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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band.

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ward zurückgerufen und zum Senator ernannt, eine allgemeine Amnestie erlassen,
die Gemeindegüter zu Gunsten des Staatsschatzes, . der dafür Bonssi) geben
sollte, zum Verkauf gestellt (ein finanzieller Staatsstreich der schlimmsten Art, der
bald darauf rückgängig gemacht wurde); man erwartete die Auflösung der Cortes
und allgemeinen Wahlen, die den Progressisten das Heft in die Hand spielen
würden, da trat ein plötzlicher Umschwung der Dinge ein. Durch eine Intrigue,
die gleich denen, die ihr vorangingen und folgten, nicht gehörig aufgehellt ist, bot
Serrano selber die Hand dazu, seine Schützlinge vom Ruder zu bringen, womit
zugleich die Epoche seines eigenen Einflusses geschlossen wurde. Ohne die geringste
Ahnung des ihnen Bevorstehenden zu haben, empfingen Salamanca und seine Kolle¬
gen im Theater ans Narvaez' Munde die Nachricht ihrer Entsetzung, und am folgen¬
den' Morgen brachte die Gaccta die Ernennung eines neuen Ministeriums uuter
dem Präsidium des Herzogs von Valencia, zusammengesetzt aus Mitgliedern,
welche der moderirten Mehrheit der Cortes angehörten, (i. October 18L7.)

Die Lehren seines letzten, so kläglich gescheiterten Ministeriums waren an
Narvaez nicht ungenutzt vorübergegangen. Er suchte ein Gegengewicht gegen die
gefährliche Intrigue des Palastes, die ihn plötzlich stürzen konnte wie sie ihn er¬
hoben, in der sofortigen Berufung der Cortes und in der Reconstruirung der
Majorität. Serrano schied vom Hose und ward mit dem Generalcapitancit von
Granada abgefunden. Der König-Gemahl kehrte zur Königin zurück und Marie
Christine vereinigte sich gleichfalls wieder mit ihrer Tochter. Sie traf schleunig
in Madrid ein. Wenn dieses letztere Ereignis? auch von ziemlich zweideutigem
Vortheil ans die Dauer für das Land war, so festigte es doch für den Augenblick
die Situation, indem es die Wiederaussöhnung der königlichen Familie wenigstens
zur Schan stellte. Narvaez führte außerdem eine Sprache gegen die Diplomatie,
vor Allem gegen den - Gesandten Englands, welche unzweideutig kund gab, daß
er fernerhin das Mitregieren der fremden Cabinete nicht gestatten wolle.
Dem französischen Uebergewicht wurde ein Damm gezogen, indem seine Heiden
eifrigsten Vertreter, Mon und Pidal, sich vom Cabinet ausgeschlossen sahen. Bei
dem großen Einfluß dieser beiden Staatsmänner in der gemäßigten'Partei wurde
allerdings das Verhältniß des Cabinets zur Majorität dadurch etwas un¬
sicher. Indeß wog die dem Letzteren günstige Thätigkeit anderer, bedeutender
Moderado-Chefs, worunter namentlich Martinez de la Rosa, dies einigermaßen
wieder auf. Narvaez bestrebte sich aber ferner auch -- und es gereichte ihm
dies zum Ruhme -- eine Annäherung mit der pmitanistischen und progressistischen
Opposition herbeizuführen. Mit Olozaga, der nach vierjährigen Exil wieder
zurückgekehrt zum erstenmal die Tribune betrat, wechselte der Ministerpräsident
Erklärungen voll Mäßigung und gegenseitiger Achtung. Dem Bestreben Pi-
dal's und Mon's, die von den heftigeren Mvderado's unterstützt, eine par¬
lamentarische Untersuchung gegen Salamanca beantragten, wirkte das Ministerium


ward zurückgerufen und zum Senator ernannt, eine allgemeine Amnestie erlassen,
die Gemeindegüter zu Gunsten des Staatsschatzes, . der dafür Bonssi) geben
sollte, zum Verkauf gestellt (ein finanzieller Staatsstreich der schlimmsten Art, der
bald darauf rückgängig gemacht wurde); man erwartete die Auflösung der Cortes
und allgemeinen Wahlen, die den Progressisten das Heft in die Hand spielen
würden, da trat ein plötzlicher Umschwung der Dinge ein. Durch eine Intrigue,
die gleich denen, die ihr vorangingen und folgten, nicht gehörig aufgehellt ist, bot
Serrano selber die Hand dazu, seine Schützlinge vom Ruder zu bringen, womit
zugleich die Epoche seines eigenen Einflusses geschlossen wurde. Ohne die geringste
Ahnung des ihnen Bevorstehenden zu haben, empfingen Salamanca und seine Kolle¬
gen im Theater ans Narvaez' Munde die Nachricht ihrer Entsetzung, und am folgen¬
den' Morgen brachte die Gaccta die Ernennung eines neuen Ministeriums uuter
dem Präsidium des Herzogs von Valencia, zusammengesetzt aus Mitgliedern,
welche der moderirten Mehrheit der Cortes angehörten, (i. October 18L7.)

Die Lehren seines letzten, so kläglich gescheiterten Ministeriums waren an
Narvaez nicht ungenutzt vorübergegangen. Er suchte ein Gegengewicht gegen die
gefährliche Intrigue des Palastes, die ihn plötzlich stürzen konnte wie sie ihn er¬
hoben, in der sofortigen Berufung der Cortes und in der Reconstruirung der
Majorität. Serrano schied vom Hose und ward mit dem Generalcapitancit von
Granada abgefunden. Der König-Gemahl kehrte zur Königin zurück und Marie
Christine vereinigte sich gleichfalls wieder mit ihrer Tochter. Sie traf schleunig
in Madrid ein. Wenn dieses letztere Ereignis? auch von ziemlich zweideutigem
Vortheil ans die Dauer für das Land war, so festigte es doch für den Augenblick
die Situation, indem es die Wiederaussöhnung der königlichen Familie wenigstens
zur Schan stellte. Narvaez führte außerdem eine Sprache gegen die Diplomatie,
vor Allem gegen den - Gesandten Englands, welche unzweideutig kund gab, daß
er fernerhin das Mitregieren der fremden Cabinete nicht gestatten wolle.
Dem französischen Uebergewicht wurde ein Damm gezogen, indem seine Heiden
eifrigsten Vertreter, Mon und Pidal, sich vom Cabinet ausgeschlossen sahen. Bei
dem großen Einfluß dieser beiden Staatsmänner in der gemäßigten'Partei wurde
allerdings das Verhältniß des Cabinets zur Majorität dadurch etwas un¬
sicher. Indeß wog die dem Letzteren günstige Thätigkeit anderer, bedeutender
Moderado-Chefs, worunter namentlich Martinez de la Rosa, dies einigermaßen
wieder auf. Narvaez bestrebte sich aber ferner auch — und es gereichte ihm
dies zum Ruhme — eine Annäherung mit der pmitanistischen und progressistischen
Opposition herbeizuführen. Mit Olozaga, der nach vierjährigen Exil wieder
zurückgekehrt zum erstenmal die Tribune betrat, wechselte der Ministerpräsident
Erklärungen voll Mäßigung und gegenseitiger Achtung. Dem Bestreben Pi-
dal's und Mon's, die von den heftigeren Mvderado's unterstützt, eine par¬
lamentarische Untersuchung gegen Salamanca beantragten, wirkte das Ministerium


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[0192] ward zurückgerufen und zum Senator ernannt, eine allgemeine Amnestie erlassen, die Gemeindegüter zu Gunsten des Staatsschatzes, . der dafür Bonssi) geben sollte, zum Verkauf gestellt (ein finanzieller Staatsstreich der schlimmsten Art, der bald darauf rückgängig gemacht wurde); man erwartete die Auflösung der Cortes und allgemeinen Wahlen, die den Progressisten das Heft in die Hand spielen würden, da trat ein plötzlicher Umschwung der Dinge ein. Durch eine Intrigue, die gleich denen, die ihr vorangingen und folgten, nicht gehörig aufgehellt ist, bot Serrano selber die Hand dazu, seine Schützlinge vom Ruder zu bringen, womit zugleich die Epoche seines eigenen Einflusses geschlossen wurde. Ohne die geringste Ahnung des ihnen Bevorstehenden zu haben, empfingen Salamanca und seine Kolle¬ gen im Theater ans Narvaez' Munde die Nachricht ihrer Entsetzung, und am folgen¬ den' Morgen brachte die Gaccta die Ernennung eines neuen Ministeriums uuter dem Präsidium des Herzogs von Valencia, zusammengesetzt aus Mitgliedern, welche der moderirten Mehrheit der Cortes angehörten, (i. October 18L7.) Die Lehren seines letzten, so kläglich gescheiterten Ministeriums waren an Narvaez nicht ungenutzt vorübergegangen. Er suchte ein Gegengewicht gegen die gefährliche Intrigue des Palastes, die ihn plötzlich stürzen konnte wie sie ihn er¬ hoben, in der sofortigen Berufung der Cortes und in der Reconstruirung der Majorität. Serrano schied vom Hose und ward mit dem Generalcapitancit von Granada abgefunden. Der König-Gemahl kehrte zur Königin zurück und Marie Christine vereinigte sich gleichfalls wieder mit ihrer Tochter. Sie traf schleunig in Madrid ein. Wenn dieses letztere Ereignis? auch von ziemlich zweideutigem Vortheil ans die Dauer für das Land war, so festigte es doch für den Augenblick die Situation, indem es die Wiederaussöhnung der königlichen Familie wenigstens zur Schan stellte. Narvaez führte außerdem eine Sprache gegen die Diplomatie, vor Allem gegen den - Gesandten Englands, welche unzweideutig kund gab, daß er fernerhin das Mitregieren der fremden Cabinete nicht gestatten wolle. Dem französischen Uebergewicht wurde ein Damm gezogen, indem seine Heiden eifrigsten Vertreter, Mon und Pidal, sich vom Cabinet ausgeschlossen sahen. Bei dem großen Einfluß dieser beiden Staatsmänner in der gemäßigten'Partei wurde allerdings das Verhältniß des Cabinets zur Majorität dadurch etwas un¬ sicher. Indeß wog die dem Letzteren günstige Thätigkeit anderer, bedeutender Moderado-Chefs, worunter namentlich Martinez de la Rosa, dies einigermaßen wieder auf. Narvaez bestrebte sich aber ferner auch — und es gereichte ihm dies zum Ruhme — eine Annäherung mit der pmitanistischen und progressistischen Opposition herbeizuführen. Mit Olozaga, der nach vierjährigen Exil wieder zurückgekehrt zum erstenmal die Tribune betrat, wechselte der Ministerpräsident Erklärungen voll Mäßigung und gegenseitiger Achtung. Dem Bestreben Pi- dal's und Mon's, die von den heftigeren Mvderado's unterstützt, eine par¬ lamentarische Untersuchung gegen Salamanca beantragten, wirkte das Ministerium

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94440/192>, abgerufen am 22.12.2024.