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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band.

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und 3-Isten Breitengrade bis zur großen Syrte streckt, ist großentheils niedrig
und sandig, im Ganzen baumlos, gewährt jedoch an manchen Stellen Wasser,
Futter und ftnchtbareu Boden. Aber die nördlich davon gelegene Gegend am
Meer zwischen dem Meerbusen von Baaba und Bcngazi, ist von ganz verschiede¬
nem Charakter, bedeckt mit Bergen von ansehnlicher Höhe, die ihren höchsten
Punkt nahe bei Cyrene erreichen, untermischt mit fruchtbare" Ebenen und Thälern
zerrisse>l häufig durch Klüfte, welche die Winterstürme in die See führen und
keinen Theil des Jahres ohne Wasser. Dieser letzte Vortheil bewirkt es, daß sie
jetzt jeden Sommer von den Beduinenarabern besucht werden, welche zu der un¬
erschöpflichen Apolloquelle von anderen Punkten der Berggegend von Cyrene bis
Beugazi zusammenströmen, wenn ihr Vorrach an Wasser oder Futter im Innern
ihnen ausgeht (diese "heutigen Zustände werden durch eine malerische Stelle aus
Beechey'S Expedition erläutert); und derselbe Umstand muß in alter Zeit gewirkt
haben, die Nomadenlibyer in Abhängigkeit von Cyrene z" halten. -- Es wird
anch die einheimische vortreffliche Pferdcrace dieser Libyschen Nomaden nicht ver¬
gessen: diese Pferde waren es, denen die Fürsten und Magnaten von Cyrene
(und Barka) ihre gefeierten Siege in den großen Wageuspielen von Griechen¬
land verdankten. --

Doch zu einem andern Moment, welches den Engländer mit Verständniß und
Interesse in die griechische Geschichte führt. Es ist die Analogie heimischer In¬
stitutionen: StaatSberedtsamkeit, geschworne Gerichte, freie Diskussion, Seereisen
und Kolonisation und anderes.

Der Engländer, ähnlichen Institutionen und Ereignissen immer gegenüber¬
stehend, faßt alles vielmehr mit dem staatsmännischen Sir" ans. Uns wird Demosthe-
nes doch immer zuerst ein Schriftsteller sein, ihm ist er gleich ein Staatsmann
in einer Verfassung, wo wie in der seinigen der Staatsmann durch das Organ
der Beredsamkeit ans Massen zu wirken hat. Und er sieht bald auch die speciellen
Analogie". Demosthenes Beredsamkeit wird von Maranlay einmal mit der vo"
Foe verglichen; beider Charakter ist, wie er sagt Vernunft, gleichsam rothglühend
gemacht durch Leidenschaft. Und doch war hierin immer noch viel zu thun. Der
griechischen Geschichte gegenüber sich ans den staatsmännischen und politischen
Standpunkt zu stellen, ist vielleicht schwieriger, als bei den meisten anderen Völkern,
denn in der That die griechische Geschichte ist fabelhaft, ohne doch eine Fabel zu
sein. Schon daß Griechenland nicht jene hellenische Halbinsel ist, sondern daß
wir es finden -- um mich des Ausdrucks der Engländer zu bediene" -- von
Marseille bis Trapezunt, ist romantisch ohne Roman zu sein, und dazu die rasche
rüstige Aufeinanderfolge ihrer Unternehnnmge", als diese noto"isire"de Thätigkeit
plötzlich erwachte. Soda"" die gä"zliche Ver"icht"ng des erste" persischen Zuges
dnrch eine einzige La"dscblacht, vo" dieser Seite blos gefochten von Athenienser"
und wenigen Platäensern, die hierauf mit Blitzesschiielle entstehende attische Kriegs-


und 3-Isten Breitengrade bis zur großen Syrte streckt, ist großentheils niedrig
und sandig, im Ganzen baumlos, gewährt jedoch an manchen Stellen Wasser,
Futter und ftnchtbareu Boden. Aber die nördlich davon gelegene Gegend am
Meer zwischen dem Meerbusen von Baaba und Bcngazi, ist von ganz verschiede¬
nem Charakter, bedeckt mit Bergen von ansehnlicher Höhe, die ihren höchsten
Punkt nahe bei Cyrene erreichen, untermischt mit fruchtbare» Ebenen und Thälern
zerrisse>l häufig durch Klüfte, welche die Winterstürme in die See führen und
keinen Theil des Jahres ohne Wasser. Dieser letzte Vortheil bewirkt es, daß sie
jetzt jeden Sommer von den Beduinenarabern besucht werden, welche zu der un¬
erschöpflichen Apolloquelle von anderen Punkten der Berggegend von Cyrene bis
Beugazi zusammenströmen, wenn ihr Vorrach an Wasser oder Futter im Innern
ihnen ausgeht (diese «heutigen Zustände werden durch eine malerische Stelle aus
Beechey'S Expedition erläutert); und derselbe Umstand muß in alter Zeit gewirkt
haben, die Nomadenlibyer in Abhängigkeit von Cyrene z» halten. — Es wird
anch die einheimische vortreffliche Pferdcrace dieser Libyschen Nomaden nicht ver¬
gessen: diese Pferde waren es, denen die Fürsten und Magnaten von Cyrene
(und Barka) ihre gefeierten Siege in den großen Wageuspielen von Griechen¬
land verdankten. —

Doch zu einem andern Moment, welches den Engländer mit Verständniß und
Interesse in die griechische Geschichte führt. Es ist die Analogie heimischer In¬
stitutionen: StaatSberedtsamkeit, geschworne Gerichte, freie Diskussion, Seereisen
und Kolonisation und anderes.

Der Engländer, ähnlichen Institutionen und Ereignissen immer gegenüber¬
stehend, faßt alles vielmehr mit dem staatsmännischen Sir» ans. Uns wird Demosthe-
nes doch immer zuerst ein Schriftsteller sein, ihm ist er gleich ein Staatsmann
in einer Verfassung, wo wie in der seinigen der Staatsmann durch das Organ
der Beredsamkeit ans Massen zu wirken hat. Und er sieht bald auch die speciellen
Analogie». Demosthenes Beredsamkeit wird von Maranlay einmal mit der vo»
Foe verglichen; beider Charakter ist, wie er sagt Vernunft, gleichsam rothglühend
gemacht durch Leidenschaft. Und doch war hierin immer noch viel zu thun. Der
griechischen Geschichte gegenüber sich ans den staatsmännischen und politischen
Standpunkt zu stellen, ist vielleicht schwieriger, als bei den meisten anderen Völkern,
denn in der That die griechische Geschichte ist fabelhaft, ohne doch eine Fabel zu
sein. Schon daß Griechenland nicht jene hellenische Halbinsel ist, sondern daß
wir es finden — um mich des Ausdrucks der Engländer zu bediene» — von
Marseille bis Trapezunt, ist romantisch ohne Roman zu sein, und dazu die rasche
rüstige Aufeinanderfolge ihrer Unternehnnmge», als diese noto»isire»de Thätigkeit
plötzlich erwachte. Soda»» die gä»zliche Ver»icht»ng des erste» persischen Zuges
dnrch eine einzige La»dscblacht, vo» dieser Seite blos gefochten von Athenienser»
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94440/140>, abgerufen am 22.12.2024.