankend und verworren auch die Vorstellungen sind, welche die Demokraten vom<lb/> Socialismus und seiner Bedeutung hegen, so wird doch überall, wo man verständig<lb/> unterscheidet, zwischen Socialismus und Privat-Associationen der radicale Unterschied<lb/> gemacht, daß der Socialismus unternimmt, die Vereinigung von Menschenkraft und Ca¬<lb/> pitalien dnrch gesetzliche Bestimmungen der Allgemeinheit zu ordnen und zu disponiren,<lb/> daß er also die Freiheit des Individuums nach der Chablone des Systems zu be¬<lb/> schränken genöthigt ist, während die Privat-Association unsres Gcschäftslebcns und der<lb/> gegenwärtigen Staaten durch die Individuen selbst, je nach ihren verständigen, egoisti¬<lb/> schen Interessen, ganz ohne directe Rücksicht aus das Interesse der Gesammtheit be¬<lb/> wirkt wird. Dieser Unterschied ist so groß, daß er nicht großer sein kann. Wenn<lb/> daher die Verfasserin sich eine Socialistin nennt, und zu gleicher Zeit in den Privat-Vereini-<lb/> gungen Englands ihr System wieder findet, so ist das zwar sehr freundlich von ihr,<lb/> aber sie muß dann auch Anderen erlauben, sie für eine Schriftstellerin zu halten, deren<lb/> Gefühl besser und wahrer ist, als ihr ungebildetes Urtheil. Unserer Damenwelt em¬<lb/> pfehlen wir angelegentlich vorzugsweise die Capitel, in denen das häusliche Leben und<lb/> die geselligen Formen der Engländer besprochen werden.</p><lb/> <p xml:id="ID_801" next="#ID_802"> Von der englischen Belletristik führen wir eine sehr interessante Rovellcn-<lb/> sammluug an: 1'floh oll-tie Arotesque sua argdosyllö, von dem Amerikaner Edgar Poe,<lb/> der im Jahre 18i-9, noch sehr jung, gestorben ist. Eine frühere Sammlung seiner in<lb/> den amerikanischen Zeitschriften zerstreuten Novellen war 186-3 erschienen, darin unter<lb/> anderem: die schwarze Katze, der goldene Käfer, das Geheimniß der Marie Rogee :c.<lb/> Die neue Sammlung zeichnet sich wieder durch eine Reihe vortrefflicher kleiner Erzäh--<lb/> lungen aus. Edgar Poe gehört zu jener amerikanischen Dichterschule, die-wir bereits<lb/> in Hawthorne, Longfellow und Margarethe Füller geschildert haben, jener Schule, die<lb/> vorzugsweise darauf ausgeht, dunkle und irrationelle Empfindungen in virtuoser Dar¬<lb/> stellung wiederzugeben und in den gewöhnlichsten Verhältnissen ein Symbol der tiefsten<lb/> Lcbensräthsel zu sehen. Edgar Poe zeichnet sich vor den Uebrigen durch Kürze/ Ge¬<lb/> drängtheit und eine gewisse Leidenschaft in seinen gewaltsamen Erfindungen aus. Wir<lb/> wo.lieu den Inhalt einiger dieser kleinen Novellen angeben. In der einen: „der'Sklave<lb/> des Verdcrbnisscs", wird die Geschichte eines Mannes erzählt, der unter Umständen,<lb/> welche alle Gefahr der Entdeckung ausschließen, einen Mord begangen hat. Er be¬<lb/> schäftigt sich fortwährend mit dem Gedanken, daß er ganz sicher ist, daß er Nichts zu<lb/> zu befürchten hat. Auf einmal fällt ihm ein: Ja, ich bin in Sicherheit, vorausgesetzt,<lb/> daß ich so weit Meister über mich selbst bleibe, mein Verbrechen nicht freiwillig zu gestehen.<lb/> Diese Angst macht sich nun zum Herrn über ihn, und treibt ihn endlich zu einem<lb/> wilden Schuldbekenntniß, gerade wie es beim Schwindel vorkommt, daß man sich in<lb/> der Angst, zu fallen, selbst vom Felsen herabstürzt. — Eine andere Geschichte spielt in<lb/> Ungarn. Ein Graf hat aus dem Erbtheil eines untergegangenen feindlichen Hauses<lb/> ein wildes Pferd erworben, welches er allein bändigen kann, und welches er mit be¬<lb/> sonderer Vorliebe besteigt, obgleich ihm dabei immer die Vorstellung vorschwebt, in -die-</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0249]
ist es ferner recht hübsch von ihr, daß sie sich über jede freie Privat-Association der
Engländer in gewerblichen und industriellen Dingen ehrlich freut, namentlich wenn diese
von Arbeitern ausgeht. Wenn sie aber dabei in ihrem gemüthlichen Eifer wiederholt
ausruft: „Hier ist ja unser Socialismus!" so irrt sie doch ein wenig. Denn wie
schwankend und verworren auch die Vorstellungen sind, welche die Demokraten vom
Socialismus und seiner Bedeutung hegen, so wird doch überall, wo man verständig
unterscheidet, zwischen Socialismus und Privat-Associationen der radicale Unterschied
gemacht, daß der Socialismus unternimmt, die Vereinigung von Menschenkraft und Ca¬
pitalien dnrch gesetzliche Bestimmungen der Allgemeinheit zu ordnen und zu disponiren,
daß er also die Freiheit des Individuums nach der Chablone des Systems zu be¬
schränken genöthigt ist, während die Privat-Association unsres Gcschäftslebcns und der
gegenwärtigen Staaten durch die Individuen selbst, je nach ihren verständigen, egoisti¬
schen Interessen, ganz ohne directe Rücksicht aus das Interesse der Gesammtheit be¬
wirkt wird. Dieser Unterschied ist so groß, daß er nicht großer sein kann. Wenn
daher die Verfasserin sich eine Socialistin nennt, und zu gleicher Zeit in den Privat-Vereini-
gungen Englands ihr System wieder findet, so ist das zwar sehr freundlich von ihr,
aber sie muß dann auch Anderen erlauben, sie für eine Schriftstellerin zu halten, deren
Gefühl besser und wahrer ist, als ihr ungebildetes Urtheil. Unserer Damenwelt em¬
pfehlen wir angelegentlich vorzugsweise die Capitel, in denen das häusliche Leben und
die geselligen Formen der Engländer besprochen werden.
Von der englischen Belletristik führen wir eine sehr interessante Rovellcn-
sammluug an: 1'floh oll-tie Arotesque sua argdosyllö, von dem Amerikaner Edgar Poe,
der im Jahre 18i-9, noch sehr jung, gestorben ist. Eine frühere Sammlung seiner in
den amerikanischen Zeitschriften zerstreuten Novellen war 186-3 erschienen, darin unter
anderem: die schwarze Katze, der goldene Käfer, das Geheimniß der Marie Rogee :c.
Die neue Sammlung zeichnet sich wieder durch eine Reihe vortrefflicher kleiner Erzäh--
lungen aus. Edgar Poe gehört zu jener amerikanischen Dichterschule, die-wir bereits
in Hawthorne, Longfellow und Margarethe Füller geschildert haben, jener Schule, die
vorzugsweise darauf ausgeht, dunkle und irrationelle Empfindungen in virtuoser Dar¬
stellung wiederzugeben und in den gewöhnlichsten Verhältnissen ein Symbol der tiefsten
Lcbensräthsel zu sehen. Edgar Poe zeichnet sich vor den Uebrigen durch Kürze/ Ge¬
drängtheit und eine gewisse Leidenschaft in seinen gewaltsamen Erfindungen aus. Wir
wo.lieu den Inhalt einiger dieser kleinen Novellen angeben. In der einen: „der'Sklave
des Verdcrbnisscs", wird die Geschichte eines Mannes erzählt, der unter Umständen,
welche alle Gefahr der Entdeckung ausschließen, einen Mord begangen hat. Er be¬
schäftigt sich fortwährend mit dem Gedanken, daß er ganz sicher ist, daß er Nichts zu
zu befürchten hat. Auf einmal fällt ihm ein: Ja, ich bin in Sicherheit, vorausgesetzt,
daß ich so weit Meister über mich selbst bleibe, mein Verbrechen nicht freiwillig zu gestehen.
Diese Angst macht sich nun zum Herrn über ihn, und treibt ihn endlich zu einem
wilden Schuldbekenntniß, gerade wie es beim Schwindel vorkommt, daß man sich in
der Angst, zu fallen, selbst vom Felsen herabstürzt. — Eine andere Geschichte spielt in
Ungarn. Ein Graf hat aus dem Erbtheil eines untergegangenen feindlichen Hauses
ein wildes Pferd erworben, welches er allein bändigen kann, und welches er mit be¬
sonderer Vorliebe besteigt, obgleich ihm dabei immer die Vorstellung vorschwebt, in -die-
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