Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band.Gavarni giebt uns die derbste Realität des Lebens, aber nicht in dem Sinn, Einen ziemlich großen Raum in jener Sammlung.nehmen die LnlÄns tsrri- Grenzboten. III. ->8öZ. 22
Gavarni giebt uns die derbste Realität des Lebens, aber nicht in dem Sinn, Einen ziemlich großen Raum in jener Sammlung.nehmen die LnlÄns tsrri- Grenzboten. III. ->8öZ. 22
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Gavarni giebt uns die derbste Realität des Lebens, aber nicht in dem Sinn,
eines gemeinen Realisten, der sich damit begnügt, was er zufällig gesehen hat,
genau wiederzugeben, sondern mit einem köstlich idealistrenden Humor. Wer hat
nicht mitunter in den Menagerien stundenlang mit großer Heiterkeit dem drolligen
Treiben der Bären, Affen, Papageien und ähnlicher von der Natur humoristisch
ausgestatteter Thiere zugesehn, die gar nicht müde werden, in immer neuen lächer¬
lichen und doch zum Theil anmuthigen Bewegungen ein unerschöpfliches Leben zu
entwickeln, das auch in die Thierwelt etwas Geistiges bringt! Ein ähnliches
Geschlecht scheinen die Pariser und namentlich die Pariserinnen zu sein. Der
Hauptgegenstand dieser Bilder ist die Betrügerei, die ein Mädchen an ihrem
Liebhaber, oder die eine Frau an ihrem Mann ausübt. Das geschieht aber bei
Gavarni mit einer so mannichfaltig gefärbten Beweglichkeit, daß eigentlich erst
durch solche Anschauungen die französischen Novellen und Chansons für nus Fleisch
und Blut gewinnen. Wir begreifen vollkommen, wie sogar ein gewisser Reiz
darinnen liegen kann, sich von so liebenswürdigen Katzen betrügen zu lassen.
Mit besonderer Vorliebe behandelt Gavarni die Gnsettc; aber er weiß auch der
Dame ans der großen Welt Gerechtigkeit widerfahren zu laßen. Zu jeder seiner
Illustrationen gehört ein kleiner Text, gleichfalls von ihm erfunden und in der
Regel sehr zierlich und witzig ausgedacht. Aber die Zeichnung begnügt sich keines¬
wegs damit, diesen Text einfach zu erläutern; sie. giebt im Gegentheil eine Reihe
von zierlichen und drolligen Bewegungen, die wir oft aus dem Text gar nicht
herauslesen würden, von denen wir uns. aber nachher überzeugen, daß gerade so
und nicht anders die Situativ» gedacht werden muß, wenn ein Ideal daraus
werden soll. Am schwächsten sind daher solche Gegenstände behandelt, wo sich
der Witz in der Situation bereits vollständig erschöpft, z. B. die Bilder aus dem
Leben der Schauspielerinnen, die ihre tragische Rolle Probiren und in ihrer
Kleidung oder anderwärts irgend envas an sich haben, was der dargestellten Si¬
tuation widerspricht und durch diesen Contrast einen lächerlichen Eindruck macht,
oder in den Bildern von den Maskenbällen,.in denen das Fratzenhafte der Tracht
und der nackte Cynismus es dem Maler bequem macht, seine Wirkung zu er¬
reichen, aber eben darum auch seiner Kunst Eintrag thut, abgesehen davon, daß
eS' immer eine Grenze giebt, wo der Chnismns aufhört, in das Gebiet der ästhe¬
tischen Komik zu fallen. Zwar hat Gavarni ein außerordentliches Talent, auch
dem Unanständigen Anmuth zu verleihen. Seine Grisetten ergehn sich zuweilen
in den frechsten Stellungen, sie sehen aber doch immer graciös und liebenswürdig
darin aus, oder wenigstens so drollig, daß das Geh"est des Widerwillens nicht
aufkommen kann.
Einen ziemlich großen Raum in jener Sammlung.nehmen die LnlÄns tsrri-
d1s8 ein, Schilderungen aus dem Kinderleben, aber nicht in der conventionellen
deutschen Gemüthlichkeit, die diese Geschöpfe in kleine Engel umwandelt, sondern
Grenzboten. III. ->8öZ. 22
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