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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band.

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hatte. Es waren dies die Herren Mon und Pidal, zwei Schwäger, die gleich
politischen Dioskuren, stets eng verbündet ihre politische Laufbahn verfolgten. Der
Erstere war unstreitig der verdienstvollste Finanzminister, den Spanien seit längerer
Zeit besessen und seiner Energie war es zu verdanken, daß die völlig versiegten
Quellen des öffentlichen Schatzes sich wieder zu öffnen begannen. Beide galten
für die hauptsächlichsten Stützen des französischen Einflusses. Der kräftige Cha¬
rakter des Narvaez hatte ihnen nicht gestattet, unter seiner Präsidentschaft die Lei¬
tung der Politik an sich zu reißen; unter dem schwächern Vorsitz des Jsturiz
waren sie die eigentlichen Häupter des Cabinets. Die kaum zehnmonatliche Dauer
desselben wurde durch einen Act bezeichnet, der einen weitgreifenden Einfluß auf
die politischen Verhältnisse von ganz Europa zu nehmen bestimmt war: die Ver-
heirathung der beiden königlichen Schwestern von Spanien mit dem ältesten Sohne
des Infanten Francisco da Paula und dem Herzog von Monpenster, eine Ver¬
bindung, welche das Bündniß zwischen Frankreich und England zerriß und als
eine der Hauptursachen des Sturzes derOrleans'schen Dynastie betrachtetwerdcn muß.

Unmittelbar nachdem diese verhängnißvolle Doppelhochzeit mit großem Pompe
in Madrid begangen worden, löste i>as Ministerium die Cortes auf und ord¬
nete Neuwahlen nach dem neuen Wahlgesetz an, welches die Revision der Ver¬
fassung beschlossen hatte. Dasselbe vermehrte, indem es den Census sehr er¬
höhte, die Zahl der Abgeordneten von 241 ans 349 und theilte das Land in
eben so viel Wahlbezirke, während das frühere Wahlgesetz jede Provinz (Spanien
zählt deren 4S) zu Einem großen Wahlkreis constituirt hatte. Die Progressisten,
zur Ueberzeugung der nachtheiligen Folgen ihrer Wahlenthaltung gekommen, er¬
schienen wieder auf der Wahlbühue, konnten jedoch nur etwa fünfzig der Ihrigen,
worunter freilich ihre wichtigsten Führer, in den Kongreß bringen. Die neue
Kammer war jedoch weit entfernt ministeriell zu sein. Außer einer beträchtlichen
Anzahl "Puritanos" zählte sie viele Moderirte, welche mit der Politik der Hei-
rathen nicht einverstanden waren. Das Cabinet fiel bereits bei der Präsidenten¬
wahl des Kongresses (Januar 1847). Ein anderes, gleichfalls moderirtes Mini¬
sterium unter dem Vorsitz des Herzogs von Soto-Mahor, trat an seine Stelle,
dem mehrere Abgeordnete beitraten,, die bis dahin der Fahne der Puritanos ge¬
folgt waren, ihre früheren Grundsätze aber nicht mit hinüber ins Amt nahmen.
Die englische Politik begnügte sich jedoch mit diesem Erfolge nicht. Der kühne
und ränkevolle Vertreter derselben in Madrid, Sir Henry Bulwer, fand ein Werk¬
zeug zur Erreichung seiner Absichten in dem jungen, schönen General Serrano,
der, nachdem er in dem Aufstande gegen Espartero eine bedeutende, wiewol
ephemere Stellung bekleidet hatte, jetzt durch die Gunst der Königin Jsabella in
sehr verschiedener Weise zu dominirenden Einfluß gelangte. Marie Christine, mit
ihrer Tochter zerfallen, welche wenig Ursache zum Dank für den mütterlichen Ein¬
fluß, der die Heirat!) mit ihrem von der Natur sehr vernachlässigten Cousin zu


hatte. Es waren dies die Herren Mon und Pidal, zwei Schwäger, die gleich
politischen Dioskuren, stets eng verbündet ihre politische Laufbahn verfolgten. Der
Erstere war unstreitig der verdienstvollste Finanzminister, den Spanien seit längerer
Zeit besessen und seiner Energie war es zu verdanken, daß die völlig versiegten
Quellen des öffentlichen Schatzes sich wieder zu öffnen begannen. Beide galten
für die hauptsächlichsten Stützen des französischen Einflusses. Der kräftige Cha¬
rakter des Narvaez hatte ihnen nicht gestattet, unter seiner Präsidentschaft die Lei¬
tung der Politik an sich zu reißen; unter dem schwächern Vorsitz des Jsturiz
waren sie die eigentlichen Häupter des Cabinets. Die kaum zehnmonatliche Dauer
desselben wurde durch einen Act bezeichnet, der einen weitgreifenden Einfluß auf
die politischen Verhältnisse von ganz Europa zu nehmen bestimmt war: die Ver-
heirathung der beiden königlichen Schwestern von Spanien mit dem ältesten Sohne
des Infanten Francisco da Paula und dem Herzog von Monpenster, eine Ver¬
bindung, welche das Bündniß zwischen Frankreich und England zerriß und als
eine der Hauptursachen des Sturzes derOrleans'schen Dynastie betrachtetwerdcn muß.

Unmittelbar nachdem diese verhängnißvolle Doppelhochzeit mit großem Pompe
in Madrid begangen worden, löste i>as Ministerium die Cortes auf und ord¬
nete Neuwahlen nach dem neuen Wahlgesetz an, welches die Revision der Ver¬
fassung beschlossen hatte. Dasselbe vermehrte, indem es den Census sehr er¬
höhte, die Zahl der Abgeordneten von 241 ans 349 und theilte das Land in
eben so viel Wahlbezirke, während das frühere Wahlgesetz jede Provinz (Spanien
zählt deren 4S) zu Einem großen Wahlkreis constituirt hatte. Die Progressisten,
zur Ueberzeugung der nachtheiligen Folgen ihrer Wahlenthaltung gekommen, er¬
schienen wieder auf der Wahlbühue, konnten jedoch nur etwa fünfzig der Ihrigen,
worunter freilich ihre wichtigsten Führer, in den Kongreß bringen. Die neue
Kammer war jedoch weit entfernt ministeriell zu sein. Außer einer beträchtlichen
Anzahl „Puritanos" zählte sie viele Moderirte, welche mit der Politik der Hei-
rathen nicht einverstanden waren. Das Cabinet fiel bereits bei der Präsidenten¬
wahl des Kongresses (Januar 1847). Ein anderes, gleichfalls moderirtes Mini¬
sterium unter dem Vorsitz des Herzogs von Soto-Mahor, trat an seine Stelle,
dem mehrere Abgeordnete beitraten,, die bis dahin der Fahne der Puritanos ge¬
folgt waren, ihre früheren Grundsätze aber nicht mit hinüber ins Amt nahmen.
Die englische Politik begnügte sich jedoch mit diesem Erfolge nicht. Der kühne
und ränkevolle Vertreter derselben in Madrid, Sir Henry Bulwer, fand ein Werk¬
zeug zur Erreichung seiner Absichten in dem jungen, schönen General Serrano,
der, nachdem er in dem Aufstande gegen Espartero eine bedeutende, wiewol
ephemere Stellung bekleidet hatte, jetzt durch die Gunst der Königin Jsabella in
sehr verschiedener Weise zu dominirenden Einfluß gelangte. Marie Christine, mit
ihrer Tochter zerfallen, welche wenig Ursache zum Dank für den mütterlichen Ein¬
fluß, der die Heirat!) mit ihrem von der Natur sehr vernachlässigten Cousin zu


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94440/190>, abgerufen am 22.12.2024.