Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

echten Antheil. Seine Aufsätze athmen einen kirchlichen Fanatismus, der eigent¬
lich nur seitdem Haß gegen das weltliche Wesen ausdrückte, das er nicht mehr
verstand. Dazu gehören: "Der Kampf der Kirchenfreiheit mit der Staatsgewalt
in der katholischen Schweiz" (1826), "Franz von Assis" (1827), "Swedenborg
und sein Verhältniß zur Kirche" (1827), endlich: "Kurfürst Maximilian I, an
König Ludwig von Bayern bei seiner Thronbesteigung" (1827).

Nach München waren damals die Blicke aller gläubigen Gemüther gerichtet.
König Ludwig war aufgewachsen im Haß gegen den rationalistischen Staats-
mechanismus, der trotz aller Frömmigkeit in den regenerirten Staaten das leitende
Princip blieb. In dem neuen Regiment wurden, wie etwa 13 Jahre spater in
Preußen, Geist und Gemüth zu Grnnde gelegt. Man lüftete etwas den Druck
des Polizeisystems, man beschützte die Künste und gab sogar die Richtung zu
weit aussehenden künstlerische" Unternehmungen, mau ließ dem christlich-germanischen
Wesen freien Spielraum. Satter, der Jesuit, war der geheime Lenker der neuen
Regierung; ein zur alleinseligmachenden Kirche bekehrter Dichter, Schenk, der
Cultusminister, und Görres wurde als Professor der Geschichte uach München
berufen (1827).

Nach dem ersten Aufsehe", welches er durch seine geschichtlichen Erinnerungen
machte, war seine Wirksamkeit an der Universität nicht bedeutend. Im Jahre
1830 trat er.wieder in einem größern Werk,als Schriftsteller auf: "Ueber die
Grundlage, Gliederung und Zeitenfolge der Weltgeschichte". In
dieser neuen Philosophie der Geschichte finden sich zwar noch manche Anklänge
an den alten Pantheismus, aber im Wesentlichen wird doch diejenige Richtung,
die er in seinem Werke: "Deutschland und die Revolution", als Extrem verworfen
hatte, seiner Beurtheilung der Thatsachen zu Grunde gelegt. Hegel hat in einer
sehr scharfen Entgegnung die Gedankenlosigkeit dieser Schrift mit einem eigentlich
verschwendeten Geist gegeißelt. Gleichzeitig arbeitete der alte Meister der Natur¬
philosophie, Schelling, an seiner neuen Philosophie der Offenbarung, welche die
irre gewordene Speculation in die alten Bahnen zurückführen sollte.

Auch in Bayern blieb die Romantik nicht ausschließlich am Ruder. Die geist¬
reichen Männer wurden aus dem Ministerium entfernt, weil unter ihnen die Ge¬
schäfte nicht den gehörigen Fortgang nehmen wollten, nud, abgesehen von einigen
barocken Formen, herrschte der Polizeistaat in Bayern eben so gut wie anderwärts.
Es trat also zwischen der kirchlich gesinnten und der absolutistischen Partei eine
Spaltung ein, die sich immer mehr erweiterte. In den Jahren 1831 und 1832
gingen von Görres'eine Reihe Flugschriften aus, die im theokratischen Sinne
das absolute Polizeiregiment bekämpften. Allein der Ernst, den das letztere zeigte,
schüchterte doch den müden Demagogen ein. Er ließ die Politik bei Seite und
kehrte wieder zu seiner Lieblingsbeschäftigung zurück. Vier starke Bände "christ-


S7*

echten Antheil. Seine Aufsätze athmen einen kirchlichen Fanatismus, der eigent¬
lich nur seitdem Haß gegen das weltliche Wesen ausdrückte, das er nicht mehr
verstand. Dazu gehören: „Der Kampf der Kirchenfreiheit mit der Staatsgewalt
in der katholischen Schweiz" (1826), „Franz von Assis" (1827), „Swedenborg
und sein Verhältniß zur Kirche" (1827), endlich: „Kurfürst Maximilian I, an
König Ludwig von Bayern bei seiner Thronbesteigung" (1827).

Nach München waren damals die Blicke aller gläubigen Gemüther gerichtet.
König Ludwig war aufgewachsen im Haß gegen den rationalistischen Staats-
mechanismus, der trotz aller Frömmigkeit in den regenerirten Staaten das leitende
Princip blieb. In dem neuen Regiment wurden, wie etwa 13 Jahre spater in
Preußen, Geist und Gemüth zu Grnnde gelegt. Man lüftete etwas den Druck
des Polizeisystems, man beschützte die Künste und gab sogar die Richtung zu
weit aussehenden künstlerische» Unternehmungen, mau ließ dem christlich-germanischen
Wesen freien Spielraum. Satter, der Jesuit, war der geheime Lenker der neuen
Regierung; ein zur alleinseligmachenden Kirche bekehrter Dichter, Schenk, der
Cultusminister, und Görres wurde als Professor der Geschichte uach München
berufen (1827).

Nach dem ersten Aufsehe», welches er durch seine geschichtlichen Erinnerungen
machte, war seine Wirksamkeit an der Universität nicht bedeutend. Im Jahre
1830 trat er.wieder in einem größern Werk,als Schriftsteller auf: „Ueber die
Grundlage, Gliederung und Zeitenfolge der Weltgeschichte". In
dieser neuen Philosophie der Geschichte finden sich zwar noch manche Anklänge
an den alten Pantheismus, aber im Wesentlichen wird doch diejenige Richtung,
die er in seinem Werke: „Deutschland und die Revolution", als Extrem verworfen
hatte, seiner Beurtheilung der Thatsachen zu Grunde gelegt. Hegel hat in einer
sehr scharfen Entgegnung die Gedankenlosigkeit dieser Schrift mit einem eigentlich
verschwendeten Geist gegeißelt. Gleichzeitig arbeitete der alte Meister der Natur¬
philosophie, Schelling, an seiner neuen Philosophie der Offenbarung, welche die
irre gewordene Speculation in die alten Bahnen zurückführen sollte.

Auch in Bayern blieb die Romantik nicht ausschließlich am Ruder. Die geist¬
reichen Männer wurden aus dem Ministerium entfernt, weil unter ihnen die Ge¬
schäfte nicht den gehörigen Fortgang nehmen wollten, nud, abgesehen von einigen
barocken Formen, herrschte der Polizeistaat in Bayern eben so gut wie anderwärts.
Es trat also zwischen der kirchlich gesinnten und der absolutistischen Partei eine
Spaltung ein, die sich immer mehr erweiterte. In den Jahren 1831 und 1832
gingen von Görres'eine Reihe Flugschriften aus, die im theokratischen Sinne
das absolute Polizeiregiment bekämpften. Allein der Ernst, den das letztere zeigte,
schüchterte doch den müden Demagogen ein. Er ließ die Politik bei Seite und
kehrte wieder zu seiner Lieblingsbeschäftigung zurück. Vier starke Bände „christ-


S7*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0463" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/94364"/>
            <p xml:id="ID_1357" prev="#ID_1356"> echten Antheil. Seine Aufsätze athmen einen kirchlichen Fanatismus, der eigent¬<lb/>
lich nur seitdem Haß gegen das weltliche Wesen ausdrückte, das er nicht mehr<lb/>
verstand. Dazu gehören: &#x201E;Der Kampf der Kirchenfreiheit mit der Staatsgewalt<lb/>
in der katholischen Schweiz" (1826), &#x201E;Franz von Assis" (1827), &#x201E;Swedenborg<lb/>
und sein Verhältniß zur Kirche" (1827), endlich: &#x201E;Kurfürst Maximilian I, an<lb/>
König Ludwig von Bayern bei seiner Thronbesteigung" (1827).</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1358"> Nach München waren damals die Blicke aller gläubigen Gemüther gerichtet.<lb/>
König Ludwig war aufgewachsen im Haß gegen den rationalistischen Staats-<lb/>
mechanismus, der trotz aller Frömmigkeit in den regenerirten Staaten das leitende<lb/>
Princip blieb. In dem neuen Regiment wurden, wie etwa 13 Jahre spater in<lb/>
Preußen, Geist und Gemüth zu Grnnde gelegt. Man lüftete etwas den Druck<lb/>
des Polizeisystems, man beschützte die Künste und gab sogar die Richtung zu<lb/>
weit aussehenden künstlerische» Unternehmungen, mau ließ dem christlich-germanischen<lb/>
Wesen freien Spielraum. Satter, der Jesuit, war der geheime Lenker der neuen<lb/>
Regierung; ein zur alleinseligmachenden Kirche bekehrter Dichter, Schenk, der<lb/>
Cultusminister, und Görres wurde als Professor der Geschichte uach München<lb/>
berufen (1827).</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1359"> Nach dem ersten Aufsehe», welches er durch seine geschichtlichen Erinnerungen<lb/>
machte, war seine Wirksamkeit an der Universität nicht bedeutend. Im Jahre<lb/>
1830 trat er.wieder in einem größern Werk,als Schriftsteller auf: &#x201E;Ueber die<lb/>
Grundlage, Gliederung und Zeitenfolge der Weltgeschichte". In<lb/>
dieser neuen Philosophie der Geschichte finden sich zwar noch manche Anklänge<lb/>
an den alten Pantheismus, aber im Wesentlichen wird doch diejenige Richtung,<lb/>
die er in seinem Werke: &#x201E;Deutschland und die Revolution", als Extrem verworfen<lb/>
hatte, seiner Beurtheilung der Thatsachen zu Grunde gelegt. Hegel hat in einer<lb/>
sehr scharfen Entgegnung die Gedankenlosigkeit dieser Schrift mit einem eigentlich<lb/>
verschwendeten Geist gegeißelt. Gleichzeitig arbeitete der alte Meister der Natur¬<lb/>
philosophie, Schelling, an seiner neuen Philosophie der Offenbarung, welche die<lb/>
irre gewordene Speculation in die alten Bahnen zurückführen sollte.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1360" next="#ID_1361"> Auch in Bayern blieb die Romantik nicht ausschließlich am Ruder. Die geist¬<lb/>
reichen Männer wurden aus dem Ministerium entfernt, weil unter ihnen die Ge¬<lb/>
schäfte nicht den gehörigen Fortgang nehmen wollten, nud, abgesehen von einigen<lb/>
barocken Formen, herrschte der Polizeistaat in Bayern eben so gut wie anderwärts.<lb/>
Es trat also zwischen der kirchlich gesinnten und der absolutistischen Partei eine<lb/>
Spaltung ein, die sich immer mehr erweiterte. In den Jahren 1831 und 1832<lb/>
gingen von Görres'eine Reihe Flugschriften aus, die im theokratischen Sinne<lb/>
das absolute Polizeiregiment bekämpften. Allein der Ernst, den das letztere zeigte,<lb/>
schüchterte doch den müden Demagogen ein. Er ließ die Politik bei Seite und<lb/>
kehrte wieder zu seiner Lieblingsbeschäftigung zurück. Vier starke Bände &#x201E;christ-</p><lb/>
            <fw type="sig" place="bottom"> S7*</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0463] echten Antheil. Seine Aufsätze athmen einen kirchlichen Fanatismus, der eigent¬ lich nur seitdem Haß gegen das weltliche Wesen ausdrückte, das er nicht mehr verstand. Dazu gehören: „Der Kampf der Kirchenfreiheit mit der Staatsgewalt in der katholischen Schweiz" (1826), „Franz von Assis" (1827), „Swedenborg und sein Verhältniß zur Kirche" (1827), endlich: „Kurfürst Maximilian I, an König Ludwig von Bayern bei seiner Thronbesteigung" (1827). Nach München waren damals die Blicke aller gläubigen Gemüther gerichtet. König Ludwig war aufgewachsen im Haß gegen den rationalistischen Staats- mechanismus, der trotz aller Frömmigkeit in den regenerirten Staaten das leitende Princip blieb. In dem neuen Regiment wurden, wie etwa 13 Jahre spater in Preußen, Geist und Gemüth zu Grnnde gelegt. Man lüftete etwas den Druck des Polizeisystems, man beschützte die Künste und gab sogar die Richtung zu weit aussehenden künstlerische» Unternehmungen, mau ließ dem christlich-germanischen Wesen freien Spielraum. Satter, der Jesuit, war der geheime Lenker der neuen Regierung; ein zur alleinseligmachenden Kirche bekehrter Dichter, Schenk, der Cultusminister, und Görres wurde als Professor der Geschichte uach München berufen (1827). Nach dem ersten Aufsehe», welches er durch seine geschichtlichen Erinnerungen machte, war seine Wirksamkeit an der Universität nicht bedeutend. Im Jahre 1830 trat er.wieder in einem größern Werk,als Schriftsteller auf: „Ueber die Grundlage, Gliederung und Zeitenfolge der Weltgeschichte". In dieser neuen Philosophie der Geschichte finden sich zwar noch manche Anklänge an den alten Pantheismus, aber im Wesentlichen wird doch diejenige Richtung, die er in seinem Werke: „Deutschland und die Revolution", als Extrem verworfen hatte, seiner Beurtheilung der Thatsachen zu Grunde gelegt. Hegel hat in einer sehr scharfen Entgegnung die Gedankenlosigkeit dieser Schrift mit einem eigentlich verschwendeten Geist gegeißelt. Gleichzeitig arbeitete der alte Meister der Natur¬ philosophie, Schelling, an seiner neuen Philosophie der Offenbarung, welche die irre gewordene Speculation in die alten Bahnen zurückführen sollte. Auch in Bayern blieb die Romantik nicht ausschließlich am Ruder. Die geist¬ reichen Männer wurden aus dem Ministerium entfernt, weil unter ihnen die Ge¬ schäfte nicht den gehörigen Fortgang nehmen wollten, nud, abgesehen von einigen barocken Formen, herrschte der Polizeistaat in Bayern eben so gut wie anderwärts. Es trat also zwischen der kirchlich gesinnten und der absolutistischen Partei eine Spaltung ein, die sich immer mehr erweiterte. In den Jahren 1831 und 1832 gingen von Görres'eine Reihe Flugschriften aus, die im theokratischen Sinne das absolute Polizeiregiment bekämpften. Allein der Ernst, den das letztere zeigte, schüchterte doch den müden Demagogen ein. Er ließ die Politik bei Seite und kehrte wieder zu seiner Lieblingsbeschäftigung zurück. Vier starke Bände „christ- S7*

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93902
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93902/463
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93902/463>, abgerufen am 24.07.2024.