Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

auf ihn geführt bin und wol nicht auf ihn zurückzukommen Gelegenheit finde, so
soll des außerordentlichen Mannes, der auch für griechische Geschichte ldurch seine
Vorlesungen) unter allen Deutschen weit allein steht, an dieser Stelle mit wohl¬
verdienten Ehren und tiefster Huldigung gedacht sein.

Jene geographische Anschauung nehme ich nun besonders für Grote in An¬
spruch, er mag uns auf die See führen oder ins Land. Ueberall auf der See
läßt er uns die Gefahren, die Längen und Kürzen der Wege, die Vortheile und
Nachtheile der Küstenpunkte anschaulich ermessen. Die älteste Schifffahrtgeschichte
z. B. ans dem ägäischen und namentlich mittelländischen Meer (zwar in den
Hauptsachen nicht unbekannt) das Schachspiel der Griechen und Phönicier, ihr
sich meiden und sich finden, ist reizend erzählt: wie die Phönicier, noch in der
Homerischen Zeit, auf dem ägäischen Meer sehr geschäftig, von dort vor der'
zunehmenden Regsamkeit der Griechen zur See sich verlieren: wie sie später auch
in Sicilien von ihnen eingeholt, dies Terrain ihnen räumen; dagegen Malta
ihnen bleibt. Aber im fernen Westen waren die Phönicier an den afrikanischen
Küsten fahrend, schon lange ihnen zuvorgekommen, hatten sich das Handels¬
monopol in dem südlichen Spanien erworben, und auswärts am Ocean Gades
(Cadix) erbaut, eine Stadt, welche gegründet vielleicht 1000 Jahr vor der christ¬
lichen Aera eine ununterbrochene Wohlfahrt und einen wesentlich unveränderten
Namen länger als irgend eine Stadt in Europa behalten hat.

"Die Entfernung von Tyrus und Cadix," heißt es, "setzt in Erstaunen, und
rechnen wir nach Zeit statt nach Räumen, so waren die Tyrier von ihren Tar-
tessischen Kolonisten durch einen Raum geschieden, größer als der, welcher jetzt
einen Engländer von Bombay trennt. Denn der alte Schiffer hielt sich immer
längs der Küste, und Skylax rechnet 7S Tagereisen von der westlichen Nilmün¬
dung bis zur Straße von Gibraltar: wozu noch eine ganze Zahl Tage hinzuzu¬
rechnen, um die ganze'Entfernung vou Tyrus und Cadix zu vergegenwärtigen."
So begleiten wir nachher die Phokäer, als sie ans ihrer europäischen Seite auf
eine Entdeckungsreise nach dem Peru-Tartessus ausgehn und langsam unter den
Längen der Wege und den Gefahren des Meeres und der Thyrrhenischen See¬
räuber vorrücken -- wobei sie Marseille gründen --- es endlich auch finden.
Das Wagniß, die offene See in solchen Entfernungen, wie etwa von Kreta nach
der afrikanischen Küste hinunter zu durchfahren, erschien lange als ein furchtbares.
Das Andenken daran hat sich noch in den Gründungssagen über Cyrene erhalten.

Endlich finden sie hier zwischen Nil und großer Syrte, nachdem sie in dem
ihnen ganz unbekannten Libyen erst auf mehreren falschen Stellen sich gesetzt, die
ihren Erwartungen nicht entsprachen -- eine vorzüglich günstige Stelle, wohin
sie durch einen Eingebornen endlich sollen geleitet sein mit dem Ausdruck: Hier/
Mäuner von Hellas,'ist der Platz für Euch z" wohnen, denn hier ist der Himmel
durchbohrt. Sie gründen hier das so blühend gewordene Cyrene. Den Wohl-


auf ihn geführt bin und wol nicht auf ihn zurückzukommen Gelegenheit finde, so
soll des außerordentlichen Mannes, der auch für griechische Geschichte ldurch seine
Vorlesungen) unter allen Deutschen weit allein steht, an dieser Stelle mit wohl¬
verdienten Ehren und tiefster Huldigung gedacht sein.

Jene geographische Anschauung nehme ich nun besonders für Grote in An¬
spruch, er mag uns auf die See führen oder ins Land. Ueberall auf der See
läßt er uns die Gefahren, die Längen und Kürzen der Wege, die Vortheile und
Nachtheile der Küstenpunkte anschaulich ermessen. Die älteste Schifffahrtgeschichte
z. B. ans dem ägäischen und namentlich mittelländischen Meer (zwar in den
Hauptsachen nicht unbekannt) das Schachspiel der Griechen und Phönicier, ihr
sich meiden und sich finden, ist reizend erzählt: wie die Phönicier, noch in der
Homerischen Zeit, auf dem ägäischen Meer sehr geschäftig, von dort vor der'
zunehmenden Regsamkeit der Griechen zur See sich verlieren: wie sie später auch
in Sicilien von ihnen eingeholt, dies Terrain ihnen räumen; dagegen Malta
ihnen bleibt. Aber im fernen Westen waren die Phönicier an den afrikanischen
Küsten fahrend, schon lange ihnen zuvorgekommen, hatten sich das Handels¬
monopol in dem südlichen Spanien erworben, und auswärts am Ocean Gades
(Cadix) erbaut, eine Stadt, welche gegründet vielleicht 1000 Jahr vor der christ¬
lichen Aera eine ununterbrochene Wohlfahrt und einen wesentlich unveränderten
Namen länger als irgend eine Stadt in Europa behalten hat.

„Die Entfernung von Tyrus und Cadix," heißt es, „setzt in Erstaunen, und
rechnen wir nach Zeit statt nach Räumen, so waren die Tyrier von ihren Tar-
tessischen Kolonisten durch einen Raum geschieden, größer als der, welcher jetzt
einen Engländer von Bombay trennt. Denn der alte Schiffer hielt sich immer
längs der Küste, und Skylax rechnet 7S Tagereisen von der westlichen Nilmün¬
dung bis zur Straße von Gibraltar: wozu noch eine ganze Zahl Tage hinzuzu¬
rechnen, um die ganze'Entfernung vou Tyrus und Cadix zu vergegenwärtigen."
So begleiten wir nachher die Phokäer, als sie ans ihrer europäischen Seite auf
eine Entdeckungsreise nach dem Peru-Tartessus ausgehn und langsam unter den
Längen der Wege und den Gefahren des Meeres und der Thyrrhenischen See¬
räuber vorrücken — wobei sie Marseille gründen —- es endlich auch finden.
Das Wagniß, die offene See in solchen Entfernungen, wie etwa von Kreta nach
der afrikanischen Küste hinunter zu durchfahren, erschien lange als ein furchtbares.
Das Andenken daran hat sich noch in den Gründungssagen über Cyrene erhalten.

Endlich finden sie hier zwischen Nil und großer Syrte, nachdem sie in dem
ihnen ganz unbekannten Libyen erst auf mehreren falschen Stellen sich gesetzt, die
ihren Erwartungen nicht entsprachen — eine vorzüglich günstige Stelle, wohin
sie durch einen Eingebornen endlich sollen geleitet sein mit dem Ausdruck: Hier/
Mäuner von Hellas,'ist der Platz für Euch z» wohnen, denn hier ist der Himmel
durchbohrt. Sie gründen hier das so blühend gewordene Cyrene. Den Wohl-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0138" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/94579"/>
          <p xml:id="ID_365" prev="#ID_364"> auf ihn geführt bin und wol nicht auf ihn zurückzukommen Gelegenheit finde, so<lb/>
soll des außerordentlichen Mannes, der auch für griechische Geschichte ldurch seine<lb/>
Vorlesungen) unter allen Deutschen weit allein steht, an dieser Stelle mit wohl¬<lb/>
verdienten Ehren und tiefster Huldigung gedacht sein.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_366"> Jene geographische Anschauung nehme ich nun besonders für Grote in An¬<lb/>
spruch, er mag uns auf die See führen oder ins Land. Ueberall auf der See<lb/>
läßt er uns die Gefahren, die Längen und Kürzen der Wege, die Vortheile und<lb/>
Nachtheile der Küstenpunkte anschaulich ermessen. Die älteste Schifffahrtgeschichte<lb/>
z. B. ans dem ägäischen und namentlich mittelländischen Meer (zwar in den<lb/>
Hauptsachen nicht unbekannt) das Schachspiel der Griechen und Phönicier, ihr<lb/>
sich meiden und sich finden, ist reizend erzählt: wie die Phönicier, noch in der<lb/>
Homerischen Zeit, auf dem ägäischen Meer sehr geschäftig, von dort vor der'<lb/>
zunehmenden Regsamkeit der Griechen zur See sich verlieren: wie sie später auch<lb/>
in Sicilien von ihnen eingeholt, dies Terrain ihnen räumen; dagegen Malta<lb/>
ihnen bleibt. Aber im fernen Westen waren die Phönicier an den afrikanischen<lb/>
Küsten fahrend, schon lange ihnen zuvorgekommen, hatten sich das Handels¬<lb/>
monopol in dem südlichen Spanien erworben, und auswärts am Ocean Gades<lb/>
(Cadix) erbaut, eine Stadt, welche gegründet vielleicht 1000 Jahr vor der christ¬<lb/>
lichen Aera eine ununterbrochene Wohlfahrt und einen wesentlich unveränderten<lb/>
Namen länger als irgend eine Stadt in Europa behalten hat.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_367"> &#x201E;Die Entfernung von Tyrus und Cadix," heißt es, &#x201E;setzt in Erstaunen, und<lb/>
rechnen wir nach Zeit statt nach Räumen, so waren die Tyrier von ihren Tar-<lb/>
tessischen Kolonisten durch einen Raum geschieden, größer als der, welcher jetzt<lb/>
einen Engländer von Bombay trennt. Denn der alte Schiffer hielt sich immer<lb/>
längs der Küste, und Skylax rechnet 7S Tagereisen von der westlichen Nilmün¬<lb/>
dung bis zur Straße von Gibraltar: wozu noch eine ganze Zahl Tage hinzuzu¬<lb/>
rechnen, um die ganze'Entfernung vou Tyrus und Cadix zu vergegenwärtigen."<lb/>
So begleiten wir nachher die Phokäer, als sie ans ihrer europäischen Seite auf<lb/>
eine Entdeckungsreise nach dem Peru-Tartessus ausgehn und langsam unter den<lb/>
Längen der Wege und den Gefahren des Meeres und der Thyrrhenischen See¬<lb/>
räuber vorrücken &#x2014; wobei sie Marseille gründen &#x2014;- es endlich auch finden.<lb/>
Das Wagniß, die offene See in solchen Entfernungen, wie etwa von Kreta nach<lb/>
der afrikanischen Küste hinunter zu durchfahren, erschien lange als ein furchtbares.<lb/>
Das Andenken daran hat sich noch in den Gründungssagen über Cyrene erhalten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_368" next="#ID_369"> Endlich finden sie hier zwischen Nil und großer Syrte, nachdem sie in dem<lb/>
ihnen ganz unbekannten Libyen erst auf mehreren falschen Stellen sich gesetzt, die<lb/>
ihren Erwartungen nicht entsprachen &#x2014; eine vorzüglich günstige Stelle, wohin<lb/>
sie durch einen Eingebornen endlich sollen geleitet sein mit dem Ausdruck: Hier/<lb/>
Mäuner von Hellas,'ist der Platz für Euch z» wohnen, denn hier ist der Himmel<lb/>
durchbohrt.  Sie gründen hier das so blühend gewordene Cyrene. Den Wohl-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0138] auf ihn geführt bin und wol nicht auf ihn zurückzukommen Gelegenheit finde, so soll des außerordentlichen Mannes, der auch für griechische Geschichte ldurch seine Vorlesungen) unter allen Deutschen weit allein steht, an dieser Stelle mit wohl¬ verdienten Ehren und tiefster Huldigung gedacht sein. Jene geographische Anschauung nehme ich nun besonders für Grote in An¬ spruch, er mag uns auf die See führen oder ins Land. Ueberall auf der See läßt er uns die Gefahren, die Längen und Kürzen der Wege, die Vortheile und Nachtheile der Küstenpunkte anschaulich ermessen. Die älteste Schifffahrtgeschichte z. B. ans dem ägäischen und namentlich mittelländischen Meer (zwar in den Hauptsachen nicht unbekannt) das Schachspiel der Griechen und Phönicier, ihr sich meiden und sich finden, ist reizend erzählt: wie die Phönicier, noch in der Homerischen Zeit, auf dem ägäischen Meer sehr geschäftig, von dort vor der' zunehmenden Regsamkeit der Griechen zur See sich verlieren: wie sie später auch in Sicilien von ihnen eingeholt, dies Terrain ihnen räumen; dagegen Malta ihnen bleibt. Aber im fernen Westen waren die Phönicier an den afrikanischen Küsten fahrend, schon lange ihnen zuvorgekommen, hatten sich das Handels¬ monopol in dem südlichen Spanien erworben, und auswärts am Ocean Gades (Cadix) erbaut, eine Stadt, welche gegründet vielleicht 1000 Jahr vor der christ¬ lichen Aera eine ununterbrochene Wohlfahrt und einen wesentlich unveränderten Namen länger als irgend eine Stadt in Europa behalten hat. „Die Entfernung von Tyrus und Cadix," heißt es, „setzt in Erstaunen, und rechnen wir nach Zeit statt nach Räumen, so waren die Tyrier von ihren Tar- tessischen Kolonisten durch einen Raum geschieden, größer als der, welcher jetzt einen Engländer von Bombay trennt. Denn der alte Schiffer hielt sich immer längs der Küste, und Skylax rechnet 7S Tagereisen von der westlichen Nilmün¬ dung bis zur Straße von Gibraltar: wozu noch eine ganze Zahl Tage hinzuzu¬ rechnen, um die ganze'Entfernung vou Tyrus und Cadix zu vergegenwärtigen." So begleiten wir nachher die Phokäer, als sie ans ihrer europäischen Seite auf eine Entdeckungsreise nach dem Peru-Tartessus ausgehn und langsam unter den Längen der Wege und den Gefahren des Meeres und der Thyrrhenischen See¬ räuber vorrücken — wobei sie Marseille gründen —- es endlich auch finden. Das Wagniß, die offene See in solchen Entfernungen, wie etwa von Kreta nach der afrikanischen Küste hinunter zu durchfahren, erschien lange als ein furchtbares. Das Andenken daran hat sich noch in den Gründungssagen über Cyrene erhalten. Endlich finden sie hier zwischen Nil und großer Syrte, nachdem sie in dem ihnen ganz unbekannten Libyen erst auf mehreren falschen Stellen sich gesetzt, die ihren Erwartungen nicht entsprachen — eine vorzüglich günstige Stelle, wohin sie durch einen Eingebornen endlich sollen geleitet sein mit dem Ausdruck: Hier/ Mäuner von Hellas,'ist der Platz für Euch z» wohnen, denn hier ist der Himmel durchbohrt. Sie gründen hier das so blühend gewordene Cyrene. Den Wohl-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94440
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94440/138
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94440/138>, abgerufen am 22.12.2024.