Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band.sichtbar oder unsichtbar sich durch alle Jahrhunderte fortleiten: es ist die längste Dies ist Macaulay'S Anschauung. Anschauung sage ich, denn das weiß "Ihr Geist ist es in Wahrheit, der zur Erscheinung kommt an der Barre, Es kommt vor der Hand nicht darauf an, was Jemand davon halten mag, So ist es in Grote; alte Geschichte Griechenlands schreibt er als Cultur¬ Wases zu bedeuten habe, daß Sokrates die Menschen zuerst in die Werk¬ sichtbar oder unsichtbar sich durch alle Jahrhunderte fortleiten: es ist die längste Dies ist Macaulay'S Anschauung. Anschauung sage ich, denn das weiß „Ihr Geist ist es in Wahrheit, der zur Erscheinung kommt an der Barre, Es kommt vor der Hand nicht darauf an, was Jemand davon halten mag, So ist es in Grote; alte Geschichte Griechenlands schreibt er als Cultur¬ Wases zu bedeuten habe, daß Sokrates die Menschen zuerst in die Werk¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0146" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/94587"/> <p xml:id="ID_387" prev="#ID_386"> sichtbar oder unsichtbar sich durch alle Jahrhunderte fortleiten: es ist die längste<lb/> bisherige Telegraphenlinie und die wichtigste.</p><lb/> <p xml:id="ID_388"> Dies ist Macaulay'S Anschauung. Anschauung sage ich, denn das weiß<lb/> auch mancher Historiker bei uns: Macaulay hat es erlebt und empfunden. Daß<lb/> dieser geschilderte Eindruck, den man ans mehrfachen Stellen seiner Versuche davon<lb/> trägt, der richtige ist, wird durch keine seiner Abhandlungen mehr bestätigt, als<lb/> dnrch die Recension von Mitford's Geschichte von Griechenland. Diese enthält<lb/> eine enthusiastische Schilderung der Athemlöcher Literatur. Jenes Fortwirken aber<lb/> ist der durchgehende und deutlich ausgesprochene Gesichtspunkt, ans dem sie ge¬<lb/> schrieben. Z. B.: ,,Alle Triumphe der Wahrheit und des Genius über Vor¬<lb/> urtheil und Gewalt in jedem Lande und in jedem Zeitalter waren die Triumphe<lb/> von Athen. Wo so wenige große Geister sich gestellt haben gegen Gewalt und<lb/> Betrug in der Sache der Freiheit und Vernunft, war der Geist Athens mitten<lb/> unter ihnen, begeisternd und ermuthigend, tröstend bei der einsamen Lampe des<lb/> Erasmus, bei dem rastlosen Bette des Pascal, ans der Tribune des Mirabeau,<lb/> in der Zelle des Galilei" — Oder:</p><lb/> <p xml:id="ID_389"> „Ihr Geist ist es in Wahrheit, der zur Erscheinung kommt an der Barre,<lb/> im Senat, im Schlachtfelde, in den Schulen der Philosophie."</p><lb/> <p xml:id="ID_390"> Es kommt vor der Hand nicht darauf an, was Jemand davon halten mag,<lb/> sondern nur, daß diese Geschichtsanschauung, die Grote eben so hat, äußerst<lb/> erläuternd ist für deu gleichmäßigen Antheil, die gleichmäßige Bearbeitung der<lb/> neuesten wie der ältesten Geschichte, und namentlich des größten und ältesten<lb/> europäischen Kulturvolkes — und auch, daß sie aller Geschichtschreibung ein be¬<lb/> sonderes Kolorit geben muß.</p><lb/> <p xml:id="ID_391"> So ist es in Grote; alte Geschichte Griechenlands schreibt er als Cultur¬<lb/> geschichte der Menschheit, in dieser Kiswry ot (Zinses lesen wir überall Kiswr^<lb/> ot eng.nkincl. Da ist denn nun die Geschichte in ewiger allmählicher Bewegung,<lb/> wie ein Panorama zieht sie an uns vorüber. Aber an bedeutenden Culturstufen<lb/> verweilt unser Cicerone länger mit uns; er läßt uns einen Vorblick in die Fort¬<lb/> wirkung thun, und klärt uns ans über ihren Werth.<lb/> '</p><lb/> <p xml:id="ID_392" next="#ID_393"> Wases zu bedeuten habe, daß Sokrates die Menschen zuerst in die Werk¬<lb/> stätte ihres Innern führte, zuerst es den Gelehrten wie den Laien zum Bewußt¬<lb/> sein brachte, daß sie immerfort mit Begriffen umgehn, die sie nicht versteh,,;<lb/> wie über seine unvergängliche Ueberwcisungsmethode wird sehr interessant ge¬<lb/> handelt — und unter höchst frappanten Verglei'chnngeü mit Bako: abgeschlossen<lb/> wird dann dieser Gegenstand also: „Es giebt wenige Menschen, deren Geist<lb/> nicht mehr oder weniger in dem Zustande nnanfgeklärter Begriffe wäre, welchen<lb/> Sokrates den Krieg erklärte: es giebt keinen Menschen, dessen Begriffe nicht an¬<lb/> fänglich zusammengebracht wären durch zufällige, ungeprüfte, unbewußte, unbegrün¬<lb/> dete Association, welche auf halb vergessenen Einzelheiten ruht, Auseinander-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0146]
sichtbar oder unsichtbar sich durch alle Jahrhunderte fortleiten: es ist die längste
bisherige Telegraphenlinie und die wichtigste.
Dies ist Macaulay'S Anschauung. Anschauung sage ich, denn das weiß
auch mancher Historiker bei uns: Macaulay hat es erlebt und empfunden. Daß
dieser geschilderte Eindruck, den man ans mehrfachen Stellen seiner Versuche davon
trägt, der richtige ist, wird durch keine seiner Abhandlungen mehr bestätigt, als
dnrch die Recension von Mitford's Geschichte von Griechenland. Diese enthält
eine enthusiastische Schilderung der Athemlöcher Literatur. Jenes Fortwirken aber
ist der durchgehende und deutlich ausgesprochene Gesichtspunkt, ans dem sie ge¬
schrieben. Z. B.: ,,Alle Triumphe der Wahrheit und des Genius über Vor¬
urtheil und Gewalt in jedem Lande und in jedem Zeitalter waren die Triumphe
von Athen. Wo so wenige große Geister sich gestellt haben gegen Gewalt und
Betrug in der Sache der Freiheit und Vernunft, war der Geist Athens mitten
unter ihnen, begeisternd und ermuthigend, tröstend bei der einsamen Lampe des
Erasmus, bei dem rastlosen Bette des Pascal, ans der Tribune des Mirabeau,
in der Zelle des Galilei" — Oder:
„Ihr Geist ist es in Wahrheit, der zur Erscheinung kommt an der Barre,
im Senat, im Schlachtfelde, in den Schulen der Philosophie."
Es kommt vor der Hand nicht darauf an, was Jemand davon halten mag,
sondern nur, daß diese Geschichtsanschauung, die Grote eben so hat, äußerst
erläuternd ist für deu gleichmäßigen Antheil, die gleichmäßige Bearbeitung der
neuesten wie der ältesten Geschichte, und namentlich des größten und ältesten
europäischen Kulturvolkes — und auch, daß sie aller Geschichtschreibung ein be¬
sonderes Kolorit geben muß.
So ist es in Grote; alte Geschichte Griechenlands schreibt er als Cultur¬
geschichte der Menschheit, in dieser Kiswry ot (Zinses lesen wir überall Kiswr^
ot eng.nkincl. Da ist denn nun die Geschichte in ewiger allmählicher Bewegung,
wie ein Panorama zieht sie an uns vorüber. Aber an bedeutenden Culturstufen
verweilt unser Cicerone länger mit uns; er läßt uns einen Vorblick in die Fort¬
wirkung thun, und klärt uns ans über ihren Werth.
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Wases zu bedeuten habe, daß Sokrates die Menschen zuerst in die Werk¬
stätte ihres Innern führte, zuerst es den Gelehrten wie den Laien zum Bewußt¬
sein brachte, daß sie immerfort mit Begriffen umgehn, die sie nicht versteh,,;
wie über seine unvergängliche Ueberwcisungsmethode wird sehr interessant ge¬
handelt — und unter höchst frappanten Verglei'chnngeü mit Bako: abgeschlossen
wird dann dieser Gegenstand also: „Es giebt wenige Menschen, deren Geist
nicht mehr oder weniger in dem Zustande nnanfgeklärter Begriffe wäre, welchen
Sokrates den Krieg erklärte: es giebt keinen Menschen, dessen Begriffe nicht an¬
fänglich zusammengebracht wären durch zufällige, ungeprüfte, unbewußte, unbegrün¬
dete Association, welche auf halb vergessenen Einzelheiten ruht, Auseinander-
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