Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band.liebe Mystik" (1836---I8i2) waren die Früchte dieser neuen naturphilosophischen In diesem Buch feiert der absolute Unsinn seine bunteste Walpurgisnacht. Die "christliche Mystik" ist der protestantischen Welt unbekannt geblieben, liebe Mystik" (1836—-I8i2) waren die Früchte dieser neuen naturphilosophischen In diesem Buch feiert der absolute Unsinn seine bunteste Walpurgisnacht. Die „christliche Mystik" ist der protestantischen Welt unbekannt geblieben, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0464" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/94365"/> <p xml:id="ID_1361" prev="#ID_1360"> liebe Mystik" (1836—-I8i2) waren die Früchte dieser neuen naturphilosophischen<lb/> Studien.</p><lb/> <p xml:id="ID_1362"> In diesem Buch feiert der absolute Unsinn seine bunteste Walpurgisnacht.<lb/> Görres theilt die Mystik in vier Stufen ein, in diejenige, die sich mit der Erde,<lb/> die sich mit den Heiligen, die sich mit den Dämonen, und die sich mit der Tri-<lb/> nität beschäftigt. Während auf den drei ersten Stufen der „Logos" ausschlie߬<lb/> lich das Wort führt, wird er auf der vierten zu einem untergeordueter Moment<lb/> herabgesetzt. Mit besonderer Vorliebe wird die Dämonologie behandelt. Die<lb/> Lehre von den Hexen, den Besessenen, den Kobolden und Teufeln wird mit einer<lb/> katechetischen Genauigkeit ausgeführt, der auch die kleinsten Nuancen nicht ent¬<lb/> gehen. Man weiß nicht, worüber man mehr erstaunen soll, über die Frechheit,<lb/> mit welcher die alten Hexenprocesse vertheidigt, über die Absurdität und Ge¬<lb/> schmacklosigkeit, mit der die ekelhaftesten Geschichten in kasuistischer Breite aus-<lb/> einandergelegt werden, oder über die geheime Lüsternheit, die sich hinter den Eiser<lb/> des Tenfclaustreibers versteckt. Es wäre dem Buche eine größere Verbreitung<lb/> zu wünschen, denn mau erkennt aus dergleichen, in welchen Pfuhl der mensch¬<lb/> liche Geist versinken kann, wenn er den Zügel des Verstandes abwirft, und sich<lb/> gedankenlos der Leitung der Phantasie hingiebt.</p><lb/> <p xml:id="ID_1363" next="#ID_1364"> Die „christliche Mystik" ist der protestantischen Welt unbekannt geblieben,<lb/> dagegen war es Görres noch einmal vorbehalten, die allgemeine Aufmerksamkeit<lb/> Deutschlands auf sich zu ziehen. Die Verhaftung des Erzbischofs von Cöln im<lb/> Jahre 1837 schien dem principiellen Kampfe zwischen Kirche und Staat einen<lb/> angemessenen Ausdruck zu geben. Es widerfuhr hier Preußen, was ihm schon<lb/> .häufig begegnet ist. Statt einer consegueuteu und im Princip festgegründete»<lb/> Haltung, die niemals von ihrem Wege abgeht, hat es sich häufig genug von,<lb/> augenblicklichen Aufwallungen hinreißen lassen, und ist über das Maß hinaus¬<lb/> gegangen, um gleich darauf, wenn das Resultat nicht augenblicklich befriedigte, in<lb/> die alte Erschlaffung zu versinken. In materieller Beziehung wird wenigstens<lb/> unter den Protestanten wol nur eine Stimme darüber sein, daß der Staat in<lb/> seinem Recht war; aber dieses materielle Recht wird zum Unrecht, wenn man "es<lb/> ans willkürliche Weise verfolgt. Offenbar beschränken die gesetzlichen Bestimmun¬<lb/> gen zu Gunsten der katholischen Kirche den nothwendigen Einfluß des Staats,<lb/> allein dem ist nur durch organische Gesetzgebung abzuhelfen, nicht durch willkür¬<lb/> liche Hintansetzung der Gesetze. Preußen als constitutioneller Staat kann hier<lb/> erreichen, was dem absolutistischen Preußen unmöglich war. Denn Concordate<lb/> können für die organische Gesetzgebung kein Hinderniß sein; sie sind nicht, wie<lb/> die übrigen Verträge, mit einer wirklich bestehenden Macht geschlossen. Ein<lb/> Oberhaupt der allgemeinen Kirche erkennt der evangelische Staat nicht an. Wenn<lb/> der Papst dennoch in diese innere Gesetzgebung hineingezogen wird, so geschieht<lb/> das nur der größer» Bequemlichkeit willen, damit man der Ausführung dieser</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0464]
liebe Mystik" (1836—-I8i2) waren die Früchte dieser neuen naturphilosophischen
Studien.
In diesem Buch feiert der absolute Unsinn seine bunteste Walpurgisnacht.
Görres theilt die Mystik in vier Stufen ein, in diejenige, die sich mit der Erde,
die sich mit den Heiligen, die sich mit den Dämonen, und die sich mit der Tri-
nität beschäftigt. Während auf den drei ersten Stufen der „Logos" ausschlie߬
lich das Wort führt, wird er auf der vierten zu einem untergeordueter Moment
herabgesetzt. Mit besonderer Vorliebe wird die Dämonologie behandelt. Die
Lehre von den Hexen, den Besessenen, den Kobolden und Teufeln wird mit einer
katechetischen Genauigkeit ausgeführt, der auch die kleinsten Nuancen nicht ent¬
gehen. Man weiß nicht, worüber man mehr erstaunen soll, über die Frechheit,
mit welcher die alten Hexenprocesse vertheidigt, über die Absurdität und Ge¬
schmacklosigkeit, mit der die ekelhaftesten Geschichten in kasuistischer Breite aus-
einandergelegt werden, oder über die geheime Lüsternheit, die sich hinter den Eiser
des Tenfclaustreibers versteckt. Es wäre dem Buche eine größere Verbreitung
zu wünschen, denn mau erkennt aus dergleichen, in welchen Pfuhl der mensch¬
liche Geist versinken kann, wenn er den Zügel des Verstandes abwirft, und sich
gedankenlos der Leitung der Phantasie hingiebt.
Die „christliche Mystik" ist der protestantischen Welt unbekannt geblieben,
dagegen war es Görres noch einmal vorbehalten, die allgemeine Aufmerksamkeit
Deutschlands auf sich zu ziehen. Die Verhaftung des Erzbischofs von Cöln im
Jahre 1837 schien dem principiellen Kampfe zwischen Kirche und Staat einen
angemessenen Ausdruck zu geben. Es widerfuhr hier Preußen, was ihm schon
.häufig begegnet ist. Statt einer consegueuteu und im Princip festgegründete»
Haltung, die niemals von ihrem Wege abgeht, hat es sich häufig genug von,
augenblicklichen Aufwallungen hinreißen lassen, und ist über das Maß hinaus¬
gegangen, um gleich darauf, wenn das Resultat nicht augenblicklich befriedigte, in
die alte Erschlaffung zu versinken. In materieller Beziehung wird wenigstens
unter den Protestanten wol nur eine Stimme darüber sein, daß der Staat in
seinem Recht war; aber dieses materielle Recht wird zum Unrecht, wenn man "es
ans willkürliche Weise verfolgt. Offenbar beschränken die gesetzlichen Bestimmun¬
gen zu Gunsten der katholischen Kirche den nothwendigen Einfluß des Staats,
allein dem ist nur durch organische Gesetzgebung abzuhelfen, nicht durch willkür¬
liche Hintansetzung der Gesetze. Preußen als constitutioneller Staat kann hier
erreichen, was dem absolutistischen Preußen unmöglich war. Denn Concordate
können für die organische Gesetzgebung kein Hinderniß sein; sie sind nicht, wie
die übrigen Verträge, mit einer wirklich bestehenden Macht geschlossen. Ein
Oberhaupt der allgemeinen Kirche erkennt der evangelische Staat nicht an. Wenn
der Papst dennoch in diese innere Gesetzgebung hineingezogen wird, so geschieht
das nur der größer» Bequemlichkeit willen, damit man der Ausführung dieser
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